Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung des Arbeitsvertrages mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter. Befristungshöchstdauer
Leitsatz (redaktionell)
- In die Fünfjahresfrist des § 57c Abs. 2 HRG aF sind auch befristete Arbeitsverträge einzubeziehen, die zwar nicht ausdrücklich auf einen der Gründe des § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF gestützt werden, hierauf aber hätten gestützt werden können.
- Die Befristung des letzten, der gerichtlichen Kontrolle übergebenen Arbeitsvertrags kann auch bei Überschreiten der fünfjährigen Höchstbefristungsdauer wirksam sein, wenn ein außerhalb der Befristungstatbestände des Hochschulrahmengesetzes liegender Sachgrund objektiv vorliegt und die Parteien die Berufung auf derartige andere Rechtfertigungsgründe nicht ausgeschlossen haben.
- Vereinbaren nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien die Geltung des BAT mit Ausnahme von Nr. 1 und Nr. 2 SR 2y, unterliegt eine Befristungsabrede nicht den in diesen Sonderregelungen angeordneten Einschränkungen. Der Arbeitgeber kann die Befristung daher ungeachtet der Angabe einer Befristungsgrundform im Arbeitsvertrag auf alle Sachgründe stützen, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv vorlagen.
Normenkette
HRG § 57b Abs. 2, § 57c Abs. 2; BGB § 620; BAT SR 2y
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. September 2004 – 7 Sa 1902/03 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 30. April 2003 geendet hat.
Der Kläger ist Diplom-Mathematiker. Er war bei dem beklagten Verein vom 1. April 1989 bis zum 31. März 1997 am M…-Institut in K… beschäftigt. In der Zeit vom 1. April 1997 bis zum 31. Oktober 1997 war er bei der NASA tätig. Nach Rückkehr aus den USA wurde der Kläger vom Beklagten mit Arbeitsvertrag vom 18. November 1997 für die Zeit vom 1. November 1997 bis zum 31. Oktober 1999 als “Zeitangestellter nach § 1 BeschFG” eingestellt. Mit einem weiteren Arbeitsvertrag vom 2. September 1999 vereinbarten die Parteien, dass der Kläger vom 1. November 1999 bis zum 31. Oktober 2000 als “Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer” weiterbeschäftigt wurde. Mit dem zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag vom 15. September 2000 wurde der Kläger für die Zeit vom 1. November 2000 bis zum 30. April 2003 als “wissenschaftlicher Mitarbeiter” angestellt. In § 1 und § 2 dieses Vertrags heißt es ua.:
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…
Sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages ist die überwiegende Vergütung aus Mitteln Dritter und die Beschäftigung entsprechend der Zweckbestimmung dieser Mittel für das Projekt SUMER/SOHO mit dem Titel “The Morphologie and Dynamics of the Solar Upper Atmosphere: An Atlas of the Cromosphere, Transition Region and the Corona of the Sun from SUMER/SOHO Images” gem. § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG.
…
§ 2
Für das Arbeitsverhältnis wird die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ändernden und ergänzenden bzw. ersetzenden Tarifverträgen vereinbart. Von den in den SR 2y BAT enthaltenen Regelungen gelten die Nummern 1, 2 und 7 nicht.
…”
Während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung bei dem Beklagten war der Kläger im Rahmen des Weltraumprojekts “SUMER/SOHO” eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Raumsonde (SOHO) und ein Teleskop mit Spektrometer (SUMER), welche vom Beklagten mit internationaler Beteiligung entwickelt und gebaut wurden. Die Tätigkeit des Klägers bestand zunächst überwiegend in der Programmierung der für die Herstellung der Raumsonde und des Teleskops erforderlichen Software. Nach dem Start der Raumsonde im Jahr 1995 war der Kläger ua. mit der Auswertung der von der Raumsonde gesandten Daten und ab 1. November 2000 mit der Erstellung eines Atlasses zur Dokumentation der gewonnenen wissenschaftlichen Daten befasst. Seit dem 1. November 1997 wurde er überwiegend aus Mitteln vergütet, die dem Beklagten vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) zur Verfügung gestellt wurden.
Mit der am 6. Februar 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom 15. September 2000 vereinbarten Befristung zum 30. April 2003 geltend gemacht. Er hat gemeint, die auf § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG in der bis zum 22. Februar 2002 geltenden Fassung (aF) gestützte Befristung sei unwirksam, da die zulässige Höchstbefristungsdauer von fünf Jahren gemäß § 57c Abs. 2 HRG aF überschritten sei. Ein anderer Sachgrund, der die Befristung rechtfertigen könne, liege nicht vor. Er sei nicht im Rahmen eines zeitlich begrenzten Forschungsprojekts beschäftigt worden. Vielmehr habe er seine bisherige Tätigkeit fortgesetzt und sei weiterhin mit der Datenauswertung als einer Daueraufgabe im Rahmen des nicht beendeten Projekts “SUMER” beschäftigt worden. Bei dem im letzten Arbeitsvertrag genannten Atlas handle es sich nicht um ein eigenständiges Forschungsprojekt, sondern lediglich um das Nebenprodukt der von ihm durchgeführten Datenauswertung. Außerdem habe die Erstellung des Atlasses nur einen Teil seiner Tätigkeit ausgemacht.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung vom 15. September 2000 nicht zum 30. April 2003 beendet wurde.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Recht angenommen, dass die Befristung zum 30. April 2003 nicht auf § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG in der bis zum 22. Februar 2002 geltenden Fassung (aF) iVm. Art. 2 § 1 des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen (HFVG) vom 14. Juni 1985 (BGBl. I S. 1065, 1067) gestützt werden kann, da die nach § 57c Abs. 2 HRG aF zulässige Befristungsdauer von fünf Jahren überschritten wurde. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es dem Beklagten aber nicht verwehrt, die Befristung auf andere als die in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF normierten Sachgründe zu stützen. Ob die Befristung hiernach gerechtfertigt ist, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden, da das Landesarbeitsgericht die dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat.
I. Die im Arbeitsvertrag vom 15. September 2000 vereinbarte Befristung zum 30. April 2003 kann wegen Überschreitung der nach § 57c Abs. 2 HRG aF iVm. Art. 2 § 1 HFVG zulässigen Höchstbefristungsdauer von fünf Jahren nicht auf § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG aF gestützt werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind bei der Berechnung der Fünfjahresfrist auch die Laufzeiten der beiden vorangegangenen für die Zeit vom 1. November 1997 bis zum 31. Oktober 2000 befristeten Arbeitsverträge zu berücksichtigen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes in der bis zum 22. Februar 2002 geltenden Fassung für Zeitverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter Anwendung. Dies ergibt sich aus § 1 des bis zum 22. Februar 2002 geltenden Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an Forschungseinrichtungen (Art. 2 HFVG vom 14. Juni 1985 – BGBl. I S. 1065, 1067), wonach die Regelungen in § 57a Satz 2, § 57b bis § 57f HRG aF entsprechend gelten für befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal an staatlichen Forschungseinrichtungen sowie an überwiegend staatlich oder auf der Grundlage von Art. 91b GG finanzierten Forschungseinrichtungen. Bei den Instituten des beklagten Vereins handelt es sich um Forschungseinrichtungen, die nach Art. 91b GG gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden (vgl. Bundesbericht Forschung BT-Drucks. 10/1543 S. 280, 281; APS/Schmidt 2. Aufl. § 57d HRG Rn. 3).
2. Nach § 57c Abs. 2 Satz 2 HRG aF dürfen mehrere nach § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF befristete Arbeitsverträge bei derselben Hochschule oder Forschungseinrichtung insgesamt die in § 57c Abs. 2 Satz 1 HRG aF festgelegte Höchstgrenze von fünf Jahren nicht überschreiten. In die Fünfjahresfrist sind auch befristete Arbeitsverträge einzubeziehen, die zwar nicht ausdrücklich auf einen der Gründe des § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF gestützt werden, hierauf aber hätten gestützt werden können (BAG 4. Dezember 2002 – 7 AZR 394/01 – AP HRG § 57b Nr. 30, zu I 2 der Gründe; 20. Oktober 1999 – 7 AZR 738/98 – BAGE 92, 320 = AP HRG § 57b Nr. 22 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 22, zu 2a der Gründe; 14. Dezember 1994 – 7 AZR 342/94 – AP HRG § 57b Nr. 3 = EzA BGB § 620 Nr. 129, zu I 1b der Gründe). Die Höchstbefristungsdauer des § 57c Abs. 2 HRG aF soll den wissenschaftlichen Mitarbeiter davor schützen, dass die erleichterten Befristungsmöglichkeiten nach § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF zu einer sachlich unvertretbaren Ausdehnung seiner befristeten Beschäftigung führen (BAG 5. April 2000 – 7 AZR 392/99 – AP HRG § 57c Nr. 6 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 28, zu II 2b der Gründe; 14. Dezember 1994 – 7 AZR 342/94 – aaO, zu I 1b der Gründe). Diesem Schutzzweck liefe es zuwider, wenn ein Arbeitsvertrag mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter allein dadurch der Anrechnung auf die Höchstbefristungsdauer entzogen werden könnte, dass im Arbeitsvertrag nicht auf einen der in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF genannten Befristungstatbestände Bezug genommen wird, obwohl ein solcher – zumindest auch – vorliegt. Deshalb kann ein früherer befristeter Arbeitsvertrag bei der Berechnung der fünfjährigen Höchstgrenze für die Befristung nur außer Betracht bleiben, wenn die Befristung nicht auf einen der in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF geregelten Tatbestände hätte gestützt werden können. Dies gilt wegen des Schutzzwecks des § 57c Abs. 2 HRG aF auch für einen vorangegangenen befristeten Arbeitsvertrag, in dem ausdrücklich auf einen außerhalb des Hochschulrahmengesetzes liegenden Sachgrund oder auf § 1 BeschFG Bezug genommen wurde.
3. Nach diesen Grundsätzen kann sich der Beklagte zur Rechtfertigung der Befristung zum 30. April 2003 nicht auf den im Arbeitsvertrag vom 15. September 2000 angegebenen Befristungsgrund der Drittmittelfinanzierung nach § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG aF berufen, weil dadurch die fünfjährige Höchstbefristungsdauer überschritten wird. Für die Berechnung der Fünfjahresfrist ist nach § 57c Abs. 2 Satz 2 HRG aF nicht nur die Laufzeit des letzten Vertrags vom 1. November 2000 bis zum 30. April 2003 maßgebend. Vielmehr sind auch die Laufzeiten der beiden vorangegangenen Verträge vom 1. November 1997 bis zum 31. Oktober 2000 zu berücksichtigen. In dem Arbeitsvertrag vom 18. November 1997 ist als Rechtfertigungsgrund für die Befristung zwar ”§ 1 BeschFG” genannt. Im vorletzten Arbeitsvertrag vom 2. September 1999 ist ein in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 HRG aF nicht genannter Befristungsgrund angegeben. Dennoch sind die Laufzeiten dieser beiden Verträge gemäß § 57c Abs. 2 Satz 2 HRG aF auf die fünfjährige Höchstbefristungsdauer anzurechnen, weil die Befristung dieser Verträge ebenfalls auf den Befristungsgrund des § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG aF hätte gestützt werden können. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Kläger bereits seit dem 1. November 1997 überwiegend aus den vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) zur Verfügung gestellten Drittmitteln vergütet.
II. Ob die Befristung des Arbeitsvertrags vom 15. September 2000 zum 30. April 2003 durch einen in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF nicht genannten Sachgrund gerechtfertigt ist, konnte der Senat auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilen. Der Beklagte ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht gehindert, sich zur Rechtfertigung der Befristung darauf zu berufen, der Kläger sei für eine durch Drittmittel finanzierte Aufgabe von begrenzter Dauer eingestellt worden.
1. Der Rechtfertigung der Befristung mit einem nicht in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF geregelten Sachgrund steht § 57c Abs. 2 Satz 2 HRG aF nicht entgegen. Die Überschreitung der fünfjährigen Höchstbefristungsdauer führt nur zur Unwirksamkeit der Befristung, wenn die Befristung des letzten, allein der Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrags auf § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 HRG aF gestützt wird und zu ihrer Wirksamkeit dieser Rechtfertigung bedarf (BAG 24. Oktober 2001 – 7 AZR 620/00 – BAGE 99, 223 = AP HRG § 57c Nr. 9 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 31, zu B I 3b der Gründe; 21. Februar 2001 – 7 AZR 98/00 – BAGE 97, 78 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 9, zu A I 1b der Gründe). § 57c Abs. 2 HRG aF legt keine generelle zeitliche Höchstgrenze für befristete Arbeitsverträge mit dem in § 57a Satz 1 HRG aF genannten Personal fest, sondern begrenzt nur die erleichterten Befristungsmöglichkeiten nach § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF. Ist die Befristung des letzten, der gerichtlichen Kontrolle übergebenen Arbeitsvertrags durch einen außerhalb der Befristungstatbestände des Hochschulrahmengesetzes liegenden Sachgrund gerechtfertigt, kommt es nicht darauf an, ob die Gesamtbeschäftigungsdauer den Zeitraum von fünf Jahren übersteigt. Das gilt auch, wenn die zuletzt vereinbarte Befristung daneben auch auf einen der in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF genannten Sachgründe gestützt werden kann.
2. Der Beklagte ist auch nicht deshalb gehindert, sich auf einen anderen in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 HRG aF nicht genannten Sachgrund für die Befristung zu berufen, weil im Arbeitsvertrag vom 15. September 2000 ausdrücklich der Befristungsgrund der Drittmittelfinanzierung gemäß § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG aF genannt und in § 2 des Arbeitsvertrags die Geltung des BAT mit Ausnahme von Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 7 SR 2y vereinbart ist.
a) § 57b Abs. 2 HRG aF enthält keinen abschließenden Katalog möglicher Sachgründe für die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die nach den allgemeinen Wertungsmaßstäben des Befristungsrechts anerkannten Sachgründe zur Rechtfertigung von Befristungen werden durch die erleichterten Befristungsmöglichkeiten des Hochschulrahmengesetzes nicht verdrängt, sondern ergänzt (BAG 6. November 1996 – 7 AZR 126/96 – BAGE 84, 278 = AP HRG § 57c Nr. 11 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 9, zu 4a der Gründe). Das Zitiergebot des § 57b Abs. 5 HRG aF betrifft nur Befristungen nach § 57b HRG aF. Bestehen keine besonderen gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften, die die Angabe des Rechtfertigungsgrundes für die Befristung erfordern, hängt die Wirksamkeit der Befristung nicht davon ab, dass der Rechtfertigungsgrund vertraglich vereinbart oder dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss mitgeteilt wurde. Es reicht vielmehr aus, dass der Rechtfertigungsgrund bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags objektiv vorlag. Daher kann ein Arbeitgeber die Befristung grundsätzlich auch auf einen anderen als den im Arbeitsvertrag genannten Sachgrund stützen (BAG 26. Juni 2002 – 7 AZR 92/01 – AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 16, zu I 1b der Gründe). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer die Erklärungen des Arbeitgebers dahin gehend verstehen darf, dass die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt werden und von dessen Bestehen abhängen soll. Hierfür reicht allerdings allein die Benennung eines Sachgrunds im Arbeitsvertrag nicht aus (BAG 26. Juni 2002 – 7 AZR 92/01 – aaO, zu I 1c der Gründe). Ob und inwieweit die Parteien einen Ausschluss anderer Rechtfertigungsgründe für die Befristung vereinbart haben, ist im Einzelfall durch tatrichterliche Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln (BAG 26. Juni 2002 – 7 AZR 92/01 – aaO). Handelt es sich um atypische Vereinbarungen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Landesarbeitsgericht die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt, den für die Auslegung maßgeblichen Tatsachenstoff vollständig verwertet, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (st. Rspr., vgl. BAG 4. Dezember 2002 – 7 AZR 394/01 – AP HRG § 57b Nr. 30, zu I 2c aa der Gründe).
b) Hiernach ist es dem Beklagten nicht verwehrt, die Befristung zum 30. April 2003 auf einen nicht in § 57b Abs. 2 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3 HRG aF geregelten Sachgrund zu stützen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien die Befristungsmöglichkeiten außerhalb des Hochschulrahmengesetzes nicht arbeitsvertraglich abbedungen.
aa) Die Parteien haben in § 2 des Arbeitsvertrags vom 15. September 2000 die Geltung des BAT einschließlich der diesen ergänzenden Tarifverträge mit der Maßgabe vereinbart, dass von den in den SR 2y BAT enthaltenen Regelungen Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 7 nicht gelten. Das Landesarbeitsgericht hat daraus geschlossen, die Befristung könne nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger für eine Aufgabe von begrenzter Dauer eingestellt worden sei, weil die Parteien die Geltung von Nr. 1b SR 2y BAT vertraglich abbedungen hätten. Diese Auslegung der nichttypischen vertraglichen Vereinbarungen hält der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat verkannt, dass die Regelungen in Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 7 SR 2y BAT die Befristungsmöglichkeiten des öffentlichen Arbeitgebers einschränken und nicht etwa die Befristung von Arbeitsverträgen erst ermöglichen.
Das tariflich angeordnete Erfordernis der Vereinbarung bestimmter Befristungsgrundformen in Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT bewirkt, dass sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf Sachgründe berufen kann, die einer anderen als der vereinbarten Befristungsgrundform zuzuordnen sind (BAG 20. Februar 1991 – 7 AZR 81/90 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 137 = EzA BGB § 620 Nr. 109, zu II 1c der Gründe). Vereinbaren nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien die Geltung des BAT mit Ausnahme von Nr. 1 und Nr. 2 SR 2y, unterliegt eine Befristungsabrede nicht den in diesen Sonderregelungen angeordneten Einschränkungen. Der Arbeitgeber kann die Befristung daher ungeachtet der Angabe einer Befristungsgrundform im Arbeitsvertrag auf alle Sachgründe stützen, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv vorlagen. So verhält es sich im Streitfall. Die nicht tarifgebundenen Parteien konnten Ausnahmen von der ansonsten umfassenden einzelvertraglichen Inbezugnahme des BAT und der SR 2y BAT wirksam vereinbaren.
bb) Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die vertraglichen Vereinbarungen so verstehen durfte, dass der Beklagte die Befristung nur auf § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG aF stützen und auf die Geltendmachung anderer Sachgründe zur Rechtfertigung der Befristung verzichten wollte, sind vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt und vom Kläger nicht vorgetragen worden. Allein die Angabe des Sachgrunds der Drittmittelfinanzierung gemäß § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG aF im Arbeitsvertrag reicht dazu nicht aus.
3. Ob die im Arbeitsvertrag vom 15. September 2000 vereinbarte Befristung zum 30. April 2003 gerechtfertigt ist, weil der Kläger für eine Aufgabe von begrenzter Dauer, nämlich zur Mitwirkung an einem durch Dritte finanzierten Forschungsprojekt, eingestellt wurde, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden, da das Landesarbeitsgericht dazu bislang keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt die zeitlich begrenzte Mitarbeit an einem Forschungsprojekt einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter dar (7. April 2004 – 7 AZR 441/03 – AP TzBfG § 17 Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 10, zu II 2a aa der Gründe; 24. Oktober 2001 – 7 AZR 620/00 – BAGE 99, 223 = AP HRG § 57c Nr. 9 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 31, zu B I 1 der Gründe; 6. November 1996 – 7 AZR 126/96 – BAGE 84, 278 = AP HRG § 57c Nr. 11 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 9, zu 4b der Gründe; 30. September 1981 – 7 AZR 467/79 – BAGE 36, 235 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 62 = EzA BGB § 620 Nr. 52, zu 3a der Gründe). Dies setzt, wie jede Befristung wegen eines vorübergehenden Bedarfs an Arbeitskräften, voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers über das vereinbarte Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht. Hierzu muss der Arbeitgeber eine Prognose erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen. Wird ein Arbeitnehmer für eine Aufgabe von begrenzter Dauer, zB die Mitarbeit an einem zeitlich begrenzten Forschungsprojekt, befristet eingestellt, muss im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erwarten sein, dass die Aufgabe nur für die Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrags anfällt (BAG 7. April 2004 – 7 AZR 441/03 – aaO, zu II 2a aa der Gründe).
b) Auch für die einen begrenzten Zeitraum erfolgende Finanzierung eines Arbeitsplatzes durch einen Dritten im Rahmen eines von dem Dritten geförderten Projekts kann die Befristung des Arbeitsvertrags mit einem für diese Tätigkeit eingestellten Arbeitnehmer rechtfertigen. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Drittmittelgeber und der Arbeitgeber mit den Verhältnissen dieser Stelle und deren Aufgabenstellung befasst und entschieden haben, dass die Stelle nur für den Förderungszeitraum bestehen und anschließend wegfallen soll (BAG 26. August 1988 – 7 AZR 101/88 – BAGE 59, 265 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 124 = EzA BGB § 620 Nr. 102; 5. Juli 2000 – 5 AZR 888/98 –; 7. April 2004 – 7 AZR 441/03 – AP TzBfG § 17 Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 10).
c) Ob diese Voraussetzungen vorliegen, konnte der Senat nicht beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat dazu bislang keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Diese sind vom Landesarbeitsgericht nachzuholen. Dabei wird insbesondere aufzuklären sein, ob der letzte Arbeitsvertrag mit dem Kläger zur Erstellung des Atlasses als eines eigenständigen Forschungsprojekts, mit dessen Fertigstellung bis zum 30. April 2003 zu rechnen war, abgeschlossen wurde, wie der Beklagte behauptet, oder ob der Kläger entsprechend seiner Darstellung weiterhin, wie bisher, in erster Linie mit Datenauswertungsarbeiten im Rahmen des Gesamtprojekts “SUMER” beschäftigt war. Sollte letzteres der Fall gewesen sein, wäre die Befristung wegen der in der Vergangenheit wiederholt erfolgten Verlängerungen des Projekts und der wiederholten Bereitstellung von Mitteln durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) nur wirksam, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 15. September 2000 auf Grund objektiver Umstände davon auszugehen war, dass im Gegensatz zu den bisherigen Erfahrungen nach Ablauf der Vertragslaufzeit am 30. April 2003 nicht mehr mit einer weiteren Verlängerung des Projekts und/oder mit weiteren Drittmitteln zu dessen Finanzierung zu rechnen war (vgl. dazu BAG 7. April 2004 – 7 AZR 441/03 – AP TzBfG § 17 Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 10, zu II 3b der Gründe; 25. August 2004 – 7 AZR 7/04 – NZA 2005, 357, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 3b cc der Gründe).
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Koch, Günther Metzinger, Hoffmann
Fundstellen
Haufe-Index 1444869 |
RiA 2006, 12 |