Entscheidungsstichwort (Thema)
Fünfjährige Höchstgrenze für befristete Arbeitsverträge
Leitsatz (redaktionell)
Durch die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverträge, die nur insgesamt die Höchstdauer von fünf Jahren überschreiten, wird die Protokollnotiz Nr 2 zu Nr 1 der SR 2y zum BAT nicht objektiv umgangen (teilweise Abweichung von BAG 26.05.1983 - 2 AZR 439/81 = BAGE 44, 49 und BAG vom 21.06.1983 - 7 AZR 295/81 = BAGE 44, 70).
Normenkette
BAT Anlage SR; BGB § 620 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 25.02.1983; Aktenzeichen 5 Sa 917/82) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 22.04.1982; Aktenzeichen 7 Ca 4095/81) |
Tatbestand
Der Kläger, Diplom-Ingenieur, war aufgrund befristeten Arbeitsvertrages vom 4. Oktober 1974 in der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis 30. September 1976 beim beklagten Land als Verwalter der Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten in der Abteilung Raumplanung der Universität Dortmund tätig. Für diesen Arbeitsvertrag galt der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) nicht.
Vom 1. Oktober 1976 bis 31. Dezember 1981 war der Kläger beim beklagten Land als "wissenschaftlicher Angestellter für Forschungsaufgaben von begrenzter Dauer" in dem der Universität Dortmund angegliederten Sonderforschungsbereich 26 "Münster" beschäftigt. Dieser Tätigkeit lagen folgende befristete Arbeitsverträge zugrunde, in denen jeweils die Geltung des BAT und der ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge, insbesondere der Sonderregelungen für Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer und Aushilfsangestellte (SR 2 y BAT) vereinbart war:
1. Arbeitsvertrag vom 12.10.1976 für die Zeit vom
1.10.1976 bis 31.12.1978;
2. Nachtragsvertrag vom 10.1.1979 für die Zeit vom
1.1.1979 bis 31.12.1979;
3. Nachtragsvertrag vom 22.6.1979 für die Zeit vom
1.1.1980 bis 31.12.1981;
4. Nachtragsvertrag vom 18.10.1979 für die Zeit vom
1.10.1979 bis 31.12.1979;
5. Nachtragsvertrag vom 21.12.1979 für die Zeit vom
1.1.1980 bis 31.12.1981;
6. Ergänzungsvertrag vom 11.7.1980 zum Nachtragsver-
trag vom 21.12.1979 für die Zeit vom 1.7.1980 bis
31.12.1980;
7. Änderungsvertrag vom 19.1.1981 zum Nachtragsvertrag
vom 21.12.1979 für die Zeit vom 1.1.1981 bis
31.12.1981.
Der Kläger hält die Befristung seines Arbeitsverhältnisses für unwirksam, weil es dafür an einem sachlichen Grund gefehlt habe und weil sich die abgeschlossenen Arbeitsverträge entgegen der Protokollnotiz Nr. 2 zu Nr. 1 SR 2 y BAT insgesamt über mehr als fünf Jahre erstreckten.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 1981 hinaus unbefristet fortbesteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur sachlichen Rechtfertigung der vereinbarten Befristungen hat es im wesentlichen vorgetragen, dem Kläger seien jeweils Aufgaben von begrenzter Dauer übertragen worden; auch seien die Drittmittel, aus denen die Forschungsvorhaben finanziert worden seien, jeweils nur für einen begrenzten Zeitraum bewilligt gewesen. Die Protokollnotiz zu SR 2 y BAT greife nur ein, wenn sich der einzelne Zeitvertrag über mehr als fünf Jahre erstrecke.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts durch Beschluß vom 9. Februar 1984 (- 2 AZN 286/83 -) die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob die vereinbarten Befristungen durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind. Denn schon wegen Überschreitens der in Nr. 2 der Protokollnotiz zu Nr. 1 SR 2 y BAT vorgesehenen Höchstgrenze von fünf Jahren für den Abschluß eines Zeitvertrages sei ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit entstanden. Selbst wenn man die erste Beschäftigungszeit des Klägers vom 1. Oktober 1974 bis 30. September 1976 nicht einbeziehe, weil hierfür der BAT noch nicht gegolten habe, seien bis zum Schluß des letzten Zeitvertrages mehr als fünf Beschäftigungsjahre abgelaufen. Darauf, daß die Parteien nicht von vornherein einen über mehr als fünf Jahre laufenden Vertrag abgeschlossen, sondern mehrere Verträge aneinandergereiht hätten, könne es nicht ankommen.
II. Dieser Würdigung kann sich der Senat nicht anschließen.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß das vorliegende Arbeitsverhältnis an den SR 2 y BAT zu messen ist, obwohl der Kläger nicht tarifgebunden ist und die tariflichen Vorschriften deshalb nicht unmittelbar und zwingend gelten. Denn eine einzelvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag ist - vorbehaltlich abweichender Anhaltspunkte des Einzelfalles - wegen des regelmäßig vorliegenden Parteiwillens, alle Arbeitsverhältnisse auf einheitlicher Rechtsgrundlage durchzuführen, dahin auszulegen, daß sich die Arbeitsvertragsparteien in allen das Arbeitsverhältnis betreffenden Rechtsfragen so behandeln lassen wollen, wie sich tarifgebundene Parteien kraft des Tarifvertrages behandeln lassen müssen (BAG Urteil vom 27. März 1981 - 7 AZR 349/79 -, nicht veröffentlicht, zu II 1 der Gründe; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 3 Rz 100). Im Entscheidungsfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß durch die vereinbarte Befristung die Anwendung einzelner Bestimmungen der SR 2 y BAT ausgeschlossen werden sollte.
2. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, die vorliegende Befristung verstoße gegen die SR 2 y BAT. Aus unmittelbarer Anwendung der Protokollnotiz zu Nr. 1 SR 2 y BAT läßt sich die Unwirksamkeit der Befristung mehrerer aneinandergereihter Arbeitsverträge, die nur insgesamt die Dauer von fünf Jahren überschreiten, nicht herleiten. Denn diese Tarifnorm verbietet nur, wie in den insoweit übereinstimmenden Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Mai 1983 (- 2 AZR 439/81 - BAG 44, 49, 54, 56 = NZA 1984, 264 = EzA § 620 BGB Nr. 67) und vom 21. Juni 1983 (- 7 AZR 295/81 - BAG 44, 70, 72 = NZA 1984, 265 = EzA § 620 BGB Nr. 68) näher ausgeführt worden ist, einen Zeitvertrag von vornherein für die Dauer von mehr als fünf Jahren abzuschließen. Hieran hält der Senat fest.
3. Aber auch aus dem Gesichtspunkt einer objektiven Umgehung der angeführten Tarifnorm läßt sich das Ergebnis des Landesarbeitsgerichts nicht halten. Zu dieser Frage ist allerdings die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts uneinheitlich.
a) Der Zweite Senat hat in seinem angeführten Urteil vom 26. Mai 1983, allerdings nicht in einem tragenden Teil seiner Entscheidungsgründe, ausgeführt, zwar sei der Abschluß mehrerer aneinandergereihter Zeitverträge, die jeweils die Dauer von fünf Jahren nicht übersteigen, grundsätzlich auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Gesamtdauer aller Verträge die Fünf-Jahres- Grenze überschreite. Es widerspreche jedoch Sinn und Zweck der tariflichen Regelung und sei deshalb eine objektive Umgehung der tariflichen Höchstfrist, wenn die mehreren aneinandergereihten und insgesamt die Dauer von fünf Jahren übersteigenden Zeitverträge nicht jeweils auf anderen sachlichen Gründen beruhten. Die Grenze von fünf Jahren sei daher einzuhalten, wenn den mehreren befristeten Arbeitsverträgen derselbe oder ein gleichartiger Grund zugrunde liege. Nur wenn der Arbeitnehmer in unterschiedlichen Arbeitsbereichen tätig werde oder wenn die einzelnen Befristungen auf unterschiedlichen, voneinander deutlich abgrenzbaren sachlichen Gründen beruhten, sei das Überschreiten der Höchstgrenze von fünf Jahren unschädlich (so auch BAG Urteil vom 28. Juli 1983 - 2 AZR 563/82 -, nicht veröffentlicht, zu III 1 der Gründe).
b) Demgegenüber hat sich der erkennende Siebte Senat im angeführten Urteil vom 21. Juni 1983 dagegen ausgesprochen, die Unwirksamkeit der Befristung mehrerer aneinandergereihter Arbeitsverträge auf eine objektive Umgehung der Protokollnotiz zu Nr. 1 SR 2 y BAT zu stützen. Zum einen hat er Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur darin gesehen, eine von vornherein für eine längere Dauer als fünf Jahre vorgesehene Befristung zu verhindern, weil sich für eine in derart weiter Ferne liegende Beendigung des Arbeitsverhältnisses die für den sachlichen Grund erforderliche Prognose kaum werde stellen lassen. Zum anderen hat er bezweifelt, daß es Fälle geben könne, in denen neben der Frage der Unwirksamkeit der Befristung wegen Fehlens eines sachlichen Grundes die Frage einer objektiven Umgehung der angeführten Tarifnorm tragend werden könnte. Denn ergibt die Prüfung des sachlichen Grundes bei mehreren aneinander gereihten kurzfristigen Zeitverträgen, daß an sich der Abschluß eines einzigen langfristigen Zeitvertrages geboten gewesen wäre, so führe bereits die jeweils zu kurz gewählte Dauer des einzelnen Zeitvertrages zur Unwirksamkeit der Befristung wegen Fehlens eines sachlichen Grundes. Allerdings bot der damalige Entscheidungsfall für den erkennenden Senat keinen Anlaß zu abschließender Prüfung, ob es nicht doch Fälle geben könne, in denen die Annahme einer objektiven Umgehung der einschlägigen Tarifnorm tragend wird. Für den Fall des Auftretens einer derartigen Fallgestaltung schloß er sich deshalb der Meinung des Zweiten Senats an.
4. Diese Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat zu erheblicher Unsicherheit in Literatur und Praxis geführt (vgl. z.B. Kiefer, Fünfjährige Höchstgrenze für befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Dienst?, NZA 1984, 250). Der erkennende Siebte Senat, der nach der Geschäftsverteilung für das Bundesarbeitsgericht nunmehr für die vorliegende Rechtsmaterie allein zuständig ist, hat deshalb erneut überprüft, ob jedenfalls für bestimmte Fallgestaltungen der Rechtsansicht des Zweiten Senats zu folgen ist, in der Aneinanderreihung mehrerer befristeter Arbeitsverträge könne eine objektive Umgehung der in der einschlägigen Tarifnorm vorgesehenen Höchstgrenze liegen. Diese Frage ist zu verneinen.
a) Durch die tarifliche Regelung selbst haben die Tarifvertragsparteien die Höchstgrenze nur für den einzelnen Zeitvertrag vorgesehen. Hiervon ist, wie dargestellt, auch der Zweite Senat ausgegangen. Für eine Differenzierung, ob die Befristungen mehrerer aneinandergereihter Zeitverträge jeweils auf gleich- oder auf verschiedenartigen Gründen beruhen, bietet die Tarifnorm keinen Anhalt. Dies hat der erkennende Senat im Urteil vom 21. Juni 1983 bereits näher ausgeführt. Die Bedeutung der Befristungsgründe für die Wirksamkeit der Befristung wird durch die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Befristungskontrolle hinreichend erfaßt, wie sie seit dem Beschluß des Großen Senats vom 12. Oktober 1960 (BAG 10, 65) entwickelt worden ist (vgl. z.B. BAG 42, 203, 207 m.w.N.). Auch ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien diese Rechtsprechung in irgendeiner Hinsicht für unzureichend gehalten und deshalb etwa für die Aneinanderreihung mehrerer aus gleichartigen Gründen befristeter Arbeitsverträge einen zusätzlichen Unwirksamkeitsgrund hätten schaffen wollen. Ohne die Feststellung eines über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm hinausgehenden, von den Tarifvertragsparteien verfolgten Regelungszwecks aber läßt sich mit dem Rechtsinstitut der objektiven Umgehung nicht arbeiten, weil dieses Institut zumindest voraussetzt, daß ein konkret erfaßter, vom Normgeber verfolgter Zweck vereitelt wird.
b) Auch nach erneuter Überprüfung hält der erkennende Senat daran fest, daß etwaigen Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit der Befristung mehrerer aneinandergereihter Zeitverträge durch die Anwendung der zur Befristungskontrolle entwickelten Grundsätze ausreichend Rechnung getragen werden kann. Neben der dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Annahme einer objektiven Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften bedarf es der Annahme einer objektiven Umgehung der SR 2 y BAT nicht. Bestehen sachlich begründete Bedenken gegen die Wirksamkeit der Befristung, so wird bereits nach den Maßstäben der Befristungskontrolle das Fehlen eines sachlichen Grundes festzustellen sein. Ergibt aber die Befristungskontrolle, daß die Befristung jedes einzelnen der aneinandergereihten Arbeitsverträge sachlich gerechtfertigt ist, so kann nicht angenommen werden, daß die Tarifvertragsparteien, die von den Maßstäben dieser Befristungskontrolle ersichtlich nicht abweichen wollten, für diesen Fall dennoch eine Unwirksamkeit der Befristung vorgesehen haben.
III. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob für die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1981 sachliche Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Befristungskontrolle vorgelegen haben. Da das Landesarbeitsgericht sich mit dieser Prüfung überhaupt noch nicht befaßt hat, sieht der Senat davon ab, hierzu weitere Hinweise zu geben.
Dr. Seidensticker Richter Roeper ist Dr. Steckhan
wegen einer Kur ver-
hindert zu unter-
schreiben.
Dr. Seidensticker
Kleeschulte Bea
Fundstellen
BAGE 48, 215-220 (LT1) |
BB 1985, 1729-1730 (LT1) |
RzK, I 9f Nr 5 (LT1) |
AP § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag (LT1), Nr 90 |
AR-Blattei, Öffentlicher Dienst Entsch 297 (LT1) |
MDR 1985, 962-962 (LT1) |
RiA 1986, 8-9 (T) |