Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung Arbeiter/Angestellte bei Gratifikation
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitgeber im Jahr 1980 im Vertrauen auf die Zulässigkeit der Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten allein nach dem Status beiden Gruppen verschieden hohe Jahressonderzuwendungen gezahlt und seinen Dotierungsrahmen für Sozialleistungen durch freiwillige Sonderleistungen auf anderen Gebieten ausgeschöpft, so steht ihm eine Übergangsfrist zur Anpassung seiner Leistungsrichtlinien an den Gleichbehandlungsgrundsatz zu (Ergänzung zu BAG Urteil vom 05.03.1980 5 AZR 881/78 = BAGE 33, 57ff = AP Nr 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 16.12.1981; Aktenzeichen 2 Sa 291/81) |
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 12.05.1981; Aktenzeichen 3 Ca 747/81) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger als gewerblichen Arbeitnehmer ein auf der gleichen Grundlage berechnetes Weihnachtsgeld für das Jahr 1980 zu zahlen wie ihren Angestellten.
Die Beklagte beschäftigt 103 gewerbliche Arbeitnehmer und 48 Angestellte. Der Kläger ist seit dem 1. November 1976 als Betriebselektriker tätig. Sein tariflicher Stundenlohn beträgt 9,85 DM, der vereinbarte Stundenlohn dagegen 13,50 DM.
Nach den einschlägigen Tarifvorschriften stand sowohl den gewerblichen Arbeitnehmern wie den Angestellten der Beklagten für das Jahr 1980 eine Jahressonderleistung von 80 bzw. 90 % des tariflichen Monatsverdienstes zu.
Im November 1980 zahlte die Beklagte den Arbeitern und Angestellten als Jahressonderleistung einen über den tariflichen Anspruch hinausgehenden Betrag als freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung. Die gewerblichen Arbeitnehmer erhielten insgesamt 100 % des monatlichen Tariflohnes (tariflicher Stundenlohn x 173 Stunden), die Angestellten erhielten 100 % eines effektiven Monatsbruttogehaltes. Diese unterschiedliche Berechnungsgrundlage führte dazu, daß der Kläger als Weihnachtsgeld 631,45 DM weniger erhielt, als sein effektiver Monatslohn betrug.
Die Beklagte erläuterte auf Anfrage des Betriebsrates die unterschiedliche Berechnungsweise in zwei Bekanntmachungen vom 4. November 1980.
Der Gesamtbetriebsrat der Unternehmensgruppe E ,E, der die Beklagte angehört, beschloß daraufhin am 27. November 1980, den Betriebsräten der einzelnen Betriebe zu empfehlen, zusammen mit dem Gesamtbetriebsrat eine Klageaktion der gewerblichen Arbeitnehmer auf Gleichbehandlung mit den Angestellten zu unterstützen. Auf einer Betriebsräteversammlung vom 9. Dezember 1980 erläuterte der Vorstand der Unternehmensgruppe, daß im Jahr 1980 die Beklagte und das Werk J in den Pensionsplan der E übernommen worden seien, da dort zuvor keinerlei betriebliche Altersversorgung bestanden habe. Darüber hinaus seien die bisher fehlenden Rückstellungen für die Unterstützungskasse des Werkes M und für den zur Unternehmensgruppe gehörigen O-Verlag gebildet worden. Durch diese Maßnahme sei in 1980 bereits ein freiwilliger Sozialaufwand von etwa 3 Mio. DM entstanden. Gleiche Berechnungsgrundlagen für die übertariflichen Jahressonderleistungen bei Arbeitern und Angestellten könnten deshalb erst ab 1981 eingeführt werden, da die vorgenannten Entscheidungen bereits vor Bekanntwerden des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 5. März 1980 getroffen worden seien. Daraufhin nahm der Gesamtbetriebsrat in einer anschließenden Sitzung seinen Beschluß vom 27. November 1980 zurück. Seit dem Jahr 1981 wird auch den gewerblichen Arbeitnehmern eine Jahressonderleistung in Höhe des effektiven Monatsbruttolohns ausgezahlt.
Mit der am 18. März 1981 erhobenen Klage verlangt der Kläger den Unterschiedsbetrag zwischen der ihm gezahlten Jahressonderleistung und seinem effektiven Bruttomonatslohn in rechnerisch unstreitiger Höhe. Er hat vorgetragen, die Jahressonderleistung sei eine Weihnachtsgratifikation, die Beklagte dürfe daher ohne sachlichen Grund bei deren Berechnung nicht zwischen Arbeitern und Angestellten differenzieren. Ein sachlicher Grund sei aber nicht gegeben. Insbesondere könne die Beklagte eine unterschiedliche Behandlung nicht darauf stützen, daß sie den Angestellten wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt ein volles Bruttomonatsgehalt als Sonderzahlung leisten müsse. Ebensowenig gebe die mit der Sonderzahlung verbundene Rückzahlungsklausel einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten her, wenn auch die Angestellten dadurch länger an den Betrieb gebunden würden. Die Beklagte beschäftige nämlich sowohl Arbeiter als auch Angestellte unterschiedlicher Qualifikation; wenn aber ein Differenzierungsgrund nicht auf alle, sondern nur auf einen Teil der Angestellten zutreffe, sei der Ausschluß der gewerblichen Arbeitnehmer von der günstigeren Regelung nicht gerechtfertigt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
631,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit
dem 18. März 1981 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne als Mitglied einer Mehrheitsgruppe nicht unter Berufung auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verlangen, mit der Minderheitsgruppe der Angestellten gleichgestellt zu werden.
Darüber hinaus meint die Beklagte, die von ihr gehandhabte unterschiedliche Berechnung der Jahressonderleistung zwischen Arbeitern und Angestellten sei sachlich gerechtfertigt. Mit Rücksicht auf die Arbeitsmarktlage sei sie gehalten, ein volles Bruttogehalt als Sonderleistung zu zahlen, wenn sie qualifizierte Angestellte anwerben und an sich binden wolle, da dies in der Wirtschaft für den Bereich der Angestellten allgemein üblich sei. Weiter seien die Einarbeitungskosten neuer Angestellter erheblich höher als die für die Einarbeitung gewerblicher Arbeitnehmer. Gewerbliche Arbeitnehmer seien überwiegend ungelernte Kräfte, deren Einarbeitungszeit etwa zwei bis vier Wochen betrage, diese Zeit betrage bei den Angestellten drei bis sechs Monate. Deshalb sei bei den Angestellten eine bei den gewerblichen Arbeitnehmern nicht festgelegte Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich des übertariflichen Teils der Sonderleistung vereinbart worden. Ferner sei es nicht unbillig, den Angestellten ein Effektivmonatsgehalt zu zahlen, weil sie nicht wie die Mehrzahl ihrer gewerblichen Arbeitnehmer durch ein Prämiensystem erfaßt werden.
Entscheidend sei schließlich auch, daß sie bis zum Bekanntwerden des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 5. März 1980 - 5 AZR 881/78 - (BAG 33, 57 ff. = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) davon habe ausgehen können, die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten allein nach deren Status sei zulässig. Im Vertrauen hierauf habe sie im Jahr 1980 erhebliche freiwillige Sozialleistungen in anderen Bereichen erbracht. Die Gleichstellung der gewerblichen Arbeitnehmer mit den Angestellten erfordere in der Unternehmensgruppe einen weiteren ungeplanten Aufwand von 700.000,-- DM. Mit Rücksicht hierauf habe der Gesamtbetriebsrat durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, daß die Unterscheidung zwischen gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten für das Jahr 1980 als sachlich gerechtfertigt angesehen werde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage entsprochen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger kann für das Jahr 1980 keine Jahressonderzuwendung in Höhe der den Angestellten gewährten Leistung verlangen. Der Beklagten stand eine Übergangsfrist zu, um, wie geschehen, die Gleichbehandlung der Arbeiter und Angestellten herbeizuführen.
I. 1. Der Kläger kann seinen Anspruch nur darauf stützen, daß die Beklagte gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat, wenn sie den Angestellten eine höhere Jahressonderzuwendung als den Arbeitern gewährte. Hierzu hat der Senat erstmals in der Entscheidung vom 5. März 1980 (BAG 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) ausgesprochen, daß eine unterschiedliche Bemessung einer Weihnachtsgratifikation, die allein darauf abstellt, ob es sich um Angestellte oder Arbeiter handelt, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren sei. Eine unterschiedliche Bemessung von freiwilligen Leistungen müsse am Zweck der Leistung gemessen werden. An dieser Auffassung, der im Schrifttum überwiegend zugestimmt worden ist, hält der Senat fest (vgl. Mayer-Maly, Anm. zu AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; Herschel, AR-Blattei, D, Gratifikationen, Entscheidungen, Anm. zu Entscheidung Nr. 80; Reuter, SAE 1981, 1, 4; Falkenberg, Anm. zu EzA Nr. 21 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; Lipke, DB 1983, 111, 115; Farthmann, Festschrift für Hilger und Stumpf, S. 177 ff.).
2. Die von einigen Landesarbeitsgerichten (vgl. Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. November 1981 - 22 Sa 421/81 - EzA Nr. 27 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) und von Zöllner (Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 17 IV 2, S. 182) erhobenen Bedenken veranlassen den Senat nicht, für die Weihnachtsgratifikation mit den zuvor erörterten Zwecken eine Gruppenbildung für sachgerecht anzusehen, die nur darauf abstellt, ob es sich um Angestellte oder Arbeiter handelt.
a) Die genannten Kritiker halten eine solche Gruppenbildung für sachgerecht, weil auch der Gesetzgeber in so bedeutsamen Fragen wie den Kündigungsfristen und der Entgeltzahlung im Krankheitsfall unterschiedliche, die Angestellten besserstellende Regelungen getroffen habe. Deshalb sei nicht zu beanstanden, wenn die Rechtsunterworfenen diese Unterscheidungsmerkmale ebenfalls verwendeten. Das gelte um so mehr, als es sich um freiwillige Leistungen des Arbeitgebers handele.
b) Diese Auffassung geht von einer nicht gesicherten Grundlage aus; ihr kann schon deshalb nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, daß der Gesetzgeber etwa für die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die gesetzlichen Kündigungsfristen sich bei längerer Betriebszugehörigkeit und höherem Lebensalter verlängern, für Angestellte und Arbeiter unterschiedliche Bestimmungen getroffen hat. Dabei sind die Angestellten in beiden Beziehungen begünstigt (vgl. § 2 AngKSchG einerseits, § 622 Abs. 2 BGB andererseits). Bevor hieraus Folgerungen für andere Bereiche gezogen werden können, ist jedoch zu fragen, ob diese Ungleichbehandlung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 16. November 1982 entschieden, daß die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BGB verfassungswidrig ist (NJW 1983, 617 = EzA Art. 3 GG Nr. 13). Nach dieser Vorschrift werden für die nach der Beschäftigungsdauer bei demselben Arbeitgeber bemessenen längeren Kündigungsfristen für Arbeiter Zeiten nicht berücksichtigt, die vor der Vollendung des 35. Lebensjahres liegen. Bei den Angestellten werden dagegen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AngKSchG nur Zeiten nicht berücksichtigt, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, der Status der Arbeitnehmer, der für die unterschiedliche Berechnung der maßgeblichen Beschäftigungszeiten allein maßgebend sei, sei als Merkmal im Hinblick auf den Gleichheitssatz nur so lange unbedenklich, als die damit verbundene Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen beruhe. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die historisch gewachsene Unterscheidung der Arbeiter und Angestellten allein könne die Verfassungsmäßigkeit der beurteilten unterschiedlichen Regelungen nicht rechtfertigen. Es sei vielmehr von dem Zweck auszugehen, der mit verlängerten Kündigungsfristen verbunden ist, nämlich möglichst aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus nach dessen Kündigung einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Insoweit sei aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse kein sachlicher Anhalt dafür zu finden, daß die Lage der älteren und länger beschäftigt gewesenen Arbeiter günstiger sei als die von Angestellten unter gleichen Umständen. Deshalb sei es nicht gerechtfertigt, sie jedenfalls bei der Berücksichtigung der Beschäftigungsdauer ungünstiger zu stellen.
Zu der weiteren Frage, ob die bei gleicher Beschäftigungsdauer für Arbeiter und Angestellte unterschiedlich lang bemessenen Kündigungsfristen und unterschiedlichen Kündigungstermine einer Überprüfung nach Art. 3 Abs. 1 GG standhalten, steht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch aus. Hierzu sind ihm jedoch bereits Vorlagebeschlüsse unterbreitet.
Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geht der Hinweis der kritischen Stimmen auf eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten ebenfalls fehl. Seit der Geltung des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969 werden vielmehr alle Arbeitnehmergruppen im wesentlichen gleichbehandelt. Aber auch für andere Fälle unverschuldeter Arbeitsverhinderung, wie der Pflege von erkrankten nahen Angehörigen, insbesondere von Kindern, hat der Senat ausgesprochen, daß von einer dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG genügenden einheitlichen Regelung für alle Arbeitnehmer auszugehen sei. Deshalb sei § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB als Norm, die alle Arbeitnehmer erfaßt, verfassungskonform auch im Falle der Pflege erkrankter Kinder ausschließlich anzuwenden (BAG 32, 32 = AP Nr. 49 zu § 616 BGB). Eine weitere Gleichbehandlung hat der Senat auf der Grundlage der für Arbeiter in § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 LohnFG getroffenen gesetzlichen Regelung zu der Frage für geboten angesehen, ob ein Fortsetzungszusammenhang zwischen zwei Krankheiten vorliegt. Die genannte gesetzliche Wertung nötige, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu vermeiden, zu einer entsprechenden verfassungskonformen Auslegung des § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB, des § 63 Abs. 1 Satz 1 HGB und des § 133 c Satz 1 GewO (BAG Urteil vom 29. September 1982 - 5 AZR 130/80 - AP Nr. 50 zu § 1 LohnFG, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
c) Schließlich kann nicht außer Betracht bleiben, daß das Arbeitsrecht gerade aus neuerer Zeit eine Vielzahl von Gesetzen kennt, die ohne die begriffliche Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten auskommen. Beispielhaft wären zu nennen das Kündigungsschutzgesetz, das Bundesurlaubsgesetz, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung vom 2. Juli 1979 spricht zwar in § 5 die Arbeitnehmergruppen der Angestellten und Arbeiter an, die verfahrensrechtlichen Bestimmungen enthalten aber keine differenzierte Behandlung je nach Gruppenzugehörigkeit.
d) Nach alledem kann bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers eine Ungleichbehandlung zwischen der Gruppe der Angestellten und der der Arbeiter nicht von vornherein allein deshalb als sachgerecht angesehen werden, weil die Gruppenzugehörigkeit als solche eine Differenzierung rechtfertige. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob der mit der Leistung verfolgte Zweck die unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigt.
3. Der vorgenannte Grundsatz gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die begünstigte Gruppe der Angestellten kleiner ist als die Gruppe der Arbeiter.
a) Für derartige Verhältnisse wird die Ansicht vertreten, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht gelte. Hierzu wird auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 3. April 1957 - 4 AZR 644/54 - AP Nr. 4 zu § 242 BGB Gleichbehandlung und vom 12. Juli 1957 - 2 AZR 129/56 - AP Nr. 5 zu § 242 BGB Gleichbehandlung verwiesen. In diesen Urteilen sei zum Ausdruck gebracht, von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes könne nur dann gesprochen werden, wenn entgegen einer im Betrieb üblichen allgemeinen Regelung ein einzelner Arbeitnehmer oder einzelne Arbeitnehmer schlechter behandelt würden als die überwiegende Mehrzahl der Arbeitnehmer und dies auf unsachlichen Gründen beruhe. Daraus wird hergeleitet, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann verletzt sein könne, wenn einzelne Arbeitnehmer gegenüber der Mehrzahl ihrer Kollegen oder eine Minderheitsgruppe gegenüber einer größeren Gruppe benachteiligt würden.
b) Diese Ansicht wird dem Grundgedanken des Gleichheitsgebots nicht gerecht. Sie kann sich auch nicht auf die vorerwähnten Entscheidungen stützen. Richtig ist allerdings folgendes: Wenn der Arbeitgeber, was ihm die Vertragsfreiheit gewährleistet, einzelne Arbeitnehmer besserstellt, so können daraus andere Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Anders liegen die Dinge jedoch, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, d. h. wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt. Dann muß er sich daran festhalten lassen und die Leistungen allen Arbeitnehmern gewähren, bei denen die von ihm gesetzten Kriterien zutreffen. Geschieht dies nicht, so steht den übergangenen Arbeitnehmern ein Anspruch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob die Zahl der Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber als begünstigt ansah, kleiner ist als die Zahl derjenigen, die die Kriterien ebenfalls erfüllen, aber übergangen worden sind (vgl. dazu auch Mayer-Maly, Das Recht der Arbeit 1980, 261, 267).
Der Senat verkennt nicht, daß dann, wenn die Mehrzahl der Arbeitnehmer aus Gründen der Gleichbehandlung anspruchsberechtigt ist, sich eine erhebliche finanzielle Belastung für den Arbeitgeber ergeben kann. Hierzu kann es jedoch nur kommen, wenn der Arbeitgeber die von ihm vorgegebene Regelung willkürlich nicht auf alle von ihr erfaßten Arbeitnehmer anwendet oder wenn die Regelung sachwidrige Differenzierungsmerkmale enthält. Beide Situationen kann der Arbeitgeber, der die Regeln aufstellt und anwendet, durch sein eigenes Verhalten jedoch vermeiden. Dabei kann sich allerdings ergeben, daß er Unterscheidungsmerkmale für zulässig angesehen hat, die, wie hier die Zugehörigkeit zu der Gruppe der Arbeiter einerseits und der Angestellten andererseits, jedenfalls seit der Erkenntnis des Senats vom 5. März 1980, nicht mehr als sachgerecht anerkannt werden können. Daraus folgenden Belastungen, mit denen der Arbeitgeber nicht zu rechnen brauchte und auf die er sich nicht einrichten konnte, kann jedoch durch eine der Sachlage angepaßte Übergangsregelung Rechnung getragen werden.
II. Im vorliegenden Fall kann die Frage dahingestellt bleiben, ob das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, die von der Beklagten vorgetragenen Gründe reichten nicht aus, um die Zahlung einer höheren Sonderzuwendung an die Angestellten sachlich gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Der Beklagten, die bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des Senats vom 5. März 1980 die Differenzierung nach Angestellten und Arbeitern nicht für sachwidrig zu halten brauchte, ist unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen eine Übergangsfrist zuzugestehen, um die Gleichbehandlung zu verwirklichen. Das gilt jedenfalls deshalb, weil die bisher übergangene Gruppe die Mehrheit der Arbeitnehmer darstellt und die Beklagte deshalb eine unverhältnismäßige Belastung treffen würde. Solche Verhältnisse lagen bei der Entscheidung des Senats vom 5. März 1980 nicht vor; darum waren in jenem Fall nicht derartige Überlegungen geboten.
Im einzelnen geht der Senat hierzu von folgenden Erwägungen aus:
1. Bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November 1982 konnten und mußten - trotz insoweit bereits vorher geäußerter Bedenken - die Rechtsunterworfenen davon ausgehen, daß eine allein an den Status anknüpfende unterschiedliche Regelung für Angestellte und Arbeiter nicht dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die vom Bundesverfassungsgericht in dem vorgenannten Beschluß für verfassungswidrig erklärte gesetzliche Regelung noch aus dem Jahre 1969 stammt. Zwar hat der erkennende Senat im Bereich der Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung schon in der Entscheidung vom 20. Juni 1979 (BAG 32, 32 = AP Nr. 49 zu § 616 BGB) ausgesprochen, über eine verfassungskonforme Auslegung des § 616 Abs. 1 Satz 1 BGB müsse erreicht werden, daß alle Arbeitnehmergruppen gleichbehandelt werden, wenn es um Ansprüche im Zusammenhang mit der Pflege erkrankter naher Angehöriger gehe. Gleichwohl blieb danach und ist auch heute noch offen, ob und unter welchen näheren Voraussetzungen der Status der Arbeitnehmer ein sachgerechtes Unterscheidungskriterium darstellen kann.
2. Die Beklagte konnte allerdings nach dem Bekanntwerden des Urteils vom 5. März 1980 im August/September 1980 nicht mehr davon ausgehen, daß sie künftig, also grundsätzlich ab Weihnachten 1980, eine Differenzierung als sachgerecht allein auf den Status der Arbeitnehmer stützen konnte. Ihr kommt jedoch für das Jahr 1980 folgendes zugute: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann dem Gesetzgeber eine angemessene Übergangszeit gewährt werden, wenn er eine zunächst vorhandene Ungleichbehandlung schrittweise abbauen will (BVerfGE 39, 148, 153; Beschluß vom 16. November 1982 - 1 BvL 16/75, 36/79 - NJW 1983, 617, 620). Weiter hat das Bundesverfassungsgericht erwogen, wenn auch offengelassen, ob wegen auf die Wirtschaft zukommender Lasten es im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden könne, die Rechtsstellung der Arbeiter an die der Angestellten stufenweise anzugleichen (vgl. zuletzt genannter Beschluß, aaO).
Wenn aber dem Gesetzgeber danach zugebilligt wird, eine Ungleichbehandlung schrittweise abzubauen, muß dies auch der Beklagten aufgrund der gegebenen Umstände zugestanden werden. Dabei wird auch dem Gedanken des Vertrauensschutzes in eine bestehende Rechtslage Rechnung getragen.
3. Die Beklagte hätte, wenn sie, wie erforderlich, in der Unternehmensgruppe die erheblich überwiegende Zahl der gewerblichen Arbeitnehmer hinsichtlich der Zuwendung mit den Angestellten gleichgestellt hätte, zusätzlich 700.000,-- DM aufwenden müssen. Andererseits hatte die Muttergesellschaft beschlossen, für die Arbeitnehmer der Beklagten und ein weiteres Werk die betriebliche Altersversorgung einzuführen und bei zwei Unternehmen den Unterstützungskassen Mittel zuzuwenden. Hieraus ergab sich ein Sozialaufwand von 3 Mio. DM. Deshalb stand die Beklagte im Jahre 1980 vor einer nicht vorausplanbaren zusätzlichen erheblichen Belastung für Sozialaufwendungen. Sie hat jedoch schon aufgrund einer dem Gesamtbetriebsrat am 9. Dezember 1980 für 1981 gegebenen Zusage die Arbeiter und Angestellten bei der Jahressonderleistung für das Jahr 1981 gleichbehandelt.
Unter diesen Umständen ist es wegen der wirtschaftlichen Belastung, des Vertrauensschutzes und der nach Wegfall dieser Hindernisse vollzogenen Gleichstellung hinnehmbar, wenn die Leistungen für das Jahr 1980 noch in unterschiedlicher Höhe gewährt wurden.
Dr. Thomas Dr. Heither Schneider
Dr. Krems Schumacher
Fundstellen
BAGE 45, 66-76 (LT1) |
BAGE, 66 |
BB 1984, 2064-2065 (LT1) |
DB 1984, 2356-2357 (LT1) |
BlStSozArbR 1985, 21-21 (T) |
JR 1985, 352 |
NZA 1984, 327-328 (LT1) |
SAE, 206-208 (LT1) |
AP § 242 BGB Gleichbehandlung (LT1), Nr 66 |
AR-Blattei, Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis Entsch 71 (LT1) |
Arbeitgeber 1985, 480-480 (LT1) |
EzA § 242 BGB Gleichbehandlung, Nr 40 (LT1) |