Entscheidungsstichwort (Thema)
Beförderungs- und Konkurrentenklage
Orientierungssatz
Parallelsache ohne Langtextwiedergabe zu dem Urteil des BAG vom 22.06.199 9 AZR 541/98, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 1998 - 1 (11) Sa
330/98 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Besetzung der Stelle eines Abteilungsleiters in der Bezirksverwaltung einer gewerblichen Berufsgenossenschaft.
Die Beklagte ist als gewerbliche Berufsgenossenschaft für die Unternehmen des Tiefbaus Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 114 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Sie ist rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 Abs. 1 SGB IV). Nach § 35 Abs. 1 SGB IV verwaltet der Vorstand den Versicherungsträger. Entsprechend § 31 Abs. 4 SGB IV sind durch Satzung Bezirksverwaltungen gebildet, darunter die Gebietsverwaltung West (kurz: GV West) mit Sitz in Wuppertal.
Der 1939 geborene Kläger ist seit mehreren Jahrzehnten in der GV West als Dienstordnungs-Angestellter beschäftigt. Nach § 2 des Anstellungsvertrages richtet sich das Rechtsverhältnis nach den Bestimmungen der Dienstordnung der Beklagten. Darin ist ua. bestimmt:
"§ 3
Anwendung des Beamtenrechts
(1) Soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in
dieser Dienstordnung etwas anderes bestimmt ist, gelten für die
Rechtsverhältnisse der Angestellten die jeweiligen Vorschriften
für Bundesbeamte, ...
...
(3) Soweit in beamtenrechtlichen Vorschriften, auf die diese
Dienstordnung verweist, die Zuständigkeit für dienstrechtliche
Entscheidungen besonders geregelt ist, tritt an die Stelle der
dort genannten Behörden der Vorstand.
§ 7
Beförderungen
Für Beförderungen sind allein Eignung, Befähigung und fachliche
Leistung des Angestellten maßgebend. Es gelten die Richtlinien für
den berufsgenossenschaftlichen Dienst."
In den in Bezug genommenen Richtlinien für den berufsgenossenschaftlichen Dienst der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der See-Berufsgenossenschaft ist ua. bestimmt:
"§ 8
Beförderung
(1) Beförderung ist die Änderung eines Vertrages nach § 2 oder §
12 Absatz 2 der Dienstordnung mit Einweisung in eine Stelle mit
höherem Endgrundgehalt oder mit Zuweisung einer höheren
Besoldungsgruppe. ...
(2) Besoldungsgruppen dürfen nicht übersprungen werden. Die §§ 16
und 19 bleiben unberührt.
...
§ 19
Aufstiegsangestellte
(1) DO-Angestellte des gehobenen Dienstes können zu einer Laufbahn
des 1. g2. sich in einer Dienstzeit von mindestens acht Jahren
seit der ersten Übertragung einer Stelle des gehobenen
Dienstes bewährt und eine Beförderungsstelle erreicht
haben.
(2) Die DO-Angestellten werden in den Aufgaben der neuen Laufbahn
eingeführt. Die Einführungszeit dauert mindestens zwei Jahre und
sechs Monate; sie soll drei Jahre nicht überschreiten. Den
erfolgreichen Abschluß der Einführung stellt der Vorstand fest.
..."
Der Kläger war zunächst im gehobenen Dienst tätig. Er stieg 1990 in den höheren berufsgenossenschaftlichen Dienst auf und wurde vom Vorstand in eine Planstelle A 13 BBesO eingewiesen. Seit Mai 1993 ist er stellvertretender Abteilungsleiter der Leistungsabteilung.
Im März 1997 wurde die Position des altersbedingt ausgeschiedenen Leiters der Leistungsabteilung in der GV West unter Hinweis auf "Obergrenze A 14 BBesO" ausgeschrieben. Es bewarben sich drei Angestellte des gehobenen Dienstes und zwei Angestellte, die bereits in die Laufbahn des höheren Dienstes aufgestiegen waren, darunter der Kläger und der Leiter der Rechtsbehelfsstelle (der Kläger im Parallelverfahren - 9 AZR 541/98 -). Der mit der Vorbereitung der Auswahlentscheidung befaßte Geschäftsführer der GV West führte mit sämtlichen Bewerbern Beurteilungsgespräche, in denen diese ihre Vorstellungen über den "Soll/Ist-Zustand" der Leistungsabteilung darlegen sollten. Danach schlug der Geschäftsführer den 1959 geborenen und 1980 angestellten Mitbewerber L. vor, der bisher als Gruppenleiter in der Leistungsabteilung tätig war und als Amtsrat (A 12 BBesO) dem gehobenen Dienst angehört. Das teilte der Geschäftsführer der GV West auch dem Kläger mit. Der Geschäftsführer der Hauptverwaltung schloß sich dem an und beantragte bei dem Gesamtpersonalrat der Hauptverwaltung die Zustimmung zur Übertragung der höher bewerteten Tätigkeit des Leiters der Leistungsabteilung auf den Mitbewerber L. Der Gesamtpersonalrat verweigerte darauf am 25. Juni 1997 die Zustimmung mit der Begründung, daß der vorgeschlagene jüngere Mitbewerber L. noch nicht die laufbahnmäßigen Voraussetzungen erfülle. Zunächst müsse L. an einem Aufstiegslehrgang teilnehmen und sich in einer weiteren 2 1/2jährigen Einführungszeit bewähren. Auf Antrag des Klägers hat am 30. Juni 1997 das Arbeitsgericht Wuppertal im Wege der einstweiligen Verfügung die Besetzung der Stelle bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens untersagt. Daraufhin hat der Geschäftsführer der Hauptverwaltung dem Bewerber L. am 1. Juli 1997 mitgeteilt, da die Besetzung der Stelle des Leiters zur Zeit nicht möglich sei, werde er kommissarisch beauftragt, die Aufgaben wahrzunehmen.
Mit der am 4. September 1997 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die
Position des Leiters der Leistungsabteilung der
Gebietsverwaltung West der Tiefbauberufsgenossenschaft Herrn L
zu übertragen;
2. die Beklagte weiter zu verurteilen, seine Bewerbung um die
unter Ziff. 1) benannte Position unter Aufhebung der
Bewerbungsablehnung vom 6. Juni 1997 ermessenfehlerfrei erneut
zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten weder die begehrte Unterlassung noch die Neubescheidung verlangen.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, daß die Beklagte es unterläßt, den Dienstposten als Leiter der Leistungsabteilung GV West ("konkret funktionelles Amt") einem Mitbewerber zu übertragen.
a) Zwar ist der Unterlassungsanspruch nicht schon deshalb unbegründet, weil der Grundsatz der Bestenauslese für die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten in der Dienstordnung der Beklagten nicht enthalten ist. Aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich jedoch, daß auch für die Übertragung eines Dienstpostens das Leistungsprinzip gewährleistet wird (vgl. VGH Kassel 27. März 1986 - 1 TG 678/86 - NVwZ 1986, 766, 767). Damit kann eine gegen das Leistungsprinzip verstoßende rechtswidrige Übertragung durch eine Unterlassungsklage verhindert werden.
b) Der Unterlassungsanspruch ist aber unbegründet, weil die Beklagte sich nicht als Störer iSv. § 1004 Abs. 1 BGB verhalten hat.
Eine konkrete Bedrohung des Rechts des Klägers auf gleichen Zugang zum Dienstposten des Leiters der Leistungsabteilung ist für den maßgeblichen Zeitpunkt, dem Schluß der Berufungsverhandlung, nicht erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt hat der für die Auswahlentscheidung nach § 3 Abs. 3 der Dienstordnung zuständige Vorstand der Beklagten noch keine das Bewerbungsverfahren abschließende Entscheidung getroffen. Der Geschäftsführer der Hauptverwaltung hat lediglich das für eine Übertragung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG erforderliche personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren eingeleitet. Dieses Verfahren war bei Schluß der Berufungsverhandlung noch nicht beendet. Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 BPersVG wird es beendet durch die Feststellung der Einigungsstelle, ob ein Grund zur Verweigerung zu der vom Dienststellenleiter erbetenen Zustimmung zur Übertragung des Dienstpostens vorliegt. Die im Mitbestimmungsverfahren vorgebrachten Argumente sowie Ergebnis und Gründe des Einigungsstellenbeschlusses hat der Vorstand bei seiner endgültigen Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Weil der Gesamtpersonalrat an der Willensbildung des Vorstands der Beklagten mitwirkt, kann es keinen sicheren Anhalt für das Ergebnis der endgültigen Entscheidung des Vorstands geben. Letztlich verlangt der Kläger somit eine Entscheidung für den ungewissen Fall, daß der Vorstand der Beklagten nach Beendigung des Mitbestimmungsverfahrens zu seinen Lasten entscheiden wird. Dem Kläger ist es aber zumutbar, die Entscheidung des Vorstands abzuwarten. Sein Recht wird hinreichend dadurch geschützt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Dienstherr nach Abschluß eines Auswahlverfahrens keine vollendeten Tatsachen schaffen darf, sondern so rechtzeitig den unterlegenen Bewerbern das Ergebnis mitteilen und erläutern muß, damit sie noch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine vermeintliche Beeinträchtigung ihrer Rechte vorgehen können (BVerfG 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 - NJW 1990, 501; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG Bd. 1 (Stand Oktober 1999) § 23 Rz. 15). Damit ist gewährleistet, daß das Auswahlverfahren nicht schon zu einer Zeit blockiert werden kann, in der die letzte Entscheidung noch nicht getroffen ist (vgl. Stefan Seitz, Die arbeitsrechtliche Konkurrentenklage, 1995, S. 37 ff.). Das Schrifttum empfiehlt deshalb, ausschließlich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzugehen und rät ausdrücklich von der Erhebung einer vorbeugenden Unterlassungsklage ab (Stefan Seitz, aaO, S 38).
c) Der Unterlassungsantrag dient auch nicht der Beseitigung einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung. Zwar hat der Geschäftsführer der Hauptverwaltung nach der Verweigerung der Zustimmung des Gesamtpersonalrats den Angestellten L. "kommissarisch" mit den Aufgaben des Leiters der Leistungsabteilung der GV West beauftragt. Das war aber nur eine vorläufige Regelung iSv. § 69 Abs. 5 BPersVG. Sie beeinträchtigt den Kläger nicht, weil sie nicht die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit vorwegnimmt. Sie gilt nur für die Dauer des laufenden Mitbestimmungsverfahrens, das nach § 69 Abs. 5 Satz 2, § 69 Abs. 4 BPersVG unverzüglich fortzusetzen ist.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung seiner Bewerbung.
Die § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO nachgebildete Antragsfassung verkennt, daß als anders im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreit Prozeßziel nicht eine "Neubescheidung" sein kann (vgl. BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 445/96 - BAGE 87, 165, 168). Der Senat legt den Antrag dahin aus, daß die Beklagte zu einer Neuauswahl unter den Bewerbern um die ausgeschriebene Stelle verpflichtet werden soll.
Ein Anspruch auf erneute Auswahl wird in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, wenn sich die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erweist und die ausgeschriebene Beförderungsstelle noch nicht besetzt ist (BAG 2. Dezember 1997 - 9 AZR 445/96 - und - 9 AZR 668/96 - BAGE 87, 165, 169; BAGE 87, 171, 177). Ob hier der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers verletzt ist und ein neues Verfahren einzuleiten ist, kann schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die endgültige Auswahlentscheidung des Vorstands bei dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vorlag (vgl. Entscheidungsgründe zu 1). Ist das Auswahlverfahren noch nicht abgeschlossen, bedarf es keines erneuten Verfahrens. Der Vorstand der Beklagten hat in dem laufenden Mitbestimmungsverfahren das Recht und die Pflicht, die Bedenken des Gesamtpersonalrats gegen die vom Geschäftsführer GV West vorgeschlagene Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. In den noch nicht abgeschlossenen Willensbildungsprozeß kann das Gericht nicht eingreifen.
II. Der infolge der erfolgreichen Revision unterliegende Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Leinemann
ReineckeDüwell Weiss
Fr. Holze
Fundstellen