Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgratifikation - Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor der Zusage
Leitsatz (redaktionell)
Der Anspruch auf eine freiwillige Weihnachtsgratifikation kann auch dann vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht werden, wenn die Gratifikation auch "als Anerkennung für die Leistung gelten soll".
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: "Keine Gleichbehandlung von zum Zeitpunkt der Gratifikationszusage bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern mit weiterhin im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern."
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer anteiligen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1989.
Die Klägerin war seit dem 26. November 1979 als Arbeiterin bei der Beklagten mit einem Durchschnittslohn von zuletzt 1.907,62 DM brutto im Monat beschäftigt. Sie ist aufgrund eigener Kündigung zum 1. Dezember 1989 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Die Beklagte fertigt Muster und gehört dem Verband der Deutschen Musterhersteller e.V. an. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zwischen den Parteien nicht abgeschlossen. Die Parteien sind auch nicht tarifgebunden.
Die Beklagte zahlte seit 1981 an ihre Arbeitnehmer jährlich eine Weihnachtsgratifikation in Höhe der in den Tarifverträgen für die nordbayerische Textilindustrie vorgesehenen Jahresonderzahlung, wobei sich die Beklagte die Freiwilligkeit der Leistung jeweils vorbehielt. Die Klägerin erhielt zuletzt im Dezember 1988 eine Weihnachtsgratifikation. Dieser lag der folgende Aushang der Beklagten, der im wesentlichen den Aushängen der vergangenen Jahre entsprach, zugrunde:
"An unsere Belegschaft]
Wir bedanken uns recht herzlich für die gute Mit-
arbeit zurückblickend auf das Jahr 1988.
Als Anerkennung für Ihre Leistung zählt auch die
Weihnachtsgratifikation.
Diese ist eine freiwillige Zuwendung.
Es besteht kein Rechtsanspruch.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien ein Frohes
Weihnachtsfest und für das Neue Jahr Gesundheit,
Glück und Zufriedenheit."
Die Beklagte zahlte auch im Jahr 1989 an ihre Belegschaft nach einem - gleichlautenden - Aushang vom 14. Dezember 1989 eine entsprechende Weihnachtsgratifikation. Die Klägerin erhielt wegen ihres Ausscheidens am 1. Dezember 1989 keine Weihnachtsgratifikation.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Weihnachtsgratifikation in Höhe von 11/12 der nach dem Tarifvertrag über die Jahressonderzahlungen für alle Arbeitnehmer und Auszubildenden in der nordbayerischen Textilindustrie vorgesehenen Sonderzahlung von 52,5 % des monatlichen Durchschnittslohns von 1.907,62 DM, also 918,06 DM brutto geltend.
Die Klägerin ist der Ansicht, trotz des Freiwilligkeitsvorbehalts habe sie einen Anspruch auf Zahlung der anteiligen Weihnachtsgratifikation, da die Beklagte im Jahre 1989 allen Arbeitnehmern des Betriebes die Gratifikation gewährt habe und sie nicht von der Zahlung hätte ausnehmen dürfen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 918,06 DM
brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus er-
gebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zah-
len.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe weder ein tariflicher Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation zu, da der Tarifvertrag für das Textilgewerbe mangels Verbandszugehörigkeit bzw. Allgemeinverbindlichkeit nicht anzuwenden sei, noch könne der Anspruch auf eine betriebliche Übung gestützt werden, weil die Weihnachtsgratifikation in der Vergangenheit nicht vorbehaltlos gewährt worden sei. Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, da das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gratifikation bereits beendet gewesen und diese Differenzierung rechtmäßig sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter; die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen den Entscheidungen der Vorinstanzen steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1989 nicht zu, so daß die Klage abzuweisen war.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Arbeitsgericht habe der Klägerin im Ergebnis zu Recht die begehrte Weihnachtsgratifikation zugesprochen. Zwar habe die Klägerin keinen Anspruch aus einer Gesamtzusage, da sie im Zeitpunkt des Rundschreibens der Beklagten vom 14. Dezember 1989 nicht mehr zur Belegschaft des Betriebes gehörte. Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf eine betriebliche Übung stützen, da die Beklagte in der Vergangenheit die Weihnachtsgratifikation stets unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt gezahlt habe. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch folge jedoch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da der Ausschluß der Klägerin von der Zahlung der Weihnachtsgratifikation wegen ihres vorzeitigen Ausscheidens sachlich nicht gerechtfertigt sei. Da es sich bei der von der Beklagten gewährten Sonderleistung um eine zusätzliche Vergütung für die von den Arbeitnehmern in dem betreffenden Kalenderjahr geleistete Arbeit handele, stehe sie der Klägerin unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag zu.
Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer - anteiligen - Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1989. Ein Anspruch der Klägerin folgt weder aus arbeitsvertraglichen noch tarifvertraglichen Bestimmungen, da arbeitsvertraglich die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation nicht vereinbart worden ist und der Tarifvertrag über Jahressonderzahlungen für alle Arbeitnehmer und Auszubildenden der nordbayerischen Textilindustrie mangels Tarifbindung, Allgemeinverbindlicherklärung oder einzelvertraglicher Bezugnahme nicht eingreift.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß ein Anspruch der Klägerin nicht auf betriebliche Übung gestützt werden kann. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation infolge dreimaliger vorbehaltloser Zahlung ist nicht entstanden, da die Aushänge der Beklagten in den Jahren 1981 bis 1988 jeweils die Freiwilligkeit der Zuwendung zum Ausdruck brachten. Damit sind die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung (z.B. BAG Urteil vom 23. Juni 1988 - 6 AZR 137/86 - AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 25. April 1991 - 6 AZR 532/89 - AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation) nicht gegeben. Der jeweilige Freiwilligkeitsvorbehalt führt dazu, daß die Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr, in dem die Leistung durch den Aushang angekündigt worden ist, erwerben. Ein Anspruch auf alljährliche Gewährung der Sonderleistung entsteht nur bei mehrjähriger vorbehaltloser Zahlung (BAG Urteil vom 26. Juni 1975 - 5 AZR 412/74 - AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation).
2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf eine Zusage der Beklagten stützen. Zwar hat diese auch im Jahr 1989 an ihre Belegschaft eine Weihnachtsgratifikation gemäß einem Aushang gewährt, der im wesentlichen den Aushängen der vergangenen Jahre entsprach. Der Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses ist danach zwar nicht Voraussetzung für die Zahlung der Weihnachtsgratifikation. Da die Klägerin jedoch mit dem 1. Dezember 1989 bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war, ist ihr gegenüber die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation nicht zugesagt worden, sie gehörte nicht mehr zum Adressatenkreis des Aushangs. Der Aushang vom 14. Dezember 1989 richtet sich ausdrücklich: "An unsere Belegschaft". Die Klägerin zählte aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Belegschaft der Beklagten.
3. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der anteiligen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1989 folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden (BAG Urteil vom 25. April 1991 - 6 AZR 532/89 -, aaO, m.w.N.). Danach ist es ihm verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen oder sie schlechter zu stellen. Bei freiwilligen Leistungen muß der Arbeitgeber die Voraussetzungen so abgrenzen, daß nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen bleibt (BAG, AP, aaO). Diese Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch durch einen in den Vorjahren regelmäßig erklärten Freiwilligkeitsvorbehalt für das Jahr der Zahlung nicht ausgeschlossen (BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 273/77 - AP Nr. 97 zu § 611 BGB Gratifikation).
Der Ausschluß der Klägerin von der Zahlung der Weihnachtsgratifikation wegen ihres vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis ist sachlich gerechtfertigt. Die Differenzierung nach dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einerseits und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor der Zusage oder Auszahlung der Weihnachtsgratifikation ist nicht sachwidrig oder willkürlich; vielmehr wird Ungleiches seiner Eigenart nach zu Recht ungleich behandelt.
Es entspricht allgemeiner Übung - auch und gerade in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen -, daß der Anspruch auf eine Gratifikation oder Sonderzahlung davon abhängig gemacht werden kann, daß das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Stichtag, der auch der Auszahlungstag sein kann, überhaupt oder sogar ungekündigt noch besteht. Eine solche Regelung ist von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stets für zulässig gehalten worden (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 19. November 1992 - 10 AZR 264/91 - AP Nr. 147 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Gratifikationen sollen - unabhängig davon, inwieweit solche Stichtagsregelungen auch eine künftige Betriebstreue bewirken oder honorieren wollen - den Arbeitnehmer auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motivieren. Eine solche motivierende Wirkung kann die Sonderzahlung gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern aber nicht mehr entfalten. Schon diese am Motivationszweck der Gratifikation orientierte Differenzierung danach, ob das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag noch besteht oder nicht, ist sachlich gerechtfertigt, so daß ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gegeben ist (BAG Urteil vom 19. November 1992, aaO).
4. Ein Anspruch der Klägerin auf eine anteilige Gratifikation ergibt sich auch nicht daraus, daß die Beklagte in ihrem Aushang erklärt hat "die Weihnachtsgratifikation zählt auch als Anerkennung für Ihre - der Arbeitnehmer - Leistung", und auch die Klägerin eine solche Leistung noch bis zum 1. Dezember erbracht hat. Der Zweck einer Sonderleistung vermag über die normierten Anspruchsvoraussetzungen hinaus weder einen zusätzlichen Anspruch zu begründen noch einen danach gegeben Anspruch auszuschließen (Urteil des Senats vom 5. August 1992 - 10 AZR 88/90 - AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt; Urteil vom 16. März 1994 - 10 AZR 669/92 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Da somit der Klägerin ein Anspruch auf die Zahlung einer anteiligen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1989 nicht zusteht, ist auf die Revision der Beklagten das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Klage unter Abänderung des Ersturteils abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Matthes Dr. Freitag Hauck
Bacher Harnack
Fundstellen
BB 1995, 1411 |
BB 1995, 1411-1412 (LT1) |
DB 1995, 581 (LT1) |
NJW 1995, 2181 |
NJW 1995, 2181-2182 (LT) |
EBE/BAG 1995, 18-19 (LT1) |
WiB 1995, 252-253 (LT) |
ARST 1995, 108-109 (LT1) |
NZA 1995, 307 |
NZA 1995, 307-309 (LT1) |
VersorgW 1995, 189 (T) |
ZAP, EN-Nr. 215/95 (L) |
AP BGB § 611, Nr. 167 Gratifikation (LT1) |
AR-Blattei ES 820 Nr. 127 (LT1, S1) |
EzA BGB § 611, Gratifikation, Prämie Nr. 115 (LT1) |
PersF 1995, 526 (S1) |