Orientierungssatz
(Klage nach § 256 ZPO und spätere Kündigung)
1. Wird eine Kündigung mit einer Klage angegriffen, in der der Antrag nach § 4 KSchG mit dem allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO verbunden wird, daß das Arbeitsverhältnis über die Kündigung hinaus fortbestehe, ist Streitgegenstand die Frage, ob das Arbeitsverhältnis bis zu dem im Klageantrag genannten Zeitpunkt fortbesteht, jedoch nicht über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz hinaus.
2. Von einer solchen Klage werden weitere Kündigungen erfaßt, die der Arbeitgeber im streitbefangenen Zeitraum ausspricht, und zwar unabhängig davon, wann sie in den Prozeß eingeführt werden.
3. Die Prozeßvollmacht, aufgrund derer eine Kündigung mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO angegriffen wird, bevollmächtigt den Prozeßbevollmächtigten zur Entgegennahme aller Kündigungen, die den mit dem Feststellungsantrag verbundenen weiteren Streitgegenstand betreffen. Es kommt nicht darauf an, ob und wann die Kündigung auch den Arbeitnehmer selbst zugegangen ist.
4. Bestätigung von BAG Urteil vom 21.1.1988 2 AZR 581/86 = EzA § 4 nF KSchG Nr 33 = BB 1988, 1533.
Normenkette
ZPO § 81; KSchG § 4; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren nur noch darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die "vorsorgliche" Kündigung der Beklagten vom 15. August 1985 zum 30. September 1985 beendet worden ist.
Der am 3. August 1947 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1984 bei der Beklagten zuletzt als Einkaufsleiter mit einem monatlichen Bruttogehalt von 3.800,-- DM tätig.
Am 30. April 1985 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger mit, daß er ihm wegen eines Vorfalls am Tage zuvor (Streit mit anderen Mitarbeitern) kündigen werde. Daraufhin erteilte der Kläger am 6. Mai 1985 seinem jetzigen Prozeßbevollmächtigten eine Vollmacht "wegen Kündigung" u.a. "zur Prozeßführung" sowie "zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen und zur Abgabe von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)". Eine beglaubigte Abschrift dieser Vollmacht übersandte der Anwalt des Klägers mit Schreiben vom 7. Mai 1985 an die Beklagte, in dem er um die Erteilung eines Zeugnisses bat und erklärte, danach könne im einzelnen über eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses verhandelt werden. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 9. Mai 1985, sie werde dem Kläger zum 30. Juni 1985 kündigen, falls er nicht selbst fristgerecht kündige. Am 13. Mai 1985 kündigte die Beklagte per Einschreiben das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. Juni 1985. Der Einschreibebrief wurde an die Beklagte zurückgesandt, weil er dem Kläger nicht zugestellt werden konnte und von ihm auch nicht von der Post abgeholt worden war. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erhielt am 14. Mai 1985 eine nicht unterschriebene Durchschrift.
Mit seiner am 31. Mai 1985 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger begehrt festzustellen, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Er hat geltend gemacht, eine Kündigung sei ihm nicht zugegangen und außerdem wäre sie auch sozial nicht gerechtfertigt.
Im Rahmen weiterer Verhandlungen über eine einvernehmliche Vertragsaufhebung übersandte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zusammen mit einem Schreiben vom 12. Juni 1985 erneut eine Vollmacht an die Beklagte. Am 18. Juli 1985 bat er die Beklagte, künftig nur noch über ihn zu korrespondieren.
Mit Schreiben vom 15. August 1985 kündigte die Beklagte dem Kläger erneut vorsorglich zum 30. September 1985. Das Original leitete sie dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu, der es am 28. August 1985 mit dem Hinweis an die Beklagte zurücksandte, er sei nicht zustellungsbevollmächtigt.
Die Kündigung vom 15. August 1985 ist im ersten Rechtszuge erstmals im Schriftsatz des Klägervertreters vom 3. Dezember 1985 erwähnt worden. Der Kläger hat auch diese Kündigung für unwirksam gehalten, weil sie ihm nicht zugegangen sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprechend festgestellt, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, daß die am 13. Mai 1985 zum 30. Juni 1985 ausgesprochene Kündigung "zugangsrechtlich wirksam" ist; im übrigen hat es unter teilweiser Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Der Kläger hat sodann im zweiten Verfahren vor dem Arbeitsgericht beantragt festzustellen, daß die Kündigung vom 13. Mai 1985 sozial nicht gerechtfertigt sei, so daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30. Juni 1985 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbestehe; ferner festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 15. August 1985 zum 30. September 1985 aufgelöst worden sei, so daß es darüber hinaus fortbesteht; hilfsweise festzustellen, daß die Kündigung vom 15. August 1985 sozial nicht gerechtfertigt sei, so daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. September 1985 hinaus fortbesteht.
Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme unter Abweisung der Klage im übrigen festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 13. Mai 1985 zum 30. Juni 1985 beendet worden ist, sondern bis zum 30. September 1985 fortbestanden hat. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Kündigung vom 13. Mai 1985 sei dem Kläger zwar zugegangen, sie sei aber sozial nicht gerechtfertigt. Die Kündigung vom 15. August 1985 sei dem Kläger ebenfalls zugegangen, der Kläger habe sie aber nicht rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist angefochten, so daß sie als von Anfang an rechtswirksam gelte (§§ 4, 7 KSchG).
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und vorgetragen, die Kündigung vom 15. August 1985 sei nicht wirksam zugegangen. Er selbst habe sie nicht erhalten und sein Rechtsanwalt sei nicht empfangsberechtigt gewesen. Die den Anwälten erteilte Prozeßvollmacht sei lediglich im Zusammenhang mit der Kündigung vom 13. Mai 1985 erteilt worden, ermächtige sie also nicht zur Entgegennahme weiterer Kündigungen. Auch seien die Prozeßbevollmächtigten nicht nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt anzusehen, weitere Kündigungen entgegenzunehmen. Schließlich ergebe sich eine derartige Ermächtigung weder aus dem Text der Vollmacht noch aus dem Schreiben seiner Anwälte vom 18. Juli 1985. Im übrigen habe er keinen Anlaß zur Kündigung gegeben. Verhaltensbedingte Kündigungsgründe, auf die sich die Beklagte berufe, lägen nicht vor.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren zuletzt beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 15. August 1985 nicht zum 30. September 1985 aufgelöst worden sei, so daß es darüber hinaus fortbestehe.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen im zweiten Berufungsverfahren gestellten Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung des angefochtenen Urteils ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die von der Beklagten am 15. August 1985 ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30. September 1985 beendet worden. Die Kündigung sei dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugegangen und mit Zugang wirksam geworden, weil der Prozeßvertreter zur Entgegennahme der Kündigung bevollmächtigt gewesen sei.
Im vorliegenden Falle könne dahinstehen, ob der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach der Verkehrsanschauung als ermächtigt anzusehen sei, die Kündigung entgegenzunehmen. Ebenso könne offenbleiben, ob durch Auslegung der Vollmachtsurkunde eine entsprechende Empfangsvollmacht zu bejahen sei. Denn die Vollmacht ergebe sich jedenfalls aus § 81 ZPO, wonach die Prozeßvollmacht zu sämtlichen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen ermächtige. Zu den Prozeßhandlungen gehörten auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, wenn sie im Prozeß abzugeben seien, wie zum Beispiel eine Aufrechnung, Wandlung, Kündigung usw. Auch wenn die Erklärungen außerhalb des Prozesses abgegeben würden, könnten sie Prozeßhandlungen im Sinne des § 81 ZPO sein, sofern sie im Dienste der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des jeweiligen Rechtsstreits stünden. Um eine derartige Erklärung handele es sich bei der vorliegenden Kündigung vom 15. August 1985. Der Kläger habe zunächst beantragt festzustellen, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Damit sei vom Gericht zu entscheiden gewesen, ob das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz noch fortbestehe. Deshalb habe die Kündigung vom 15. August 1985 den damals anhängigen Feststellungsrechtsstreit betroffen. Sie sei geeignet gewesen, den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen und habe daher der Rechtsverteidigung der Beklagten gedient. Daran ändere auch nichts die Tatsache, daß die Klage zunächst nur wegen der Kündigung vom 13. Mai 1985 erhoben worden sei. Die Vollmacht beziehe sich unstreitig auf die in der genannten Form erhobene Feststellungsklage. Die streitige Kündigung gelte nach § 7 KSchG aber als wirksam, weil sie nicht innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG angegriffen worden sei.
II. Der Würdigung des Berufungsgerichts kann nur insoweit gefolgt werden, als es von einem wirksamen Zugang der streitigen Kündigung vom 15. August 1985 ausgegangen ist. Im übrigen hat es aus der zutreffenden Bestimmung des Streitgegenstandes der ursprünglich vom Kläger erhobenen Feststellungsklage nach § 256 ZPO nicht die gebotenen Konsequenzen hinsichtlich der gerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit dieser Kündigung gezogen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Kündigung vom 15. August 1985 sei dem Kläger wirksam zugegangen, weil sein Prozeßbevollmächtigter bevollmächtigt war, die Kündigung mit Wirkung für den Kläger entgegenzunehmen.
a) Nach § 81 ZPO ermächtigt die Prozeßvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen. Prozeßhandlungen in diesem Sinne sind Handlungen, die dem Betriebe, der Entscheidung oder der Beendigung des Rechtsstreits oder der Durchführung der Entscheidung dienen. Dazu gehören auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, wenn sie im Prozeß abzugeben sind, wie etwa eine Aufrechnung, Wandlung, Minderung, Anfechtung, Kündigung oder ein Rücktritt dem Gegner gegenüber (BAG Urteil vom 10. August 1977 - 5 AZR 394/76 - AP Nr. 2 zu § 81 ZPO, zu I 1 a aa der Gründe; BGHZ 31, 206, 209; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 81 Rz 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., § 81 Rz 10). In denselben Grenzen, in denen die Vollmacht zur Vornahme von Prozeßhandlungen berechtigt, ist der Bevollmächtigte auch befugt, Prozeßhandlungen des Gerichts oder des Gegners entgegenzunehmen (Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 81 Rz 13). Auch außerhalb des Prozesses abgegebene Erklärungen können von der Prozeßvollmacht gedeckt sein, wenn die Erklärungen zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinsichtlich eines anhängigen Rechtsstreites abgegeben werden (BAG, aaO; BGHZ 31, 206, 209, 210; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 81 Rz 10).
Das trifft vorliegend auch für die Kündigung vom 15. August 1985 zu. Der Kläger hat im ersten Rechtszug ursprünglich beantragt festzustellen, daß zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Damit hat sich der Kläger nicht nur gegen die Unwirksamkeit der ersten von der Beklagten am 13. Mai 1985 ausgesprochenen Kündigung gewandt. Er hat vielmehr den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 1985 hinaus im Rahmen einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO zum Streitgegenstand gemacht. Der Streitgegenstand dieses Feststellungsbegehrens unterscheidet sich wesentlich von dem einer punktuellen Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG. Bei einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist Streitgegenstand die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine konkrete, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem von ihr vorgesehenen Termin. Dagegen ist Streitgegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO, ob ein Arbeitsverhältnis bis zu dem im Klageantrag genannten Termin oder bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz fortbesteht (BAG Urteil vom 21. Januar 1988 - 2 AZR 581/86 - EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 33, zu B II 2 a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Senatsurteil vom 6. September 1979 - 2 AZR 532/77 - zu II der Gründe, nicht veröffentlicht). Bei diesem gegenüber der Kündigungsschutzklage erweiterten Streitgegenstand geht es also nicht nur um die Wirksamkeit einer Kündigung, sondern um die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses im streitbefangenen Zeitraum (Senatsurteil vom 21. Januar 1988, aaO). Auch die weitere Kündigung vom 15. August 1985 betraf den damals anhängigen Feststellungsrechtsstreit, für den die Prozeßvollmacht erteilt worden war. Sie war geeignet, den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses zu beeinflussen, weil dem Feststellungsbegehren des Klägers bei Wirksamkeit der zweiten Kündigung nur für die Zeit bis zum 30. September 1985 hätte entsprochen werden können.
b) Der vom Kläger selbst bestimmte erweiterte Streitgegenstand schließt eine Beschränkung der Prozeßvollmacht auf Prozeßhandlungen im Zusammenhang mit der Kündigung vom 13. Mai 1985 aus. Wie aus der Vollmachtsurkunde vom 6. Mai 1985 hervorgeht, war die Vollmacht zudem generell "wegen Kündigung" u.a. "zur Prozeßführung" sowie "zur Begründung und Aufhebung von Vertragsverhältnissen und zur Abgabe von einseitigen Willenserklärungen (z.B. Kündigungen)" erteilt worden. Im übrigen kann die Prozeßvollmacht im Außenverhältnis grundsätzlich nicht beschränkt werden (BGHZ 92, 137, 142). Eine Ausnahme enthält § 83 Abs. 1 ZPO, wonach eine Beschränkung der Prozeßvollmacht dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtlich wirksam ist, als diese Beschränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtsleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs betrifft.
Diese Ausnahmeregelung greift hier aber nicht ein. Da die vorliegende Prozeßvollmacht, aufgrund derer die Kündigung vom 13. Mai 1985 mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO angegriffen wurde, den Prozeßbevollmächtigten des Klägers bevollmächtigt hat, die weitere ebenfalls den Streitgegenstand betreffende Kündigung der Beklagten vom 15. August 1985 entgegenzunehmen, kommt es nicht darauf an, ob und wann die Kündigung dem Kläger selbst zugegangen ist.
2. Mit der zutreffenden Bestimmung des ursprünglichen Streitgegenstandes nicht zu vereinbaren ist die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe die Unwirksamkeit der Kündigung vom 15. August 1985 nicht rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Frist des § 4 Satz 1 KSchG gerichtlich geltend gemacht.
a) Aufgrund der ursprünglich vom Kläger erhobenen Feststellungsklage nach § 256 ZPO war gerichtlich zu klären, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz noch fortbestand. Es war deswegen im ersten Verfahren vor dem Arbeitsgericht, das zunächst durch Urteil vom 15. Januar 1986 abgeschlossen wurde, zu prüfen, ob das Arbeitsverhältnis bis dahin weder durch die Kündigung vom 13. Mai 1985 noch aus einem anderen Grund beendet worden war. Das galt auch für die Kündigung vom 15. August 1985, die von der Beklagten als Einwendung in den Prozeß einzuführen war, um sich gegen die begehrte Feststellung erschöpfend zu wehren.
Die Klage eines gekündigten Arbeitnehmers auf Feststellung, daß sein Arbeitsverhältnis fortbesteht, erfüllt wegen ihrer weitergehenden Wirkung zugleich die Anforderungen, die an eine Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG zu stellen sind. Demzufolge kann sich der Arbeitnehmer im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO auch auf die Unwirksamkeit weiterer Kündigungen berufen, und zwar unabhängig davon, wann sie in den Prozeß eingeführt werden (Senatsurteil vom 21. Januar 1988, aaO, zu B II 2 a und b der Gründe). Zur Begründung hat der Senat im wesentlichen ausgeführt, die Rechtssicherheit und die erforderliche zeitliche Begrenzung der Geltendmachung des Kündigungsschutzes sei genügend gewahrt, wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Frist des § 4 KSchG die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erhebe. In diesem Falle wisse der Arbeitgeber, daß der Arbeitnehmer nicht nur die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung, sondern des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses für den durch den Klageantrag bestimmten Zeitabschnitt begehre. Der Arbeitgeber könne und müsse dann die Tatsachen anführen, die dennoch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in diesem Zeitabschnitt geführt haben sollen. Würde vom Arbeitnehmer darüber hinaus verlangt, trotz seines Feststellungsantrags nach § 256 ZPO jeden weiteren vom Arbeitgeber geltend gemachten Auflösungstatbestand nach § 4 KSchG innerhalb der Frist von drei Wochen gesondert anzugreifen, dann hätte die Wahl der allgemeinen Feststellungsklage keinen Sinn. Die Feststellungsklage habe insbesondere die Funktion, dem Arbeitnehmer das Risiko zu nehmen, daß das Arbeitsverhältnis durch Erklärungen beendet werde, die er weder als Kündigung oder Anfechtung noch als Aufhebungsvertrag verstanden habe, die aber dann später im Prozeß vom Gericht als entsprechende Willenserklärungen ausgelegt würden. Diese Auswirkungen der allgemeinen Feststellungsklage seien die Konsequenz der herrschenden und zutreffenden Auffassung, nach der auch die Unwirksamkeit einer bestimmten einzelnen Kündigung nicht ausschließlich mit einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG geltend zu machen sei, sondern auch eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO ausreiche, um die Heilung der Sozialwidrigkeit nach § 7 KSchG zu verhindern (Senatsurteil vom 21. Januar 1988, aaO, zu B II 2 b und c der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Es diene nicht nur dem Schutzbedürfnis des gekündigten Arbeitnehmers, sondern vor allem der Rechtsklarheit im Kündigungsschutzprozeß, den Feststellungsantrag nach § 256 ZPO auf alle Kündigungen zu erstrecken, die seinen jeweiligen Streitgegenstand beträfen (Senatsurteil vom 21. Januar 1988, aaO, zu B II 2 d der Gründe). An dieser Würdigung hält der Senat fest.
b) Die vorstehenden Grundsätze greifen auch vorliegend zugunsten des Klägers ein.
Sie sind entgegen der Auslegung der Begründung durch die Beklagte nicht auf die Fälle zu beschränken, mit denen der Senat im Urteil vom 21. Januar 1988 (aaO, zu B II 2 b der Gründe) "insbesondere" die Funktion der Feststellungsklage nach § 256 ZPO beschrieben hat (unerkannte spätere Beendigungsgründe). Da die Feststellungsklage die Kündigungsschutzklage ersetzt, ist das nach § 256 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse regelmäßig bereits aus diesem Grunde anzuerkennen und nicht nur bei besonderen Fallgestaltungen. Das von der Beklagten zu Unrecht vermißte Feststellungsinteresse war vorliegend darüber hinaus auch deswegen gegeben, weil der Kläger nicht nur das Fehlen von Kündigungsgründen, sondern primär den fehlenden Zugang der Kündigungen gerügt hat. Es war aus seiner Sicht deswegen naheliegend, zunächst keine Kündigungsschutzklage zu erheben, die zumindest hilfsweise die Unterstellung einer wirksam zugegangenen Kündigung voraussetzt.
Daraus folgt allerdings nicht die irrtümliche Annahme des Landesarbeitsgerichts im ersten Berufungsurteil vom 31. Juli 1986, aufgrund einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO sei die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 1 KSchG nicht überprüfbar, wenn bereits deren Zugang streitig sei. Diese Auffassung beruht - unabhängig vom Grundsatzurteil vom 21. Januar 1988 - auf der Verkennung des Streitgegenstandes einer Feststellungsklage und der Erheblichkeit von Beendigungstatbeständen während des streitbefangenen Endzeitraumes.
c) Wie aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt folgt, hat der Kläger auch die Kündigung vom 15. August 1985 unter Wahrung der Frist des § 4 KSchG zunächst mit einer zulässigen Feststellungsklage nach § 256 ZPO angegriffen, weil der Streitgegenstand dieser Klage schon zum Zeitpunkt der ersten arbeitsgerichtlichen Entscheidung zeitlich über den mit dieser Kündigung beabsichtigten Beendigungszeitpunkt (30. September 1985) hinausgereicht hat. In zulässiger Einschränkung seines Antrages und des Streitgegenstandes nach § 264 Nr. 2 ZPO macht der Kläger nunmehr die Unwirksamkeit dieser Kündigung nicht mehr mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO, sondern nach § 4 KSchG geltend. Die Fassung seines Antrages (... "Arbeitsverhältnis ... durch die Kündigung vom 15. August nicht aufgelöst ..., so daß es fortbesteht ...") läßt nicht die Auslegung zu, daß er beide möglichen Klagen miteinander verbunden hat. Die Feststellung des Fortbestandes wird vielmehr nur deklaratorisch als Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt, die als einziger Beendigungsgrund zwischen den Parteien streitig ist. Der Senat brauchte deswegen nicht zu prüfen, ob für die Fortsetzung der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO neben der speziellen Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
III. Da das Landesarbeitsgericht die für die Kündigung vom 15. August 1985 maßgebenden Gründe nicht behandelt hat, bedarf es insoweit noch einer tatrichterlichen Würdigung. Zu diesem Zwecke war der Rechtsstreit nach § 565 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Hillebrecht - Triebfürst
zugleich für den durch Dienstbe-
freiung an der Unterschrift ver-
hinderten Richter Ascheid
Brocksiepe Dr. Bobke
Fundstellen