Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung der Arbeitsbedingungen kraft Direktionsrechts
Normenkette
BGB § 611; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 91a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. April 1999 – 5 Sa 30/99 – aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 7. Oktober 1998 – 4 Ca 233/98 – zurückgewiesen hat.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird dieses Urteil des Arbeitsgerichts Bonn abgeändert:
Der Feststellungsantrag wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vereinbarkeit der vom Beklagten zum 1. Januar 1998 durchgeführten Organisationsänderungen im Tätigkeitsbereich des Klägers mit ihrem Arbeitsvertrag.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Juli 1977 beschäftigt. Gemäß § 1 des am 7. April 1977 geschlossenen Arbeitsvertrags ist er als „Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft” eingestellt worden. Die Abteilung Betriebswirtschaft umfaßte seinerzeit zehn Mitarbeiter. Im Jahre 1989 bestand die Abteilung aus 13 Referaten, die jeweils mit einem entsprechenden Referenten besetzt waren. Im Jahre 1991 setzte sich die Abteilung aus den zwei Unterabteilungen „Betriebsvergleich I.” mit vier Referaten und „Controlling” mit drei Referaten sowie vier zusätzlichen Referaten und insgesamt 22 Mitarbeitern zusammen. Ende 1997 gehörten zu der Abteilung des Klägers drei Unterabteilungen mit jeweils einem Abteilungsdirektor sowie insgesamt 16 Referaten und 32 Mitarbeitern.
Aufgrund eines von der Unternehmensberatung Kienbaum erstellten Gutachtens beschloß der Beklagte zum 1. Januar 1998 eine Reorganisation. Es wurde ein weiterer Geschäftsführungsbereich gebildet, so daß nunmehr drei Bereiche bestehen. Aus der Abteilung Betriebswirtschaft wurden die Unterabteilungen „Betriebsvergleich”, „Controlling” und „DV-Koordination” sowie das Referat „Aufbau-, Ablauf- und Führungsorganisation” ausgegliedert. In der Abteilung des Klägers verblieben drei Referate: „Interne und externe Revisionen”, „Rechnungslegung der Sparkassenorganisation” und „Herstellerangebote Sicherheitsfragen”. Zusätzlich wurde ein Referat für das befristete Projekt „BPR” eingerichtet. Seither sind in der vom Kläger geleiteten Abteilung, die nach wie vor als „Abteilung Betriebswirtschaft” bezeichnet wird und dem Geschäftsführungsbereich B. (Markt- und Personalstrategie) zugeordnet ist, sechs Mitarbeiter beschäftigt.
Die ausgegliederte Unterabteilung „Controlling” wurde zu einer selbständigen Abteilung mit neun Referaten innerhalb des Geschäftsführungsbereichs C. (Betriebsstrategie), Abteilungsleiter wurde Herr Dr. G., der zuvor unter dem Kläger die Unterabteilung „Controlling” geleitet hatte.
Die bis zum 31. Dezember 1997 zur Abteilung des Klägers gehörenden Unterabteilungen „DV-Koordination” und „Betriebsvergleich” mit Referaten für Statistik und Betriebsvergleich wurden der Abteilung „Marktservice/Konkurrenzvergleich” innerhalb des Geschäftsführungsbereichs B. zugeordnet. Der bisher vom Kläger wahrgenommene Vorsitz des betriebswirtschaftlichen Koordinierungsausschusses wurde auf den Abteilungsleiter „Controlling”, Dr. G., übertragen. Auch die Betreuung des satzungsgemäßen Ausschusses erfolgt nunmehr durch Dr. G.
Mit der im Januar 1998 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die zum 1. Januar 1998 vollzogene Änderung seiner Arbeitsbedingungen sei unwirksam. Er hat die Auffassung vertreten, einen vertraglichen Anspruch auf Beschäftigung als Leiter der Abteilung „Betriebswirtschaft” zu haben, wobei dieser Abteilung die betriebswirtschaftlichen Kernbereiche zugeordnet sein müßten. Eine so weitreichende, in seinen Beschäftigungsanspruch eingreifende Umorganisation wie die zum 1. Januar 1998 vollzogene könne allenfalls durch Änderungskündigung erfolgen. Die Umorganisation habe ihm lediglich eine Rumpfabteilung belassen, die sich nur noch mit Randgebieten der Betriebswirtschaft beschäftige.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers durch die zum 1. Januar 1998 durchgeführte Umorganisation bei dem Beklagten unwirksam ist;
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger weiterhin gemäß Anstellungsvertrag vom 7. April 1977 als Leiter der Abteilung „Betriebswirtschaft” zu beschäftigen, wobei dieser Abteilung wie bisher die betriebswirtschaftlichen Kernbereiche unterfallen, und zwar die Referate Betriebsvergleich I, Prognosesystem, Statistik, Personalplanung, Personal-Controlling, Profitcentersteuerung, Kosten-/Ertragssteuerung, Bilanzstrukturmanagement, Risiko-Controlling, Wertbereichsteuerung, Produkt-Controlling, Informationsmanagement, Prozessmodellierung, interne und externe Revision, Kontrollsysteme, Rechnungslegung und Sparkassenorganisation, Aufbau-, Ablauf- und Führungsorganisation, Herstellerangebote, Sicherheitsfragen sowie die Datenverarbeitungskoordination und der Datenverarbeitungsservice;
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, den Kläger weiterhin gemäß Anstellungsvertrag vom 7. April 1977 als Leiter der Abteilung „Betriebswirtschaft” zu beschäftigen, wobei dieser Abteilung die betriebswirtschaftlichen Kernbereiche unterfallen, und zwar
Controlling mit den Einzelreferaten:
- Personalcontrolling
- Profitcentersteuerung
- Bilanzstrukturmanagement
- Produktcontrolling
- Informationsmanagement
- Projektreferat interne Modelle
Strategische Analyse- und Beurteilungsverfahren mit den Einzelreferaten:
- Methodik der Kreditinformationssysteme
- finanzwirtschaftliche Analyseinstrumente
- finanzwirtschaftliche Planungsinstrumente.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen und die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auszuschließen.
Er hat die Auffassung vertreten, dem Kläger könnten Aufgaben im Wege des Direktionsrechts entzogen werden. Mit den verbliebenen vier Referaten seien dem Kläger weiterhin betriebswirtschaftliche Kernaufgaben zugewiesen. Das Referat „Controlling” sei erstmalig 1989 eingerichtet worden und habe stetig an Bedeutung gewonnen. Deshalb müsse dieser Bereich nunmehr ausgegliedert und als eigenständige Abteilung geführt werden. Nur damit sei der Beklagte in der Lage, der besonderen Bedeutung des Controlling gerecht zu werden. Die Selbständigkeit und Abkoppelung dieses Bereichs von anderen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen habe sich aus der Entwicklung und der Bedeutung ergeben, die das Controlling zwischenzeitlich für die gesamte Sparkassenorganisation gewonnen habe. Für diese Abteilung sei allein Herr Dr. G. als ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Controlling in Frage gekommen.
Das Beschäftigungsverlangen des Klägers sei auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Die unternehmerische Entscheidung sei tatsächlich umgesetzt worden und könne nicht rückgängig gemacht werden. Sämtliche Versetzungen von Mitarbeitern aus der Abteilung „Betriebswirtschaft” zum 1. Januar 1998 seien mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrats vollzogen worden. Wegen der eingetretenen Unmöglichkeit könne der Kläger allenfalls Schadensersatz in Geld beanspruchen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage hinsichtlich des Beschäftigungsanspruches abgewiesen und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. In der Revisionsinstanz haben sie den Antrag zu 2. in der Hauptsache für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt. Der Beklagte verfolgt mit der Revision seinen Antrag auf Abweisung der Feststellungsklage weiter.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage hinsichtlich des Feststellungsantrags zu Unrecht stattgegeben. Die „Änderung der Arbeitsbedingungen” des Klägers durch die zum 1. Januar 1998 durchgeführte Umorganisation bei dem Beklagten ist nicht im Sinne des gestellten Antrags „unwirksam” gewesen.
1. Damit eine hinreichende Bestimmtheit des Antrags im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bejaht werden kann, bedarf dieser der Auslegung. Diese Auslegung ist vom Berufungsgericht dahingehend vorgenommen worden, daß der Umfang der vom Kläger begehrten Feststellung durch die Klagebegründung und insbesondere durch die Formulierung des Beschäftigungsantrags zu erschließen sei. Dem ist zu folgen. Der Kläger beantragt die Feststellung, daß sämtliche Maßnahmen des Beklagten gegen die arbeitsvertraglich vereinbarte Beschäftigungspflicht verstoßen, die seinen bis zum 31. Dezember 1997 erreichten Aufgabenbereich tangieren. Der Antrag ist somit umfassend zu verstehen. Der Kläger macht mit der Verwendung des Begriffs „unwirksam” deutlich, die einseitige Änderung der Aufgaben verletze seine arbeitsvertraglichen Rechte. Er sei vertraglich nicht zur Befolgung der einseitigen Maßnahmen des Beklagten verpflichtet. Dieses prozessuale Verlangen ist hinreichend bestimmt, wenn es, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen, jede Veränderung des vom Kläger innegehabten Status umfaßt.
2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage mit dem so verstandenen Feststellungsantrag unbegründet. Der Beklagte konnte dem Kläger am 1. Januar 1998 Aufgaben entziehen, ohne gegen arbeitsvertraglich begründete Pflichten zu verstoßen. Damit ist nicht entschieden, ob Teile der Organisationsänderung vertragswidrig waren. Der arbeitsvertragliche Anspruch des Klägers auf Beschäftigung als Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft garantiert ihm nur nicht die Weiterbeschäftigung als Leiter der Abteilung mit den im Dezember 1997 erreichten Aufgaben und Zuständigkeiten.
a) Ein solcher Beschäftigungsanspruch des Klägers folgt nicht aus dem Anstellungsvertrag vom 7. April 1977. Nach diesem hat der Kläger einen Anspruch darauf, als Leiter der Abteilung „Betriebswirtschaft” beschäftigt zu werden. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird dieser Anspruch vom Beklagten auch dann noch erfüllt, wenn der vom Kläger über den 31. Dezember 1997 hinaus geleiteten Abteilung Betriebswirtschaft nicht alle der im Antrag zu 2. bezeichneten Referate zugeordnet sind.
aa) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung der im Arbeitsvertrag getroffenen atypischen Vereinbarung der Parteien ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach haben sich die Parteien darüber geeinigt, daß dem Kläger die Leitung der Abteilung Betriebswirtschaft übertragen werde, die zumindest die Kernbereiche der Betriebswirtschaft in sich vereinen solle, ohne daß insoweit in seinen Aufgabenbereich durch Direktionsrecht des Beklagten eingegriffen werden könne. Der Kläger könne aber nicht beanspruchen, daß alle betriebswirtschaftlich erheblichen Fragen in dieser Abteilung bearbeitet würden. Ebensowenig könne der Kläger beanspruchen, daß die im Zeitraum von 1977 bis Ende 1997 der Abteilung Betriebswirtschaft zugewachsenen Aufgaben unverändert in dieser Abteilung verblieben.
bb) Diese Auslegung der arbeitsvertraglichen Abrede durch das Berufungsgericht liegt zumindest nahe, wenn berücksichtigt wird, daß bei Eintritt des Klägers die Abteilung Betriebswirtschaft lediglich über zehn Planstellen verfügte, und von keiner Partei vorgetragen worden ist, daß bereits zur Zeit der Einstellung eine deutliche Erweiterung dieser Abteilung projektiert gewesen sei. Deshalb kann der Kläger auf keinen Fall verlangen, daß die der neu gebildeten Abteilung „Controlling” zugewiesenen Aufgaben in der Abteilung „Betriebswirtschaft” erledigt werden.
cc) Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Beschäftigung als Leiter einer Abteilung, die in Referate gegliedert ist. Ein Anspruch auf eine bestimmte betriebliche Organisation des Beklagten läßt sich dem Arbeitsvertrag nicht einmal ansatzweise entnehmen.
b) Der Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus einer entsprechenden Konkretisierung seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben.
aa) Eine Konkretisierung des Arbeitsvertrags erfordert über die langjährige Handhabung hinaus zusätzliche Umstände, die ein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers auf Beibehaltung des bisherigen Leistungsinhalts für die Zukunft begründen (ständige Rechtsprechung; BAG 11. Juni 1958 – 4 AZR 514/55 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 2; 14. Dezember 1961 – 5 AZR 180/61 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 17).
bb) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es seien keine tatsächlichen Umstände dafür ersichtlich, daß der Beklagte sich bei Anwachsung der Aufgaben der vom Kläger geleiteten Abteilung seines Organisationsrechts habe begeben wollen. Revisionsrechtlich erhebliche Rügen hat der Kläger hiergegen nicht vorgebracht. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
3. Umfaßt damit der vertragliche Anspruch des Klägers nicht alle tatsächlich erreichten Arbeitsaufgaben, konnten ihm einzelne Aufgaben einseitig vom Beklagten entzogen werden, ohne seinen Arbeitsvertrag zu verletzen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger in vollem Umfange aufzuerlegen. Diese Entscheidung beruht hinsichtlich des Feststellungsantrags auf § 91 ZPO und in Bezug auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Beschäftigungsanspruch des Klägers auf § 91 a ZPO. Nach dieser Norm ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits zu befinden. Dafür ist grundsätzlich der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits maßgebend. Aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes hätte bei streitiger Entscheidung die Revision des Klägers zurückgewiesen werden müssen. Das angefochtene Urteil des Landesarbeitsgerichts hat über den Beschäftigungsantrag zutreffend entschieden. Wie oben unter I ausgeführt, hat der Kläger keinen vertraglichen Anspruch auf eine Beschäftigung mit den bis zum 31. Dezember 1997 wahrgenommenen und im Antrag zu 2. aufgeführten Aufgaben und Funktionen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Kreft, Reinecke, Glaubitz, W. Hinrichs
Fundstellen