Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Unterstützungskassen-Richtlinien DGB

 

Leitsatz (amtlich)

Erhält ein Arbeitnehmer neben einer rückwirkend bewilligten Erwerbsunfähigkeitsrente Krankengeld sowie einen Zuschuß des Arbeitgebers zum Krankengeld, so daß Krankengeld und Zuschuß dem früheren Nettoverdienst des Arbeitnehmers entsprechen, so besteht während dieser Zeit kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Erwerbsunfähigkeitsunterstützung nach § 22 Abs. 2 der Unterstützungs-Richtlinien der Unterstützungskasse des DGB. Der Zuschuß des Arbeitgebers zum Krankengeld ist als Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.

 

Normenkette

Unterstützungs-Richtlinien 1980 der Unterstützungskasse des DGB e.V. i.d. Fassung vom 1. Januar 1986 § 22; RVO § 189

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 26.10.1989; Aktenzeichen 5 (13) Sa 946/89)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 29.06.1989; Aktenzeichen 11 Ca 1987/89)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 1989 – 5 (13) Sa 946/89 – aufgehoben.
  • Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juni 1989 – 11 Ca 1987/89 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen !

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der beklagten Unterstützungskasse Nachzahlung von Unterstützungsleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der 1944 geborene Kläger stand vom 1. Januar 1976 bis zum 30. Juni 1988 in den Diensten der Gewerkschaft ÖTV. Die Beklagte ist eine vom DGB, den angeschlossenen Einzelgewerkschaften und verschiedenen gewerkschaftlichen Einrichtungen in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins unterhaltene gemeinsame Versorgungseinrichtung. Sie gewährt den angemeldeten Arbeitnehmern ihrer Mitglieder Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Unfallunterstützung. Art und Höhe der Leistungen richten sich nach den Unterstützungs-Richtlinien in der jeweils geltenden Fassung.

Der Kläger ist seit 22. Juni 1987 arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 20. Dezember 1987 zahlte die Arbeitgeberin nach § 16 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitsbedingungen der ÖTV (AAB) dem Kläger die Arbeitsvergütung fort. Anschließend erhielt der Kläger ein kalendertägliches Krankengeld von der Krankenkasse in Höhe von 100,89 DM. Nach § 16 Abs. 2 AAB zahlte die ÖTV bis zum 19. Juni 1988 zum Krankengeld einen kalendertäglichen Zuschuß von 23,90 DM als Unterschiedsbetrag zu dem früheren Nettoverdienst des Klägers von 3.743,79 DM im Monat.

Mit Bescheid der BfA vom 16. Juni 1988 wurde dem Kläger mit Wirkung ab 30. Dezember 1987 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 1.744,05 DM zuerkannt. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22. Juli 1988 mit, daß sie ihm nach den Unterstützungs-Richtlinien 1980 ab 20. Juni 1988 eine Erwerbsunfähigkeitsunterstützung in Höhe von 1.008,21 DM gewähre, die sich nach Wegfall des Krankengeldes ab dem 23. Juni 1988 auf monatlich 2.335,95 DM erhöhe. Die Unterstützungs-Richtlinien 1980 i.d.F. vom 1. Januar 1986 sehen in § 22 Abs. 2 vor:

“Die Zahlung der Unterstützung beginnt mit dem Kalendermonat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beginnt die Zahlung der Unterstützung mit dem Beginn der Rentenzahlung, wenn ab diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht.”

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Krankengeldzuschuß des Arbeitgebers schließe den Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsunterstützung nicht aus. Er hat Nachzahlung der Unterstützung in Höhe von 1.008,21 DM monatlich für die Zeit vom 30. Dezember 1987 bis 19. Juni 1988 gefordert.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.746,78 DM zuzüglich Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und sich zur Begründung auf § 22 der Unterstützungs-Richtlinien 1980 bezogen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen für die Zeit vom 30. Dezember 1987 bis 19. Juni 1988.

1. Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 der Unterstützungs-Richtlinien 1980 beginnt die Zahlung der Unterstützung bei Erwerbsunfähigkeit mit dem Beginn der Rentenzahlung, wenn von diesem Zeitpunkt an kein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Der Kläger bezieht seit dem 30. Dezember 1987 Erwerbsunfähigkeitsrente. In dem maßgeblichen Zeitraum vom 30. Dezember 1987 bis zum 19. Juni 1988 erhielt der Kläger ein kalendertägliches Krankengeld von 100,89 DM von der Krankenkasse und den Zuschuß des Arbeitgebers nach § 16 Abs. 2 AAB von täglich 23,90 DM. Die Krankengeldleistungen und der Zuschuß entsprachen insgesamt dem früheren Nettoverdienst des Klägers von 3.743,79 DM monatlich.

2. Erhält ein Arbeitnehmer neben seiner Erwerbsunfähigkeitsrente Krankengeld von der Krankenkasse und einen Zuschuß des Arbeitgebers zum Krankengeld, so daß Krankengeld und Zuschuß dem früheren Nettoverdienst entsprechen, so besteht während dieser Zeit kein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsunterstützung nach § 22 Abs. 2 der Unterstützungs-Richtlinien der Unterstützungskasse des DGB. Der Zuschuß des Arbeitgebers zum Krankengeld ist Arbeitsentgelt i.S. dieser Vorschrift.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, § 22 Abs. 2 der Richtlinien stehe dem Klageanspruch nicht entgegen. Der Krankengeldzuschuß des Arbeitgebers sei kein Arbeitsentgelt i.S. dieser Vorschrift. Dies ergebe sich aus § 189 Abs. 1 Satz 3 RVO. Danach falle der Krankengeldzuschuß nicht unter den sozialrechtlichen Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts verkennt den Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 der Unterstützungs-Richtlinien.

b) Diese Vorschrift geht erkennbar davon aus, daß dem Arbeitnehmer eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oft erst geraume Zeit nach Antragstellung durch den Rentenversicherungsträger zuerkannt wird, daß er aber bis dahin vielfach durch Zahlungen des Arbeitgebers abgesichert wird. In diesem Fall soll die Unterstützungskasse nicht noch zusätzlich Unterstützungsleistungen erbringen müssen, eine Doppelversorgung soll verhindert werden. Als Arbeitsentgelt im Sinne des § 22 Abs. 2 der Richtlinien ist daher auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Zuschuß des Arbeitgebers zu verstehen, der das Krankengeld der Krankenkasse bis zum früheren Nettolohn aufstockt.

c) Auf § 189 Abs. 1 Satz 3 RVO kann sich der Kläger, entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts, nicht mit Erfolg berufen. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich hierbei um eine spezielle Vorschrift des Sozialversicherungsrechts, die allein den Zweck verfolgt, es dem Arbeitgeber zu ermöglichen, die Krankenbezüge des Arbeitnehmers bis zur Höhe der bisherigen Nettoeinkünfte anzuheben. Da der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld an sich ruht, wenn und soweit der Arbeitnehmer während der Krankheit beitragspflichtiges Arbeitsentgelt erhält (§ 189 Abs. 1 Satz 1 RVO), bedurfte es der besonderen Regelung des § 189 Abs. 1 Satz 3 RVO, um dem Arbeitnehmer diese Vergünstigung zu erhalten. Der Versorgungsfall nach den Unterstützungs-Richtlinien soll aber ersichtlich erst dann eintreten, wenn die Einkünfte des Arbeitnehmers aus Krankengeld und Arbeitgeberzuschuß nicht mehr gewährleistet sind. Im Sinne der Richtlinien ist daher der Zuschuß als Arbeitsentgelt zu behandeln.

 

Unterschriften

Griebeling, Dr. Wittek, Kremhelmer, Gnade, Stabenow

 

Fundstellen

Haufe-Index 839182

RdA 1991, 318

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