Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes. Schließung einer Betriebskrankenkasse durch die Aufsichtsbehörde. Folgen für den Bestand eines ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses. Zumutbarkeit eines Stellenangebots iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V
Orientierungssatz
1. Wird eine Betriebskrankenkasse durch die Aufsichtsbehörde geschlossen, ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V iVm. § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V den Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nicht mehr durch eine ordentliche Kündigung beendet werden kann, bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer anderen Betriebskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist. Allenfalls bei Ablehnung eines diesen Vorgaben genügenden Angebots endet das ordentlich unkündbare Arbeitsverhältnis eines Beschäftigten nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V am Tag der Schließung der Kasse.
2. Ob ein Stellenangebot iSv. § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V zumutbar ist, ist anhand eines am Gesetzeszweck orientierten Gesamtvergleichs der bisherigen und der „neuen” Vertragsbedingungen zu beurteilen. Maßgebend sind objektive Kriterien.
3. Erhebliche Vergütungsunterschiede zwischen bisher ausgeübter und angebotener Tätigkeit können die Unzumutbarkeit des Stellenangebots begründen.
Normenkette
SGB V § 155 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 9, § 164 Abs. 3-4; BGB § 49 Abs. 2, § 626 Abs. 1; KSchG § 4 S. 1; ArbGG § 72 Abs. 5; ZPO § 50 Abs. 1, § 256 Abs. 1, § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 31.05.2012; Aktenzeichen 1 Sa 55/11) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 12.10.2011; Aktenzeichen 20 Ca 116/11) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 31. Mai 2012 – 1 Sa 55/11 –wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Schließung der Beklagten.
Die Beklagte ist eine – in Abwicklung befindliche – sog. geöffnete Betriebskrankenkasse mit Hauptsitz in S. Sie beschäftigte im Juni 2011 etwa 400 Arbeitnehmer. An ihren Standorten H, B und S waren Personalräte, am Hauptsitz zudem ein Hauptpersonalrat gebildet.
Der 1951 geborene Kläger war seit 1970 bei der Stadt H als Verwaltungsangestellter tätig. Zum 1. August 1978 wurde er in ein Beamtenverhältnis übernommen. Im Juni 1995 wurde er unter Fortfall seiner Bezüge bis zum Eintritt in den Ruhestand beurlaubt. Seitdem war er – auf der Grundlage einer Personalüberleitungsvereinbarung – bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen – zuletzt auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 1. Januar 1999 – beschäftigt. Danach findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV) Anwendung. Dieser enthält in § 20 Abs. 1 die Regelung, dass dem Beschäftigten nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer zehnjährigen Beschäftigungszeit „nur aus einem in seiner Person oder in seinem Verhalten liegenden wichtigen Grund fristlos gekündigt werden” kann. Der Kläger erzielte zuletzt einen Bruttomonatsverdienst in Höhe von etwa 5.900,00 Euro.
Mit Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der Beklagten zum 30. Juni 2011 an. Grund war deren Überschuldung und eine damit einhergehende dauernde Leistungsunfähigkeit.
Am 20. April und 4. Mai 2011 unterrichtete die Beklagte den Hauptpersonalrat über die bevorstehende Schließung. Sie teilte ihm ferner mit, dass sie beabsichtige, alle Arbeitsverhältnisse vorsorglich außerordentlich zum 30. Juni 2011, hilfsweise fristgemäß bzw. außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zu kündigen. Der Hauptpersonalrat erhob dagegen Einwände.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung am 30. Juni 2011 enden werde. Zugleich wies sie ihn auf die in der Personalüberleitungsvereinbarung vorgesehene Rückkehrmöglichkeit zur Stadt H hin; mit dieser habe sie – unter Berücksichtigung ihrer bevorstehenden Abwicklung und des insoweit bestehenden Personalbedarfs – Einvernehmen darüber erzielt, dass Beschäftigte bei Wahrnehmung der betreffenden Option „in einem zeitlich gestuften Verfahren” zur Stadt H zurückkehren sollten.
Am 13. Mai 2011 unterbreitete der zuständige BKK Landesverband dem Kläger im Auftrag der S-Betriebskrankenkasse (SBK) ein Stellenangebot mit folgendem Inhalt: „SBK He; Standort: P; Funktion: Sachbearbeiter; Geschäftsbereich: Vertrieb; Vergütung: ERA EG 9, 3.340 – 3.504 EUR (unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und der bisherigen Dienststellung); anzuwendender Tarifvertrag: TV Metall und Elektro”. Ergänzend verwies der Landesverband auf eine im Intranet eingerichtete Stellenbörse. Der Kläger nahm das Angebot der SBK He nicht an.
Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „vorsorglich” außerordentlich mit Auslauffrist zum 30. Juni 2011, hilfsweise zum 31. Dezember 2011 als dem von ihr angenommenen „nächst möglichen Termin”.
Nach dem Schließungszeitpunkt wurde der Kläger auf der Grundlage eines bis zum 30. Juni 2012 befristeten Arbeitsvertrags als „Teamleiter” bei der Beklagten weiterhin beschäftigt. Die Befristung wurde später zumindest bis zum 31. Dezember 2012 verlängert. Zu einem nicht benannten Zeitpunkt machte der Kläger von seinem „Rückkehrrecht” zur Stadt H Gebrauch.
Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der Schließung und – rechtzeitig – gegen die Kündigung gewandt. Der Kläger hat gemeint, sein Arbeitsverhältnis sei nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V beendet worden. Die Vorschrift müsse dahin ausgelegt werden, dass nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer beendet würden, die ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung ausgeschlagen hätten. Ein solches sei ihm nicht unterbreitet worden. Die vorsorglich erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Schließung habe nicht zur Stilllegung des Betriebs geführt. Die Beklagte habe über den Schließungszeitpunkt und den 31. Dezember 2011 hinaus Abwicklungsarbeiten durchgeführt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Ablauf des 30. Juni 2011 geendet hat;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 19. Mai 2011 weder zum 30. Juni 2011 noch zum 31. Dezember 2011 oder einem anderen „nächst möglichen” Termin aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, mit ihrer Schließung habe sie ihre Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verloren. Sie sei damit als Arbeitgeberin „untergegangen”. Schon dies habe unmittelbar zur Beendigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse geführt. Zumindest habe das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft gesetzlicher Anordnung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sein Ende gefunden. Die Regelung sei verfassungskonform. Durch die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten einer Innungskrankenkasse und der einer Betriebskrankenkasse werde Art. 3 GG nicht verletzt. Die Unterscheidung sei nicht willkürlich. Die Sicherung eines funktionierenden gesetzlichen Gesundheitssystems stelle ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar. Das Interesse der Arbeitnehmer am Bestand ihrer Arbeitsverhältnisse müsse dahinter zurücktreten. Ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung habe der Kläger abgelehnt. Falls es darauf ankomme, sei die vorsorglich erklärte Kündigung wirksam. Aufgrund ihrer Schließung seien sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Die befristete Weiterbeschäftigung des Klägers ändere daran nichts. Das Gesetz überantworte die Abwicklung dem Vorstand. Sie beginne ganz ohne eigenes Personal. Auf der Grundlage konkreter Prognosen zum Beschäftigungsbedarf für die Dauer der Abwicklung würden sodann – wie mit dem Kläger – befristete Arbeitsverträge geschlossen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. Juni 2011 weder unmittelbar dadurch, dass mit der Schließung der Beklagten die Arbeitgeberin des Klägers erloschen wäre, noch von Gesetzes wegen gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Es ist auch nicht durch die Kündigung(en) der Beklagten vom 19. Mai 2011 aufgelöst worden.
A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Feststellungsbegehren des Klägers in dem Umfang, wie es sich gegen die beklagte Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung richtet. Soweit der Kläger seine Anträge in zweiter Instanz auch gegen die „C BKK” als ein gegenüber der Abwicklungskörperschaft vermeintlich eigenständiges Rechtssubjekt gerichtet hatte, ist der Rechtsstreit beendet. Das Landesarbeitsgericht hat die hierauf bezogene Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Ob diese Entscheidung auf einem zutreffenden Antragsverständnis beruht und welchen Gegenstand sie hat, bedarf keiner Erörterung. Der Kläger hat von der Möglichkeit einer Anschlussrevision keinen Gebrauch gemacht.
B. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich aller Streitgegenstände zulässig. Dass sie hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag nicht eigens begründet worden ist, ist unschädlich.
I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 120/12 – Rn. 17; 27. September 2012 – 2 AZR 811/11 – Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 27. September 2012 – 2 AZR 811/11 – aaO; 9. April 1991 – 1 AZR 488/90 –zu I der Gründe, BAGE 68, 1).
II. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Revision auch gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag zu 2. zulässig. Zwar fehlt es insoweit an einer Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Berufungsurteil. Dessen bedurfte es jedoch nicht. Erwiese sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. als unrichtig, hätte also das Arbeitsverhältnis der Parteien schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, wäre damit zugleich die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig.
1. Stehen mehrere Beendigungstatbestände in Rede und macht der Kläger die Unwirksamkeit der einzelnen Maßnahmen mittels Haupt- und unechten Hilfsantrags geltend, besteht zwischen den Anträgen ein prozessuales Abhängigkeitsverhältnis. Ein uneigentlicher Hilfsantrag wird gestellt für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags ist demnach auflösend bedingt durch den Misserfolg des Hauptantrags (BAG 10. März 2009 – 1 ABR 93/07 – Rn. 50, BAGE 130, 1). Sie endet mit Bedingungseintritt rückwirkend, ohne dass es dafür eines besonderen gerichtlichen Ausspruchs bedürfte. Ein über den Hilfsantrag bereits ergangenes, noch nicht formell rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos (BAG 12. August 2008 – 9 AZR 620/07 – Rn. 15, BAGE 127, 214). Auch wenn sich der Revisionsangriff nur gegen die – stattgebende – Entscheidung über den Hauptantrag richtet, tritt in einem solchen Fall bei erfolgreicher – zur Abweisung dieses Antrags führender – Revision die auflösende Bedingung ein. Der erfolgreiche Angriff gegen die Entscheidung über den Hauptantrag reicht damit aus, um das angefochtene Urteil auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu Fall zu bringen.
2. So liegt der Fall hier. Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Der Kläger will sich gegen die Kündigung nur zur Wehr setzen, falls das Arbeitsverhältnis nicht schon durch die Schließung der Beklagten geendet hat.
a) Eine solchermaßen – auflösend – bedingte Antragstellung entspricht bei mehreren, zu unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten erklärten Kündigungen dem (Kosten-)Interesse des Kündigungsempfängers. Sie trägt überdies der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Rechnung, nach der die Sozialwidrigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung dann nicht festgestellt werden kann, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines anderen – vor oder gleichzeitig mit Ablauf der Kündigungsfrist wirkenden – Beendigungstatbestands zwischen den Parteien unstreitig oder sie rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BAG 11. Februar 1981 – 7 AZR 12/79 – zu B II 1 der Gründe). Gegen die Zulässigkeit eines entsprechend bedingten Antrags bestehen keine Bedenken. Bei der fraglichen Bedingung handelt es sich um eine rein innerprozessuale Rechtsbedingung. Unter eine solche Rechtsbedingung kann jeder Klageantrag gestellt werden. Da der Antrag iSv. § 158 Abs. 2 BGB auflösend – und nicht etwa aufschiebend – bedingt ist, vermag er, rechtzeitig gestellt, auch die Klagefrist des § 4 Abs. 1 KSchG ohne Weiteres zu wahren.
b) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte ihrerseits die Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 nur „vorsorglich” für den Fall erklärt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits aufgrund der Schließung zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden ist. Ihre Kündigungserklärung steht damit unter der – ebenfalls zulässigen – auflösenden Rechtsbedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kraft Gesetzes eingetreten ist (vgl. für den Fall zweier Kündigungen BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 54/12 – Rn. 44). Tritt diese Bedingung ein, liegt schon eine Kündigungserklärung als solche nicht mehr vor. Eine gleichwohl aufrechterhaltene Kündigungsschutzklage ginge ins Leere und wäre unbegründet (vgl. BAG 16. Januar 1987 – 7 AZR 546/85 –). Auch aus diesem Grund ist der Kündigungsschutzantrag zu 2. als unechter Hilfsantrag zu verstehen, mit dem der Kläger sich gegen die „vorsorglich” erklärte(n) Kündigung(en) seinerseits nur „vorsorglich” wehrt (vgl. für das Ergebnis auch HaKo-KSchR/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 64).
c) Falls schon die Schließung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, fallen somit – materiell-rechtlich – die Kündigungserklärung und – prozessrechtlich – der Feststellungsantrag zu 2. samt der zu ihm ergangenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts fort. Es genügt damit ein – zulässiger – Revisionsangriff der Beklagten gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis habe nicht schon kraft Gesetzes sein Ende gefunden, um das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag in Frage zu stellen.
3. Unabhängig vom Stufenverhältnis der Klageanträge ist ein erfolgreicher Angriff der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. auch aus materiell-rechtlichen Gründen ausreichend, um die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig werden zu lassen. Hat das Arbeitsverhältnis schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, kann die Kündigungsschutzklage gegen die – zum selben bzw. einem späteren Termin erklärte(n) – Kündigung(en) keinen Erfolg haben.
C. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet erachtet.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die Zulässigkeit der Klage setzt die Parteifähigkeit des Beklagten voraus. Die Beklagte ist parteifähig.
a) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Betriebskrankenkassen wie die Beklagte sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 SGB IV, § 4 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V). Sie sind damit – im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben (vgl. Krauskopf/ Baier SGB IV ≪Stand Februar 2013≫ § 29 Rn. 5) – parteifähig (vgl. MüKoZPO/ Lindacher 4. Aufl. § 50 Rn. 21). Streiten die Parteien gerade über die Existenz oder die Parteifähigkeit eines Prozessbeteiligten oder über die sich aus deren Erlöschen ergebenden Folgen, ist die Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung zu unterstellen (BAG 24. Juni 2004 – 2 AZR 215/03 – zu B I 1 b der Gründe; 31. August 1983 – 4 AZR 104/81 –; für eine Gebietskörperschaft BGH 21. Oktober 1971 – II ZR 90/68 – zu A I der Gründe). Das Zivilprozessrecht sieht für die Klärung von Rechtsansprüchen stets einen Prozess mit mindestens zwei Parteien vor. Dementsprechend muss auch die Frage, ob eine der Parteien rechtlich existent ist, inter partes geklärt werden können. Andernfalls wäre eine mit materieller Rechtskraft ausgestattete Entscheidung dieser Frage nicht möglich (BAG 24. Juni 2004 – 2 AZR 215/03 – aaO).
b) Danach ist hier die Parteifähigkeit der Beklagten jedenfalls zu fingieren. Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen der Schließung der Beklagten für ihr Arbeitsverhältnis und über die Wirksamkeit der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Kündigung. Diese Fragen können einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung nur zugeführt werden, wenn die Beklagte unabhängig davon, ob und ggf. inwieweit sie gem. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V weiterhin rechtsfähig ist, als parteifähig gilt.
2. Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen keine Bedenken.
a) Der Antrag zu 1. ist ein allgemeiner Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. In der Sache begehrt der Kläger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 30. Juni 2011 hinaus fortbesteht. Ob auch ein punktueller, dem Kündigungsschutzantrag iSv. § 4 Satz 1 KSchG nachgebildeter Antrag zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung (verneinend BAG 10. November 2011 – 6 AZR 357/10 – Rn. 13, BAGE 139, 376; 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – Rn. 15, BAGE 125, 70).
b) Das auf Seiten des Klägers erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.
aa) Der Antrag betrifft den durch die Beklagte mit Verweis auf ihre Schließung in Frage gestellten Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Streit umfassend zu klären.
bb) Der Antrag ist auch nicht lediglich auf die Klärung einer Frage gerichtet, die im Rahmen der Begründetheit des ebenfalls gestellten Kündigungsschutzantrags als Vorfrage ohnehin beantwortet werden müsste; ein rechtliches Interesse an einem eigenständigen Feststellungsbegehren wäre andernfalls nicht zu erkennen. Zwar kann der Kündigungsschutzantrag des Klägers nur Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der mit der Kündigung verbundenen Auslauffrist(en) bestanden hat. Dies wiederum kann positiv nur festgestellt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon am 30. Juni 2011 durch Schließung geendet hat. Das ist folglich auch im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu prüfen. Jedoch ist hier der allgemeine Feststellungsantrag als Haupt-, der Kündigungsschutzantrag als unechter Hilfsantrag gestellt worden. In diesem Fall kann ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Hauptantrag nicht mit der Erwägung verneint werden, der mit ihm angegriffene Auflösungstatbestand sei auch im Rahmen des – möglicherweise gar nicht zu bescheidenden – Hilfsantrags zu überprüfen.
II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder aufgrund der Schließung der Beklagten noch durch die außerordentliche(n) Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 beendet worden.
1. Die Anträge sind nicht deshalb unbegründet, weil die Parteien für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen und diesen später zumindest bis zum 31. Dezember 2012 verlängert haben. Damit haben sie weder ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2011 – konkludent – aufgehoben, noch hat der Kläger auf sein Recht verzichtet, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni bzw. 31. Dezember 2011 hinaus geltend zu machen. Ebenso wenig kann – umgekehrt – davon ausgegangen werden, die Parteien hätten sich mit den Befristungsabreden zugleich über eine einvernehmliche Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den Schließungszeitpunkt bzw. die Kündigungstermine hinaus verständigen wollen, so dass der Klage schon aus diesem Grund stattzugeben wäre. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, beide Seiten seien nicht davon ausgegangen, dass das befristete Arbeitsverhältnis ein ggf. zwischen ihnen bestehendes unbefristetes Arbeitsverhältnis ablösen sollte. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.
2. Die Klage ist auch nicht deshalb – zumindest teilweise – unbegründet, weil dem Kläger mit der Personalüberleitungsvereinbarung vom 21. Juni 1995 für den Fall der Schließung/Auflösung der Beklagten ein „Rückkehrrecht” zur Stadt H eingeräumt wurde und er – den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zufolge – von dieser Zusage Gebrauch gemacht hat. Zum einen kann der Vereinbarung nicht entnommen werden, die Inanspruchnahme des Rechts führe ohne Weiteres zur Beendigung eines mit der Beklagten ggf. noch fortbestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Zum anderen kann angesichts der Mitteilungen der Beklagten im Schreiben vom 9. Mai 2011 nicht davon ausgegangen werden, der Kläger sei schon vor dem Auslaufen seiner befristeten Verträge tatsächlich in ein Dienstverhältnis zur Stadt H „zurückgekehrt”. Das sieht die Beklagte offenbar selbst nicht anders. Sie beruft sich für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht etwa auf die dem Kläger erteilte Rückkehrzusage.
3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht dadurch am 30. Juni 2011 geendet, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Schließung nach § 153 SGB V erloschen und damit als Arbeitgeberin ipso iure weggefallen wäre.
a) Wird eine Betriebskrankenkasse gem. § 153 SGB V geschlossen, verliert sie ihre rechtliche Existenz als mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestatteter Sozialversicherungsträger iSv. § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V (vgl. Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 155 Rn. 2). Deshalb enden sowohl die Mitgliedschaftsverhältnisse als auch die Ämter der Selbstverwaltungsorgane, etwa des Verwaltungsrats (vgl. Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 12; Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 155 aaO; LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 4). Dies führt jedoch nicht zum sofortigen Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit als solcher. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Betriebskrankenkasse vielmehr als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. In diesem Rahmen ist sie uneingeschränkt handlungsfähig und kann beispielsweise, wenn dieser Zweck es verlangt, auch neue Arbeitsverhältnisse begründen (Becker/Kingreen/Mühlhausen aaO Rn. 13, 14; Hänlein aaO Rn. 5; Krauskopf/Baier aaO Rn. 5). Erst mit vollständigem Abschluss der Abwicklung geht sie endgültig unter (vgl. LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 2).
aa) Bereits der Wortlaut des § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V macht deutlich, dass die Schließung der Betriebskrankenkasse nicht ihren sofortigen Untergang als Rechtssubjekt zur Folge hat. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass es nach der Schließung noch der Abwicklung der Kasse bedarf. Sie fingiert zu diesem Zweck den Fortbestand der juristischen Person und damit ihre Fähigkeit, in diesem auf die Abwicklung beschränkten Rahmen weiterhin Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Offenkundig geht der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige Rechtsträger, der die Abwicklungsaufgaben wahrnimmt, mit dem ursprünglichen identisch ist. Andernfalls könnte von einem „Fortbestehen” nicht die Rede sein (vgl. Rolfs GuP 2013, 8, 11; dens. NZA 2013, 529, 532; Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 155 Rn. 5). Die Auffassung, es entstehe mit der Schließung der Betriebskrankenkasse eine eigenständige „neue Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung” (Bohlen-Schöning KrV 2012, 101, 103; ähnlich Gutzeit NZS 2012, 361, 365), ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (so im Ergebnis auch Rolfs NZA 2013, 529, 533; Wolter FS Bepler S. 675, 680).
bb) Auch aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer Kontinuität und Identität der juristischen Person ausgegangen ist. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 SGB V wickelt der bisherige Vorstand die Geschäfte ab. Er bleibt dabei bis zur vollständigen Abwicklung der Geschäfte im Amt. Die Aufsichtsbehörde bestellt gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 SGB V einen Abwicklungsvorstand nur, wenn der alte Vorstand nicht mehr tätig wird.
cc) Der Fortbestand der juristischen Person für die Dauer ihrer Abwicklung entspricht zudem Sinn und Zweck von § 155 SGB V. Die Vorschrift soll die geordnete Beendigung der bestehenden Rechtsbeziehungen und die Erfüllung offener Verbindlichkeiten ermöglichen (Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 ≪Stand Dezember 2012≫ K § 155 Rn. 9a). Beides setzt voraus, dass die ursprüngliche juristische Person jedenfalls für diese Zwecke fortbesteht. Andernfalls bedürfte es der Übertragung der verbliebenen Rechtsverhältnisse auf einen anderen Rechtsträger. Einen solchen Rechtsakt sieht das Gesetz nicht vor.
dd) Die Entstehungsgeschichte von § 155 SGB V belegt ebenfalls, dass die Betriebskrankenkasse als juristische Person erst nach ihrer vollständigen Abwicklung erlischt. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz – GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) eingeführt. § 155 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB V entspricht der Vorgängerregelung in § 301 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 RVO (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 211). Nach § 302 Abs. 1 RVO wiederum endeten die Vertragsverhältnisse der Angestellten, Ärzte und Zahnärzte drei, nach dem Einführungsgesetz zur RVO teilweise zwölf Monate nach Mitteilung der bevorstehenden Schließung, frühestens aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Schließung der Betriebskrankenkasse. Dementsprechend konnte die Beendigung der Vertragsverhältnisse ggf. auch erst nach der Schließung eintreten. Sie sollten bis zum Zeitpunkt ihrer Beendigung nach normalen Grundsätzen abgewickelt werden (Kühne Krankenversicherung 2. Aufl. § 302 RVO Nr. 2; Stier-Somlo Komm. zur RVO Bd. 1 § 302 Nr. 1). Daraus folgt, dass jedenfalls der Gesetzgeber der RVO nicht davon ausgegangen ist, die Rechtspersönlichkeit einer Betriebskrankenkasse erlösche ipso iure im Zeitpunkt ihrer Schließung. Dafür, dass der Gesetzgeber des SGB V dies anders gesehen hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Im Übrigen bliebe andernfalls unerklärlich, warum es einer Regelung wie der des § 164 Abs. 4 SGB V bedurfte.
ee) Auch der zum Vergleich herangezogenen Vorschrift des § 49 Abs. 2 BGB – an die sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen zur Abwicklung von Betriebskrankenkassen angelehnt hat (vgl. Peters in HandB KV Bd. 4 ≪Stand Februar 1996≫ § 155 SGB V Rn. 4 unter Bezugnahme auf S. 194 der Begründung zu § 314 RVO) – ist nicht zu entnehmen, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Eintritt in das Liquidationsstadium „automatisch” ihr Ende fänden. Durch § 49 Abs. 2 BGB wird die Rechtsfähigkeit des Vereins nicht bezüglich bestehender Rechte, sondern allenfalls für den Erwerb neuer Rechte eingeschränkt (BGH 22. März 2011 – IX ZR 373/98 – zu III 2 a aa der Gründe; Wolter FS Bepler S. 675, 680). An die Pflichten aus gegenseitigen Verträgen ist der Verein weiterhin so gebunden wie vor dem Eintritt in die Liquidationsphase. Die Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen richtet sich in diesem Stadium nach allgemeinen Grundsätzen (MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 49 Rn. 2 mwN; für die Beendigung von Tarifverträgen bei Auflösung einer Tarifvertragspartei vgl. BAG 23. Januar 2008 – 4 AZR 312/01 – Rn. 23, BAGE 125, 314).
ff) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Betriebskrankenkassen privatrechtlicher Arbeitgeber, sondern auch für die Betriebskrankenkassen öffentlich-rechtlicher Verwaltungen (§ 156 SGB V). Beide unterliegen denselben Regeln. § 156 SGB V bestimmt, dass die §§ 147 bis 155 Abs. 4 SGB V für Dienstbetriebe von Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände oder der Gemeinden entsprechende Anwendung finden. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Beklagte trotz ihrer Fusion mit den Betriebskrankenkassen Ba und Be noch die Betriebskrankenkasse einer öffentlich-rechtlichen Verwaltung – wie wohl ursprünglich – ist.
gg) Aus dem Umstand, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten bei der Fusion von Krankenkassen endet (BAG 29. September 2010 – 10 AZR 588/09 –Rn. 22 ff., BAGE 135, 327), folgt nichts anderes. Das Amtsende beruht auf den Besonderheiten des Datenschutzrechts und der Verpflichtung der aus der Fusion hervorgegangenen Krankenkasse, als „neue” öffentliche Stelle einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen. Im Übrigen führt die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nicht etwa zu einer automatischen Beendigung der mit ihnen begründeten Rechtsverhältnisse. Gemäß § 144 Abs. 4 SGB V bestehen diese vielmehr mit der aus der Fusion hervorgegangenen Kasse fort (vgl. BAG 29. September 2010 – 10 AZR 588/09 – Rn. 25, BAGE 135, 327; BSG 2. Dezember 2004 – B 12 KR 23/04 R – zu 2 a der Gründe; jurisPK-SGB V/Koch 2. Aufl. ≪Stand Juni 2012≫ § 144 Rn. 28).
b) Zur „Abwicklung der Geschäfte” iSv. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehört die „Versorgung” des Personals einer geöffneten Betriebskrankenkasse iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V (Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 13; Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 ≪Stand Dezember 2012≫ K § 155 Rn. 9). Bei den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Mitarbeiter handelt es sich um – privatrechtliche – Rechtsbeziehungen, deren ordnungsgemäßer Beendigung oder Überleitung die Vorschrift dient. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer für die Durchführung der Abwicklungsarbeiten benötigt wird oder nicht (aA Gutzeit NZS 2012, 361, 365). Bei den Regelungen in § 301, § 302 Abs. 1 RVO ging der Gesetzgeber davon aus, dass ggf. sämtliche Arbeitsverhältnisse über den Zeitpunkt der Schließung hinaus fortbeständen. § 301 RVO war nicht auf die Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern beschränkt, die für die Abwicklung benötigt wurden. Dass der Gesetzgeber des SGB V eine solche Differenzierung hätte einführen wollen, ist nicht erkennbar.
4. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht mit Ablauf des 30. Juni 2011 kraft Gesetzes nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V geendet. Es war zum Schließungszeitpunkt gem. § 20 Abs. 1 MTV ordentlich nicht mehr kündbar. Bei sachgerechtem Verständnis der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 3, Abs. 4 SGB V hätte es deshalb allenfalls bei Ablehnung eines den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V genügenden Angebots geendet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, dass dem Kläger ein entsprechendes Angebot unterbreitet worden wäre. Das geht zu ihren Lasten.
a) Die Abwicklung der Geschäfte einer von der Aufsichtsbehörde geschlossenen Betriebskrankenkasse richtet sich nach § 155 SGB V. Gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V gilt – jedenfalls nach Schließung einer iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V für Betriebsfremde geöffneten Betriebskrankenkasse – § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V entsprechend. Allerdings gilt § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Da der Kläger zu diesem Personenkreis zählt, kommt es im Streitfall auf die gesetzliche Einschränkung nicht an.
b) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten von Innungskrankenkassen, die nicht nach Abs. 3 der Regelung untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung der Kasse. Vertragsgemäße Rechte, zu einem früheren Zeitpunkt zu kündigen, bleiben nach § 164 Abs. 4 Satz 2 SGB V unberührt.
aa) Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Dienstordnungsangestellten verpflichtet, eine vom Landesverband der Innungskrankenkassen nachgewiesene dienstordnungsmäßige Stellung bei ihm oder einer anderen Innungskrankenkasse anzutreten, wenn die Stellung nicht in auffälligem Missverhältnis zu den Fähigkeiten der Angestellten steht.
bb) Den übrigen Beschäftigten ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist.
cc) In § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V ist bestimmt, dass jede Innungskrankenkasse verpflichtet ist, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen „dienstordnungsmäßige Stellungen” nach Satz 1 nachzuweisen und „Anstellungen” nach Satz 3 anzubieten; die Nachweise und Angebote sind den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen.
c) Die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Schließung der Kasse tritt nur ein, wenn den Betroffenen bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer Betriebskrankenkasse eine Stellung angeboten wurde, die den Vorgaben des § 164 Abs. 3 SGB V genügt, und sie ein solches Angebot abgelehnt haben. Nur in einem solchen Fall sind sie iSv. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V „nicht untergebracht” worden. Das ergibt die Auslegung.
aa) Im Schrifttum werden die Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 SGB V insoweit uneinheitlich interpretiert.
(1) Zum Teil wird angenommen, das Arbeitsverhältnis ende, wenn eine Weiterbeschäftigung tatsächlich nicht erfolge. Die Vorschrift unterscheide nicht danach, ob und aus welchen Gründen es an einer Anschlussbeschäftigung fehle. Sie knüpfe lediglich an dieses Faktum an (Engelhard in Hauck/Noftz SGB V Bd. 4 ≪Stand Februar 2011≫ K § 164 Rn. 36, 37; Peters in HandB KV Bd. 2 ≪Stand Februar 1996≫ § 164 SGB V Rn. 12; Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8; wohl auch Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87; Hänlein in LPK-SGB V 4. Aufl. § 164 Rn. 9).
(2) Überwiegend wird die Ansicht vertreten, den Beschäftigten müsse erfolglos eine zumutbare Unterbringung nach § 164 Abs. 3 SGB V angeboten worden sein, um die Folge einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auszulösen. Das Arbeitsverhältnis ende allenfalls bei Ablehnung der Weiterbeschäftigung auf einer solchen Stelle (Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Rolfs GuP 2013, 8, 9; ders. NZA 2013, 529,531; Wolter FS Bepler S. 675, 677; Dalichau SGB V Bd. 3 ≪Stand 1. Dezember 2012≫ § 155 S. 21; ders. SGB V Bd. 3 ≪Stand 1. Juli 2009≫ § 164 S. 11; Székely in Brall/Kerschbaumer/Scheer/Westermann §§ 146a, 153, 155, 163, 164, 170, 171 SGB V Rn. 10; wohl auch Krauskopf/Baier SozKV Bd. 2 ≪Stand März 2012≫ § 164 SGB V Rn. 22).
bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu.
(1) Der Wortlaut des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist für die zu beantwortende Frage allerdings wenig ergiebig. Dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, „die nicht nach § 164 Abs. 3 SGB V untergebracht werden”, mit dem Tag der Schließung der Kasse enden, lässt offen, ob nur die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten enden sollen, denen ein Angebot iSv. § 164 Abs. 3 SGB V erfolglos unterbreitet worden ist, oder auch die derjenigen, die ein solches Angebot nicht erhalten haben. Es ist sprachlich nicht ausgeschlossen, einen Beschäftigten auch dann als „nicht untergebracht” anzusehen, wenn ihm eine Unterbringung gar nicht oder nicht zumutbar angeboten wurde. Der Wortsinn gibt beides her (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 677).
(2) Schon der systematische Zusammenhang von Absatz 3 und Absatz 4 des § 164 SGB V spricht aber dafür, dass eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse aufgrund Gesetzes nur dann eintreten soll, wenn dem Beschäftigten zuvor eine zumutbare anderweitige Stellung erfolglos angeboten worden ist.
(a) § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nimmt auf Absatz 3 der Vorschrift Bezug. Die Regelungen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Nur die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden”, enden mit dem Tag der Schließung.
(b) § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V verpflichtet alle Kassen, entsprechend der Anzahl ihrer Versicherten „Anstellungen nach Satz 3 anzubieten”. Im Wortlaut des Gesetzes findet sich dabei kein Anhaltspunkt für die Annahme, es könnten sich einzelne Kassen unter bestimmten Voraussetzungen weigern, Personal – übersteige dies auch ihren Bedarf – aufzunehmen (vgl. Bohlen-SchöningKrV 2011, 85, 87 mwN). Die Gesetzesbegründung spricht für das Gegenteil. Mit § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V sollte der Verteilungsmodus für Weiterbeschäftigungsangebote unter den Kassen geregelt werden. Wegen des zunehmenden Wettbewerbs auch zwischen Krankenkassen derselben Kassenart könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese über ein ausreichendes Selbstorganisationspotential verfügten, um den Beschäftigten einer behördlich geschlossenen Kasse Arbeitsplatzangebote in ausreichender Zahl zukommen zu lassen (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Der Gesetzgeber hat folglich die mögliche Überforderung einzelner Kassen durchaus erkannt und berücksichtigt (vgl. Mühlhausen in Becker/Kingreen SGB V 3. Aufl. § 164 Rn. 15; Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Koch in jurisPK-SGB V 2. Aufl. ≪Stand 13. Mai 2013≫ § 164 Rn. 15; wohl auch Baier in Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 164 Rn. 20). Gleichwohl hat er in § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V eine Verpflichtung zur Angebotsabgabe vorgesehen. Für die Annahme, die Verpflichtung könne wegen Überforderung einzelner Kassen entfallen – wenn auch mit der Folge, dass an ihre Stelle ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch des betroffenen Beschäftigten trete (vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8) – ist angesichts dessen kein Raum (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 681). Zur Wahrung ihrer Wirtschaftlichkeit bleibt den Kassen nur die Möglichkeit, nach einer Personalübernahme ggf. Anpassungsmaßnahmen mit den Mitteln des Vertrags- und des Kündigungsrechts vorzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87).
(c) Ist danach jedem Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar ist, zwingend ein zumutbares Anstellungsangebot zu unterbreiten, spricht dies angesichts der Verknüpfung zwischen Abs. 3 und Abs. 4 des § 164 SGB V für ein Verständnis, demzufolge Beschäftigte nur dann „nicht untergebracht werden”, wenn sie ein solches Angebot zwar bekommen, aber abgelehnt haben. Dazu, dass Beschäftigte „nicht untergebracht werden”, kann es angesichts des Angebotszwangs typischerweise nur kommen, wenn diese sich weigern, untergebracht zu werden.
(3) Die Richtigkeit dieses Verständnisses folgt ferner aus Sinn und Zweck der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V.
(a) Die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V (vormals § 173 Abs. 2 bis 4 SGB V idF des GRG vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) tragen nach dem Willen des Gesetzgebers den Interessen des von der Auflösung oder Schließung einer Innungskrankenkasse betroffenen Personals Rechnung. Es soll eine Übernahme der Beschäftigten zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen erfolgen. Nur in Fällen, in denen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, sollen die Vertragsverhältnisse enden (vgl. die Begründung zu § 173 Abs. 3 bis 5 des Entwurfs, BT-Drucks. 11/2237 S. 212). „Nicht möglich” ist die Weiterbeschäftigung mit Blick auf die nach § 164 Abs. 3 Satz 3 (vormals § 173 Abs. 3 Satz 3) SGB V bestehende Angebotsverpflichtung aber nur, wenn der Beschäftigte eine entsprechende Offerte ausgeschlagen hat.
(b) Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) im Jahr 2008 aufgegriffen. Durch die entsprechende Anwendung von § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V sollten auch im Bereich der Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der Dienstordnungsangestellten – die es bei diesen Kassen allerdings gar nicht gibt – und die der übrigen Beschäftigten in unkündbarer Stellung insofern gesichert werden, als ihnen bei den anderen Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stellung entsprechende Stelle anzubieten ist – so wie dies neben den Innungs– auch für die Ortskrankenkassen und generell als Folge von kassenarten-übergreifenden Fusionen in § 171a SGB V bereits geregelt war (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Von einer „Sicherung der Ansprüche” könnte schwerlich die Rede sein, wenn auch ohne Erfüllung dieser Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V die Arbeitsverhältnisse im Schließungszeitpunkt nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V endeten.
(c) Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl alle Vertragsverhältnisse unabhängig von einer Erfüllung des Unterbringungsanspruchs im Zeitpunkt der Schließung auslaufen sollten, etwa um der behördlich geschlossenen Kasse Planungssicherheit in der Abwicklungsphase zu geben oder die Leistungsfähigkeit des Kassenverbunds nicht zu gefährden (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 9 f., 12 und NZA 2013, 529, 531; aA Grau/ Sittard KrV 2012, 6, 19; Gutzeit NZS 2012, 361, 366 und NZS 2012, 410, 413 f.). Bei einem solchen Regelungsziel bliebe überdies unklar, warum § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V überhaupt darauf abstellt, ob die Beschäftigten „untergebracht werden”. Es hätte dann näher gelegen, voraussetzungslos die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zum Schließungszeitpunkt vorzusehen. Im Übrigen wäre die Leistungsfähigkeit der Kassen angesichts der Haftungsregelungen in § 155 Abs. 4 SGB V auch dann betroffen, wenn den Arbeitnehmern – wie im Schrifttum vorgeschlagen – bei Nichterfüllung der Pflicht zur Abgabe eines zumutbaren Angebots Schadenersatzansprüche zuzubilligen wären. Der Einwand, wenn der Gesetzgeber die Unterbreitung eines Angebots vorausgesetzt hätte, hätte er sprachlich ebenso leicht eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse auf diejenigen Arbeitnehmer beschränken können, die ein zumutbares Stellenangebot nicht annähmen, trägt demgegenüber nicht. Die Formulierung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V soll ersichtlich beide Alternativen des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 SGB V erfassen: den Nachweis einer „dienstordnungsmäßigen Stellung” gegenüber Dienstordnungsangestellten – die diese anzunehmen verpflichtet sind – nach den Sätzen 1 und 2 der Bestimmung und das Angebot einer „Stellung” gegenüber den übrigen Arbeitnehmern nach Satz 3. Auf die erste Alternative passt aber die hypothetische Formulierung nicht.
(d) Die andere Lesart von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist auch nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber die Anregung des BKK-Bundesverbands in dessen Stellungnahme zum GKV-OrgWG nicht aufgegriffen hat, die Regelung eben dahin zu fassen, dass die Beendigung nur eintrete, wenn eine Beschäftigung nach § 164 Abs. 3 SGB V abgelehnt werde (Ausschussdrucks. 16(14)0410(30) vom 17. September 2008 S. 3). Nach dem eigenen Bekunden des Verbands sollte dies lediglich der Klarstellung dienen, nicht aber eine sachliche Änderung der gesetzlichen Bestimmung bewirken.
(e) Die Verpflichtung zur Unterbringung ist zudem Ausdruck des Umstands, dass die Schließung bei kassenübergreifender Betrachtung nicht zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt. Die Versicherungsverträge der bei der geschlossenen Kasse versicherten Personen müssen „im System” der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin verwaltet werden. Dementsprechend sieht das Gesetz auch für andere Fälle von Strukturänderungen im Kassenwesen unabdingbare Verpflichtungen zur Übernahme des Personals vor, so bei freiwilligen Vereinigungen von Kassen in § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V, bei Ablehnung der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber in § 147 Abs. 2 Satz 4 ff. SGB V und bei der Umwandlung der Bundesverbände in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in §§ 212, 213 SGB V.
(4) Mögliche praktische Schwierigkeiten bei der Durchführung des Verfahrens zur Unterbringung der Beschäftigten nach § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V sind nicht geeignet, das Ergebnis der Auslegung, die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V setze die Unterbreitung eines zumutbaren Stellenangebots voraus, in Frage zu stellen. Sie bestehen unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eintritt, will man nicht annehmen, dass Abs. 3 Satz 3 und 4 der Bestimmung gar nicht praktisch beachtet werden muss. Zudem hat es die Aufsichtsbehörde bei der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Schließung wirksam werden soll, nach § 153 Satz 2 SGB V in der Hand, auf eine ggf. „zeitkritische Dimension” (Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87) des Unterbringungsverfahrens Bedacht zu nehmen. Durch § 172 SGB V ist ferner sichergestellt, dass der zuständige Landesverband von der drohenden Schließung Kenntnis erlangt. Er kann damit rechtzeitig geeignete Vorkehrungen mit Blick auf die Verpflichtungen aus § 164 Abs. 3 SGB V treffen. Im Übrigen wäre auch der – von der Beklagten favorisierte – Weg, bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Unterbreitung von Stellenangeboten zwar die Beendigung der Arbeitsverhältnisse, aber zugleich die Entstehung von Schadenersatzansprüchen anzunehmen, mit ähnlichen Schwierigkeiten verbunden. So wäre insbesondere fraglich, gegen wen sich der Anspruch richten soll und wie sich ein Schaden bemisst. Die damit verbundenen Risiken müsste der Arbeitnehmer tragen, obwohl nach dem Willen des Gesetzgebers „eigentlich” dessen tatsächliche Weiterbeschäftigung gesichert werden sollte.
(5) Angesichts dessen kann offenbleiben, ob nicht mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung in jedem Fall zu dem Ergebnis kommen müsste, dass nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine Beendigung der ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisse von Kassenbeschäftigten nur eintreten soll, wenn diese ein iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V zumutbares Angebot zur Weiterbeschäftigung bei einer anderen Kasse oder beim zuständigen Landesverband abgelehnt haben (vgl. dazu Boemke jurisPR-ArbR 38/2012 Anm. 2; dens. jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4).
d) Dem Kläger wurde ein zumutbares Angebot iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V vor Schließung der Beklagten nicht unterbreitet. Es kann deshalb dahinstehen, ob die gesetzliche Anordnung der Beendigung von ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnissen der Kassenbeschäftigten jedenfalls in solchen Fällen verfassungsgemäß ist, in denen diese ein zumutbares Angebot nicht angenommen haben (dazu Rolfs GuP 2013, 8, 10; ders. NZA 2013, 529, 531, 534 ≪auch zu den kündbaren Arbeitnehmern≫; Wolter FS Bepler S. 675, 686; Gutzeit NZS 2012, 410, 414: zur generellen Verfassungskonformität der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Zwar wurde dem Kläger ein Stellenangebot der SBK He unterbreitet. Die angebotene Beschäftigung war ihm aber unter Berücksichtigung seiner bisherigen Dienststellung und Fähigkeiten nicht zumutbar.
aa) Das Gesetz legt außer der Anknüpfung an die bisherige Dienststellung und die Fähigkeiten des Beschäftigten keine weiteren Kriterien für die Bewertung fest, wann eine Stellung den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V genügt. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 212) sind grundsätzlich solche Angebote im Sinne der Vorschrift zumutbar, die eine Übernahme des Arbeitnehmers durch den Landesverband oder eine andere Betriebskrankenkasse „zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen vorsehen”. Der Begriff der „Gleichwertigkeit” wird nicht weiter konkretisiert.
bb) Die Zumutbarkeit eines Stellenangebots kann deshalb nur anhand eines – am Gesetzeszweck orientierten – Gesamtvergleichs der bisherigen und der „neuen” Vertragsbedingungen beurteilt werden. Maßgebend sind objektive Kriterien, nicht die subjektive Einschätzung des Landesverbands oder der das Angebot unterbreitenden anderen Betriebskrankenkasse. Wie § 164 Abs. 3 Satz 2 SGB V für die Dienstordnungsangestellten verdeutlicht, bildet der Wert der Arbeitsleistung, der sich insbesondere in der Vergütung niederschlägt, ein wesentliches Vergleichskriterium (vgl. BAG 23. August 1995 – 5 AZR 942/93 –zu III 1 b aa der Gründe, BAGE 80, 343). Vergütungsunterschiede zwischen bisher ausgeübter und angebotener Tätigkeit sind deshalb auch im Rahmen von § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V abwägungsrelevant (vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6, 7). Erhält der Arbeitnehmer ein Tarifgehalt, ist im Regelfall davon auszugehen, dass die Zuweisung einer Tätigkeit, die zu einer Eingruppierung in die gleiche Vergütungsgruppe desselben Tarifvertrags führt, dem Gleichwertigkeitsgebot entspricht. Umgekehrt muss ein Angebot nicht schon dann unzumutbar sein, wenn es überhaupt zu Vergütungsdifferenzen kommt. Solche Unterschiede können sich aus einer Abweichung der in der aufnehmenden Kasse geltenden Tarifkonditionen ergeben, ohne dass hierdurch die Gleichwertigkeit der Tätigkeit zwingend in Frage gestellt würde. Weil Beschäftigten in unkündbaren Arbeitsverhältnissen allerdings finanzielle Einbußen – anders als den Dienstordnungsangestellten nach § 164 Abs. 3 Satz 2 SGB V – nicht auszugleichen sind, können erhebliche Vergütungsunterschiede die Unzumutbarkeit des Stellenangebots begründen (Grau/Sittard aaO; siehe auch Rolfs GuP 2013, 8, 10, der finanzielle Einbußen bis zu einer Gehaltsstufe für zumutbar hält). In jedem Fall ist – wie die Regelung in § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB V verdeutlicht – die Grenze des Zumutbaren überschritten, wenn die angebotene Stellung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Fähigkeiten des Angestellten steht (Baier in Krauskopf/Baier SGB V ≪Stand März 2012≫ § 164 Rn. 20; Mühlhausen in Becker/Kingreen SGB V 3. Aufl. § 164 Rn. 15).
cc) Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Unzumutbarkeit der dem Kläger angetragenen Weiterbeschäftigung werde bereits durch die Vergütungsdifferenz zwischen bisheriger und angebotener Tätigkeit indiziert, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann deshalb offenbleiben, ob ggf. auch eine erhebliche räumliche Verlagerung des Tätigkeitsorts die Unzumutbarkeit des Stellenangebots bedingen kann und welche Auswirkungen es hat, wenn die Mitteilung des Landesverbands – wie im Streitfall – nicht deutlich macht, dass der soziale Besitzstand des Arbeitnehmers bestehen bleiben soll (zur Problematik vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6, 7; Peters in HandB KV Bd. 4 ≪Stand Februar 1996≫ § 164 SGB V Rn. 10; Boemke jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4).
(1) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hätte der Kläger bei Annahme des ihm unterbreiteten Angebots rund 2.400,00 Euro brutto monatlich weniger verdient als im unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Der Unterschied beträgt etwas mehr als 2/5 seines bisherigen Gehalts. Dies spricht bereits für sich genommen für die Unzumutbarkeit der Offerte. Das gilt umso mehr, als die Gehaltsdifferenz auf der Basis der aktuellen Grundvergütungstabelle der Tarifgemeinschaft BKK-Verbände den Unterschiedsbetrag sogar zwischen zwei Vergütungsgruppen – gleich welcher tariflichen Gruppen und Gehaltsstufen – übersteigen dürfte.
(2) Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die dem Kläger angetragene Stellung trotz der erheblichen Gehaltseinbuße zumutbar gewesen wäre. Da sie die Darlegungs- und Beweislast für die Zumutbarkeit des Stellenangebots trägt (so auch BAG 21. November 2013 – 2 AZR 474/12 – Rn. 73 f. ≪Parallelsache≫), geht dies zu ihren Lasten.
(3) Der in dem Schreiben des Landesverbands vom 13. Mai 2011 enthaltene Hinweis auf eine Stellenbörse genügt den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nicht. Die Regelung stellt auf personalisierte, inhaltlich bestimmte und annahmefähige Angebote ab. Das trifft auf im Intranet bekannt gegebene Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zu. Abgesehen davon hat die Beklagte nicht behauptet, dort sei eine anderweitige, für den Kläger zumutbare Stellung angeboten worden.
(4) Auf die befristete Weiterbeschäftigung des Klägers kommt es nicht an. Eine solche Beschäftigung genügt nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift liegt auch nicht in dem Hinweis der Beklagten, der Kläger könne von seinem Rückkehrrecht zur Stadt H Gebrauch machen. Die Regelungen in § 164 Abs. 3 SGB V zielen nicht auf eine Weiterbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber als einer gesetzlichen Krankenkasse.
5. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat weder aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 noch aufgrund der zeitgleich erklärten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist bis zum 31. Dezember 2011 bzw. „nächst möglichen Termin” geendet.
a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 24. Januar 2013 – 2 AZR 453/11 – Rn. 22 mwN). Ist die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung – wie im Streitfall – ausgeschlossen, kann der Arbeitgeber aber berechtigt sein, eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zu erklären, wenn er den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 24. Januar 2013 – 2 AZR 453/11 – Rn. 22; 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – Rn. 17).
b) Danach liegt hier ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 20 Abs. 1 MTV nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt nicht von einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für den Kläger ausgehen dürfen. Ihrem eigenen Vorbringen zufolge habe noch Abwicklungsbedarf bestanden. Selbst wenn sich der Beschäftigungsbedarf insgesamt verringert haben sollte, sei die Kündigung sozial ungerechtfertigt. Es fehle an jeglichen Ausführungen der Beklagten zu einer dann gebotenen sozialen Auswahl. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auf der Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen liegen nicht einmal die Voraussetzungen vor, unter denen eine ordentliche Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 KSchG als sozial gerechtfertigt angesehen werden könnte. Umso weniger kann eine außerordentliche Kündigung – selbst bei Einhaltung einer Auslauffrist – Bestand haben.
D. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Kreft, Rinck, Berger, Bartz, Grimberg
Fundstellen
Haufe-Index 6805738 |
BB 2014, 1523 |
DB 2014, 1382 |