Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatz für unverfallbare Versicherungsanwartschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Widerruft ein Arbeitgeber das Bezugsrecht aus einem Lebensversicherungsvertrag, weil das Arbeitsverhältnis mit dem begünstigten Arbeitnehmer geendet hat, und war die entsprechende Versorgungsanwartschaft bereits unverfallbar, so kann der Arbeitnehmer Schadenersatz verlangen.
2. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution muß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine beitragsfreie Versicherungsanwartschaft verschaffen, deren Wert dem widerrufenen Bezugsrecht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entspricht.
Normenkette
TVG § 4; ZPO § 561; VVG § 166; BGB § 249; ZPO § 322; BauRTV § 16; BetrAVG § 1; ZPO § 554 Abs. 3; BetrAVG § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 29.08.1985; Aktenzeichen 4 Sa 260/85) |
ArbG Trier (Entscheidung vom 25.01.1985; Aktenzeichen 1 Ca 761/82) |
Tatbestand
Der im Jahre 1935 geborene Kläger war vom 5. April 1971 bis zum 9. November 1978 bei der G GmbH beschäftigt. Diese gewährt unter Ausschluß des Rechtsanspruchs Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch die G F GmbH. Begünstigt sind alle Arbeitnehmer des Trägerunternehmens bei Eintritt eines Versorgungsfalles, wenn sie nach Vollendung des 21. Lebensjahres mindestens zehn Jahre ununterbrochen in dessen Diensten gestanden haben. Versorgungsfall ist die Dienstunfähigkeit oder das Erreichen der Altersgrenze. Das monatliche Ruhegeld beträgt für Arbeiter nach Vollendung der Wartezeit 60,-- DM und steigt für jedes weitere Dienstjahr um 5,-- DM. Dem Kläger teilte die Versorgungseinrichtung nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit, daß er keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben habe, weil Versorgungszusage und Beschäftigung nur rd. 7,5 Jahre bestanden hätten.
Am 1. Dezember 1978 trat der Kläger als Isolierer in die Dienste der Beklagten, deren Geschäftsführer ein ehemaliger Abteilungsleiter der G GmbH war. In Ziff. 4 des Arbeitsvertrages vom 20. Oktober 1978 heißt es:
"Altersversorgung wird auf der bisherigen Basis weitergeführt."
Am 19. Dezember 1979 schloß die Beklagte mit dem G Konzern eine Erlebens- und Todesfallversicherung über eine Versicherungssumme von 14.500,-- DM und eine Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung über eine Berufsunfähigkeitsrente von jährlich 10 % der im Versicherungsschein genannten Lebensversicherung. Bezugsberechtigter der Versicherung war der Kläger; das Bezugsrecht war gemäß einer Anlage zum Lebens- und Rentenversicherungsantrag unwiderruflich. Die Versicherung begann am 1. Januar 1979 und sollte am 1. Januar 2000 fällig werden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete mit dem 31. Dezember 1981. Daraufhin bestimmte die Beklagte einen anderen Arbeitnehmer als Bezugsberechtigten der genannten Erlebens- und Todesfallversicherung. In der Folgezeit kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über die Versorgung und Restlohnansprüche des Klägers und über Ansprüche der Beklagten wegen angeblicher Vergütungsüberzahlungen.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihn und mehrere andere Arbeitnehmer bei der G GmbH abgeworben. Von Anfang an habe er darauf bestanden, daß er nur dann die Stelle wechsele, wenn er sich nicht verschlechtere, insbesondere seine Rechte aus der betrieblichen Altersversorgung aufrechterhalten würden. Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihm zugesichert, daß er über gute Beziehungen zum Gerling Konzern verfüge und die bei der G GmbH erworbenen Rechte dort übernommen und weitergeführt würden.
Am 11. Juni 1982 erhob der Kläger Klage auf Zahlung von Restlohn. Darüber hinaus hat er beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, ihm denjenigen Schaden zu ersetzen, der
ihm daraus entstehe, daß eine bei seiner früheren
Arbeitgeberin bestehende betriebliche
Zusatzversorgung nicht fortgeführt worden
sei,
hilfsweise
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, ihm denjenigen Schaden zu ersetzen, der
ihm daraus entstehe, daß entgegen der Zusage
der Beklagten eine spätestens mit Ablauf des
Jahres 1981 fällige Lebensversicherung über
eine Kapitalsumme von 20.000,-- DM nicht abgeschlossen
worden sei bzw. jedenfalls nicht
zu diesem Zeitpunkt fällig geworden sei.
Das Arbeitsgericht Trier gab dem Hauptantrag des Klägers statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 24. Mai 1984 diesen Hauptantrag ab. In den Entscheidungsgründen vertrat es die Auffassung, daß der behauptete Versorgungsschaden nicht erwachsen sei: der Kläger habe einen Erfüllungsanspruch darauf, daß seine versicherungsvertragliche Rechtsstellung wiederhergestellt werde. Das Urteil wurde den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 20. Juli 1984 zugestellt. Diese forderten in der Folgezeit die Beklagte auf, eine Direktversicherung entsprechend der Versorgungszusage abzuschließen. Als die Beklagte sich nicht äußerte, erhob der Kläger am 24. Oktober 1984 eine weitere Klage beim Arbeitsgericht Trier (1 Ca 1843/84). Am 13. November 1984 änderte er den noch anhängigen Hilfsantrag in der Weise, daß er dieselben Anträge stellte wie in seiner neu eingereichten Klage. Auf einen Hinweis des Arbeitsgerichts, daß der neuen Klage der Einwand der Rechtshängigkeit entgegenstehe, nahm er diese am 8. Januar 1985 zurück.
Der Kläger hat seinen Vortrag dahin ergänzt, daß die Beklagte ihm Anrechnung der Vordienstzeit bei der G GmbH zugesagt habe. Seine Versorgungsansprüche seien auch nicht wegen Ablaufs einer tariflichen Ausschlußfrist erloschen. Er könne nicht ausschließen, daß auf sein Arbeitsverhältnis der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe anzuwenden sei. Dieser sehe zwar Ausschlußfristen vor, aber Ansprüche auf Verschaffung einer Altersversorgung würden davon nicht erfaßt. Im übrigen habe er die Ausschlußfristen gewahrt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, zugunsten des
Klägers eine Direktversicherung bei der Gerling
Konzern, Friedrich-Wilhelm-Lebensversicherungs
AG, entsprechend der ursprünglich
dort zugunsten des Klägers bestehenden Versicherung,
VS-Nr. , Tarif K 12 BR
(10 %), die folgendes beinhaltet, abzuschließen:
1.1
Fälligkeit der Versicherungsleistung im vorzeitigen
Todesfall, spätestens bei Ablauf
der Versicherungsdauer;
1.2
Beitragsbefreiung im Falle der Berufsunfähigkeit
und Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente
in Höhe von 10 % der Versicherungssumme;
1.3
alle Leistungen sind bei Zahlung der ersten
Prämie in voller Höhe versichert. Sie erhöhen
sich noch um die Gewinnanteile,
hilfsweise
zugunsten des Klägers eine Direktversicherung
abzuschließen, die berücksichtigt, daß der Kläger
unter Anrechnung der bei der Firma G
erbrachten Vorzeiten am 4.
April 1981, also noch während des bestehenden
Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten, eine unverfallbare
Anwartschaft gegenüber der Beklagten
erworben hat - entsprechend den Feststellungen
des Urteils des Landesarbeitsgerichts
Rheinland-Pfalz, 4 Sa 795/83 -.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, dem Kläger die Anrechnung von Vordienstzeiten zugesagt zu haben. Der Kläger sei in ihre Dienste getreten, weil er weniger Montagearbeiten habe leisten wollen. Ursprünglich sei vereinbart gewesen, zugunsten des Klägers eine Erlebens- und Todesfallversicherung über eine Versicherungssumme von 20.000,-- DM abzuschließen. Die Versicherungssumme sei nach den Leistungen bemessen worden, die der Kläger bei Erreichen der Altersgrenze durch die G F GmbH erhalten hätte. Da der Kläger aber wiederholt krank wurde, sei die Erlebens- und Todesfallversicherung auf 14.500,-- DM herabgesetzt und stattdessen eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen worden. Die Jahresprämie von 937,-- DM habe von vornherein festgestanden. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die versicherungsförmige Versorgungsanwartschaft des Klägers verfallen. Zumindest seien etwaige Versorgungsansprüche infolge Ablaufs der tariflichen Verfallfrist erloschen, weil sie nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien. Sie seien außerdem verjährt und verwirkt, im übrigen bereits durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 24. Mai 1984 rechtskräftig abgewiesen worden.
Das Arbeitsgericht hat Haupt- und Hilfsantrag des Klägers abgewiesen. Auf dessen Berufung hat das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Dem Landesarbeitsgericht ist allerdings darin zu folgen, daß der Kläger Wiederherstellung eines unverfallbaren Bezugsrechts aus einer Erlebens- und Todesfallversicherung nebst einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung verlangen kann. Aber Art und Höhe dieses Bezugsrechts muß das Landesarbeitsgericht noch klären.
I. Die Beklagte irrt, soweit sie die Auffassung vertritt, dem Kläger seien die streitbefangenen Ansprüche in einem früheren Rechtsstreit rechtskräftig aberkannt worden. Nach § 322 Abs. 1 ZP0 sind Urteile der Rechtskraft nur insoweit fähig, wie über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden ist. Der prozessuale Anspruch wird bestimmt durch den Klageantrag und den zur Begründung vorgetragenen Sachverhalt (Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZP0, 45. Aufl., § 253 Anm. 4, mit weiteren Nachweisen). Die Streitgegenstände im Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 24. Mai 1984 und im jetzt angegriffenen Urteil sind jedoch nicht die gleichen. Im ersten Teilurteil hat das Landesarbeitsgericht über behauptete Schadenersatzansprüche befunden, die daraus entstanden sein sollten, daß die Beklagte die betriebliche Altersversorgung der G GmbH nicht fortgeführt hat. Im angegriffenen Urteil steht ein Schadenersatzanspruch zur Entscheidung, der wegen des Widerrufs des Bezugsrechts aus einer bestimmten Lebensversicherung entstanden sein soll. Zwischen beiden Streitgegenständen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang.
II. Die Beklagte ist dem Kläger zum Schadenersatz verpflichtet, weil sie dessen Bezugsrecht aus der bei dem Gerling Konzern abgeschlossenen Versicherung widerrufen hat.
1. Nach Nr. 4 des Arbeitsvertrages vom 20. Oktober 1978 hat die Beklagte die Verpflichtung übernommen, die Altersversorgung des Klägers auf der bisherigen Basis weiterzuführen. Bei der G GmbH hatte der Kläger einen Anspruch auf Versorgung durch eine betriebliche Unterstützungskasse. Die Weiterführung dieser Versorgung war unmöglich, weil Versorgungsberechtigte der Unterstützungskasse nur Mitarbeiter der G GmbH sein können. In Erfüllung des Versorgungsversprechens hat die Beklagte vereinbarungsgemäß beim Gerling Konzern eine Erlebens- und Todesfallversicherung nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen, aus der der Kläger bezugsberechtigt war.
2. Die Beklagte war nicht berechtigt, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das versicherungsvertragliche Bezugsrecht des Klägers zu widerrufen.
a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war in dem Versicherungsvertrag mit dem Gerling Konzern vereinbart, daß der Kläger "unwiderruflich gemäß Anlage zum Lebens-/Rentenversicherungsantrag vom 19. Dezember 1979" bezugsberechtigt ist. Nach § 166 Abs. 1 VVG ist bei einer Kapital- (Lebens-)versicherung im Zweifel anzunehmen, daß dem Versicherungsnehmer die Befugnis vorbehalten ist, ohne Zustimmung des Versicherungsunternehmens einen Dritten als Bezugsberechtigten zu bezeichnen sowie an die Stelle des so bezeichneten Dritten einen anderen zu setzen. Dieses Recht wird nach § 14 der im Versicherungsvertrag in Bezug genommenen allgemeinen Versicherungsbedingungen dann beseitigt, wenn der Versicherer einen entsprechenden Antrag des Versicherungsnehmers angenommen und schriftlich bestätigt hat, daß der Widerruf ausgeschlossen ist. In diesen Fällen ist die Verfügung des Versicherungsnehmers über das Bezugsrecht unwirksam. Ob danach der Widerruf des Bezugsrechts im vorliegenden Fall versicherungsvertraglich wirksam war, ist vom Landesarbeitsgericht nicht geprüft worden. Das war auch nicht erforderlich, weil sich der Kläger darauf nicht berufen hat. Die Parteien streiten nur darum, ob und inwieweit zwingende Grundsätze des Betriebsrentengesetzes dem Widerruf des versicherungsvertraglichen Bezugsrechts entgegenstehen.
b) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG darf der Arbeitgeber das Bezugsrecht nicht mehr widerrufen, wenn er für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers abgeschlossen hat, der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen bezugsberechtigt sind und die Versorgungsanwartschaft unverfallbar geworden ist. Eine Versorgungsanwartschaft wird nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG unverfallbar, wenn der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 35. Lebensjahr vollendet hat und die Versorgungszusage für ihn mindestens zehn Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für ihn mindestens drei Jahre bestanden hat.
Der 1935 geborene Kläger war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1981 älter als 35 Jahre. Bei der Beklagten war er allerdings nur 3 1/4 Jahre beschäftigt. Die Versorgungsanwartschaft ist jedoch gleichwohl unverfallbar geworden, weil sich die Beklagte verpflichtet hat, die Versorgungsverpflichtungen der G GmbH fortzuführen und auch die entsprechende Betriebszugehörigkeit anzurechnen.
c) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Bestimmung in dem Arbeitsvertrag vom 20. Oktober 1978, nach der die Altersversorgung auf der bisherigen Basis weitergeführt werde, nicht nur den Inhalt der Versorgungszusage betrifft, sondern auch die Frage der Unverfallbarkeit. Sie sei dahin auszulegen, daß Betriebszugehörigkeit und Versorgungsdauer bei der früheren Arbeitgeberin des Klägers angerechnet werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Vertrages und den Begleitumständen, über die Beweis erhoben wurde.
Gegen diese Auslegung hat die Beklagte rechtserhebliche Revisionsrügen nicht vorgebracht (§ 554 Abs. 3 ZP0). Die umstrittene Vertragsbestimmung ist in einem Einzelvertrag enthalten und unterliegt nur der beschränkten Nachprüfung, ob die Auslegung möglich und rechtsfehlerfrei begründet ist und ob der gesamte Sachverhalt berücksichtigt und widerspruchsfrei gewürdigt wurde. Insoweit hat die Beklagte Rechtsfehler nicht dargetan (§ 554 Abs. 3 ZP0). Sie will bei dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt lediglich eine Auslegung durchsetzen, wonach Vordienstzeiten nicht angerechnet wurden. Dabei leugnet sie selbst nicht, daß die umstrittene Vertragsbestimmung den Zweck verfolgte, den Kläger in seiner Versorgung nicht schlechterzustellen, als er bei der G GmbH stand. Wenn das Landesarbeitsgericht daraus schließt, daß auch die Anrechnung von Vordienstzeiten gewollt war, und zwar nicht nur bei der Bemessung der Höhe der Versorgungsleistungen, kann das revisionsrechtlich nicht beanstandet werden. Die Anrechnung führt dazu, daß dem Kläger eine vertraglich unverfallbare Versorgungsanwartschaft zugestanden werden muß, weil er über eine ruhegeldfähige Betriebszugehörigkeit von elf Jahren und zehn Monaten verfügt.
3. Der Widerruf der vertraglich unverfallbaren Versorgungsanwartschaft verpflichtet die Beklagte zum Schadenersatz. Die Höhe des ersatzpflichtigen Schadens ergibt sich aus § 2 Abs. 2 BetrAVG.
a) Ist eine Partei wegen Verletzung vertraglicher Pflichten zum Schadenersatz verpflichtet, so hat sie den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Satz 1 BGB). Dieser Grundsatz der Naturalrestitution gilt auch dann, wenn ein Arbeitgeber eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft widerruft, soweit deren Wiederherstellung möglich erscheint (Blomeyer/Otto, BetrAVG, § 1 Rz 257, 258; Heubeck/Höhne u.a., BetrAVG, 2. Aufl. 1982, § 1 Rz 319; Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl. 1984, § 1 Rz 190). Hieraus folgt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein Bezugsrecht aus einer Erlebens- und Todesfallversicherung nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu verschaffen. Dies kann dadurch geschehen, daß entweder die Rechte aus dem ursprünglichen Versicherungsvertrag erneut auf den Kläger übertragen werden oder daß ein neuer Versicherungsvertrag mit einem gleichartigen Bezugsrecht abgeschlossen wird.
b) Das Landesarbeitsgericht hat das richtig erkannt. Es hat aber übersehen, daß mit dieser Feststellung noch nichts darüber gesagt ist, welchen Wert das ersatzweise zu begründende Bezugsrecht haben muß. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Versicherungsvertrag im ursprünglichen Umfang wiederherzustellen und die Prämie hierfür auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterzuzahlen. Sie hat den Kläger lediglich so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn sie nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 2 BetrAVG verfahren wäre. In diesem Falle hätten dem Kläger jedoch aus dem Versicherungsvertrag nur Ansprüche in Höhe der angesparten Versicherungsleistungen und Überschußanteile zugestanden; darüber hinaus hätte er möglicherweise einen Ergänzungsanspruch gegen die Beklagte erworben.
In § 2 Abs. 2 BetrAVG ist vorgesehen, daß ein Arbeitnehmer, der mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausscheidet, sein Bezugsrecht aus der Erlebens- und Todesfallversicherung in Höhe der bis dahin angesparten Versicherungsleistung und der auf die Vertragszeit entfallenden Überschußanteile behält (BAG Urteil vom 29. Juli 1986 - 3 AZR 15/85 - DB 1987, 743). Ist der Wert der angesparten Versicherungsleistung geringer als der Wert einer Versorgungsanwartschaft, die erwachsen wäre, wenn der Arbeitgeber selbst die Versorgungsverpflichtung übernommen hätte, so entsteht ein Ergänzungsanspruch in Höhe des Unterschiedsbetrages gegen den Arbeitgeber (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG).
c) Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach seinem Klageantrag bislang nicht geltend gemacht, er könne von der Beklagten einen Ausgleichsbetrag als Ergänzung seiner versicherungsvertraglichen Rechtsstellung verlangen. Das hätte zwar nahegelegen, da die Parteien um die Anrechnung von Vordienstzeiten streiten, aber das Prozeßziel ist ausdrücklich darauf beschränkt, dem Kläger eine versicherungsvertragliche Rechtsstellung zu verschaffen.
Entsprechend dem Hauptantrag des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt, zugunsten des Klägers einen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen, der durch die gleichen Merkmale gekennzeichnet ist wie die Erlebens- und Todesfallversicherung, die beim Gerling Konzern besteht und ursprünglich mit einem Bezugsrecht des Klägers verbunden war. Das Urteil läßt damit wesentliche Streitpunkte ungeklärt. Es bleibt offen, wer die Versicherungsbeiträge aufbringen muß und wie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verfahren ist. In dieser Unbestimmtheit ist das Urteil nicht einmal vollstreckbar gemäß § 887 ZP0. Schon deshalb ist es aufzuheben.
Da der Kläger nur verlangen kann so gestellt zu werden, wie er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gestanden hätte, wenn § 2 Abs. 2 BetrAVG gewahrt worden wäre, muß die Beklagte eine beitragsfreie Versicherungsanwartschaft mit einem Wert begründen, wie ihn die alte Versicherungsanwartschaft am 31. Dezember 1981 erreicht hatte. Dazu fehlen bisher tatrichterliche Feststellungen, so daß eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht geboten ist.
III. Der Kläger hat seinen Anspruch auf Wiederherstellung seiner versicherungsvertraglichen Rechtsstellung nicht dadurch verloren, daß er ihn zu säumig betrieben hätte.
Der Anspruch wird von § 16 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe nicht erfaßt. Hiernach verfallen alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit ihm in Verbindung stehen, innerhalb einer Frist von zwei Monaten, soweit sie nicht zuvor schriftlich geltend gemacht werden. Zweck der tariflichen Ausschlußfrist ist es, stetig entstehende und fällig werdende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und mit diesem in Verbindung stehenden Rechtsbeziehungen schnell abzuwickeln. Der Senat hat daher in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß im allgemeinen Ansprüche, die sich auf das Versorgungsstammrecht beziehen, von tariflichen Ausschlußfristen nicht erfaßt werden (BAG Urteil vom 12. Januar 1974 - 3 AZR 114/73 - AP Nr. 5 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL, zu III der Gründe; Urteil vom 24. Mai 1974 - 3 AZR 422/73 - AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL, zu III der Gründe; Urteil vom 15. Mai 1975 - 3 AZR 257/74 - AP Nr. 7 zu § 242 BGB Ruhegehalt-VBL, zu 5 der Gründe). Lediglich die einzelnen Versorgungsraten müssen innerhalb der Verfallklausel des § 16 BRTV-Bau geltend gemacht werden (BAG Urteil vom 19. Juli 1983 - 3 AZR 250/81 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskasse). Der Kläger verlangt aber die Wiederherstellung seines Stammrechts; Raten sind zur Zeit überhaupt noch nicht fällig.
Für eine Verjährung oder Verwirkung der erhobenen Ansprüche des Klägers bestehen keine Anhaltspunkte.
Dr. Dieterich Griebeling
zugleich für den durch
Krankheit verhinderten
Richter am BAG Schaub
Kunze Seyd
Fundstellen
DB 1988, 507-507 (LT1-2) |
NZA 1988, 159-161 (LT1-2) |
AP § 1 BetrAVG Lebensversicherung (LT1-2), Nr 4 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 197 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 197 (LT1-2) |
EzA § 1 BetrAVG Lebensversicherung, Nr 2 (LT1-2) |
VersR 1988, 255-256 |
VersR 1988, 255-256 (LT1-2) |