Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit. Staatenimmunität. Verzicht bei hoheitlichem Handeln
Orientierungssatz
1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist – vorbehaltlich eines Immunitätsverzichts – ausgeschlossen für Klagen gegen einen ausländischen Staat oder seine Organe, in denen deren hoheitliche Betätigung zur Beurteilung steht. Das ist bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten der Fall, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten in funktionalem Zusammenhang mit diplomatischen und konsularischen Aufgaben stehen.
2. Der beklagte ausländische Staat darf nicht schon im Rahmen einer ihn möglicherweise treffenden primären Darlegungslast gezwungen werden, das ihm eingeräumte Vorrecht aufzugeben, indem er Einzelheiten der behaupteten – hoheitlichen – Tätigkeit preisgeben müsste. Hat er sich auf die Erbringung von Aufgaben berufen, deren funktionaler Zusammenhang mit dem hoheitlichen Aufgabenbereich der Botschaft oder des Konsulats nahe liegt, ist es zunächst an dem klagenden Arbeitnehmer, seine Tätigkeiten zumindest der Art und dem groben Inhalt nach so umfassend darzustellen, dass eine abschließende qualitative und quantitative Beurteilung der ihm übertragenen Aufgaben möglich ist.
3. Die Annahme, der ausländische Staat habe allgemein oder für einen konkreten Rechtsstreit auf seine Immunität verzichtet, unterliegt strengen Anforderungen. Die Umstände des Falles dürfen insoweit keinen Zweifel lassen.
4. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, einen Immunitätsverzicht in einer Regelung „miterklärt” zu sehen, die zunächst nur die internationale Zuständigkeit betrifft. Ein solch konkludenter Immunitätsverzicht lässt sich jedoch dann nicht eindeutig feststellen, wenn die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Beschäftigungsstaates keine ausschließliche sein soll und die Zuständigkeitsregelung nicht lediglich solche Arbeitsverhältnisse betrifft, aufgrund derer typischerweise konsularische oder sonst wie hoheitliche Tätigkeiten verrichtet werden.
Normenkette
GG Art. 25; GVG § 20 Abs. 2; ZPO § 138; Dekret des Präsidenten der Republik Italien vom 5. Januar 1967 Nr. 18 (DPR) Art. 154, 166
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. September 2016 – 11 Sa 406/16 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Die beklagte Partei ist das Außenministerium der Republik Italien. Der Kläger war seit Juli 1982 für das italienische Konsulat in D tätig. Nach dem in italienischer Sprache verfassten Arbeitsvertrag wurde er als Hilfskraft eingestellt, um exekutive Aufgaben zu verrichten. In der Präambel des Arbeitsvertrags sind die Normen des Dekrets des Präsidenten der Republik vom 5. Januar 1967 Nr. 18 (DPR) in Bezug genommen. In einer beglaubigten Übersetzung von Art. 154 DPR heißt es:
„Regelung der Verträge
Die unter dem hiesigen Titel geregelten Verträge sind, wenn sie nicht ausdrücklich anderweitig geregelt worden sind, nach dem Recht am Ort der Beschäftigung geregelt.
Vorbehaltlich der Allgemeinen Bestimmungen des internationalen und konventionellen Rechtes, für etwaige Streitigkeiten bezüglich der Anwendung des vorliegenden Dekretes ist das Gericht am Ort der Beschäftigung zuständig.
…”
Der Kläger wurde im Verlauf des Arbeitsverhältnisses zur Ausübung von Konsularfunktionen bevollmächtigt. Hierzu zählten die Gewährung von Beihilfen und Geldauszahlungen, Maßnahmen im Bereich der Rückführung italienischer Staatsbürger, die Entgegennahme und Übermittlung von Urkunden betreffend Nachlassangelegenheiten, Erhaltungs-, Aufsichts- und Verwaltungsakte sowie die Ausstellung von Bescheinigungen, Beglaubigungen und Legalisierungen. Daneben wurde der Kläger im Jahr 2000 als eigenständig arbeitender Vertragsangestellter ermächtigt, als Abwesenheitsvertreter notarielle Urkunden, Bescheinigungen, Beglaubigungen und Legalisierungen auszustellen sowie das Register der italienischen Staatsangehörigen und das Unterschriftenregister der örtlichen Behörden zu führen. Mit Beschluss aus Januar 2001 wurden dem Kläger weitere Konsularfunktionen übertragen.
Das Arbeitsverhältnis sollte nach einer Vereinbarung aus Mai 2013 am 2. Juli 2015 enden. Mit nicht unterschriebenem Schriftstück vom 4. September 2014 teilte die beklagte Partei dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis werde durch Ministerialdekret „aufgrund (…) des Gesetzesdekretes vom 24. Juni 2014 Nr. 90 umgewandelt durch das Gesetz Nr. 114 vom 11. August 2014” bereits zum 31. Oktober 2014 aufgehoben.
Hiergegen hat der Kläger, der das Schriftstück als Kündigung ansieht, die vorliegende Klage erhoben. Die deutsche Gerichtsbarkeit sei eröffnet. Er habe nur Aufgaben einer konsularischen Hilfskraft verrichtet. Im Übrigen könne sich die beklagte Partei nach Art. 154 DPR nicht auf Staatenimmunität berufen.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 4. September 2014 nicht aufgelöst worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Oktober 2014 hinaus und bis zum Renteneintritt im Juli 2015 fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Endzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt.
Die beklagte Partei hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei fast ausschließlich mit hoheitlichen Tätigkeiten betraut gewesen. Sie habe nicht auf ihre Immunität verzichtet.
Die Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er seine zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klage ist unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die deutsche Gerichtsbarkeit sei für den Rechtsstreit nicht eröffnet. Die beklagte Partei genießt Staatenimmunität und hat auf diese nicht verzichtet.
I. Die beklagte Partei kann für die vorliegende Streitigkeit Staatenimmunität beanspruchen.
1. Nach § 20 Abs. 2 GVG iVm. dem Allgemeinen Völkergewohnheitsrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) sind Staaten und die für sie handelnden Organe (BGH 26. September 1978 – VI ZR 267/76 – zu III der Gründe) der Gerichtsbarkeit anderer Staaten nicht unterworfen, soweit ihre hoheitliche Tätigkeit betroffen ist. Es ist mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus abgeleiteten Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen (EuGH 19. Juli 2012 – C-154/11 – [Mahamdia] Rn. 54), nicht zu vereinbaren, dass ein deutsches Gericht hoheitliches Handeln eines anderen Staates rechtlich überprüft (BVerfG 17. März 2014 – 2 BvR 736/13 – Rn. 20). Demgegenüber besteht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat ausschlösse, in denen seine nicht-hoheitliche Betätigung zur Beurteilung steht (BAG 18. Dezember 2014 – 2 AZR 1004/13 – Rn. 16). Für die Einordnung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten ist vorbehaltlich einer – im Verhältnis zur Republik Italien und ihrer Organe nicht eingreifenden – besonderen Regelung maßgebend, ob die dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben ihrer Art nach hoheitlich oder nicht-hoheitlich sind. Dies wiederum richtet sich nicht nach der Form der Rechtsbeziehung als entweder privatrechtlicher Vertrag oder öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Vielmehr kommt es auf den Inhalt der ausgeübten Tätigkeit und deren funktionalen Zusammenhang mit diplomatischen und konsularischen Aufgaben an (BAG 18. Dezember 2014 – 2 AZR 1004/13 – Rn. 18).
2. Das Landesarbeitsgericht hat in Anwendung dieser Grundsätze ohne Rechtsfehler angenommen, im hiesigen Rechtsstreit stehe hoheitliche Betätigung der Republik Italien zur Überprüfung.
a) Es hat – zusammengefasst – gemeint, der Kläger sei der von der beklagten Partei ausdrücklich aufgestellten Behauptung, er habe konsularische und sonst wie hoheitliche Tätigkeiten entsprechend den von ihr vorgelegten Bevollmächtigungen bzw. Erklärungen tatsächlich und dauerhaft ganz überwiegend verrichtet, nicht in beachtlicher Weise entgegengetreten. Er habe die von ihm an konkreten Arbeitstagen wahrgenommenen Tätigkeiten nicht im Einzelnen beschrieben.
b) Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat weder zu geringe Anforderungen an die Darlegungen der beklagten Partei gestellt noch hat es die Vortragslast des Klägers überspannt.
aa) Die beklagte Partei musste im Rahmen der sie treffenden – unterstellt primären – Darlegungslast keine Urkunden oder Bescheinigungen vorlegen, die der Kläger ausgestellt hat. Eine solche Anforderung hätte dazu geführt, dass sie auf prozessrechtlichem Wege gezwungen worden wäre, das ihr eingeräumte Vorrecht aufzugeben, indem sie Einzelheiten der behaupteten – hoheitlichen – Tätigkeit hätte preisgeben müssen (BAG 18. Dezember 2014 – 2 AZR 1004/13 – Rn. 26).
bb) Der Kläger hat seiner – unterstellt nur sekundären – Darlegungslast nicht genügt. Anstatt bloß beispielhaft auf einen Einsatz als Dienstfahrer und die Verrichtung „anderer einfacher Aufgaben” zu verweisen, hätte er seine Tätigkeiten zumindest der Art und dem groben Inhalt nach umfassend darstellen müssen.
Nur so hätte er eine abschließende qualitative und quantitative gerichtliche Beurteilung der ihm übertragenen Aufgaben ermöglicht.
cc) Es kann dahinstehen, ob entsprechender Vortrag des Klägers entbehrlich gewesen wäre, wenn nach dem Arbeitsvertrag die Zuweisung der von der beklagten Partei behaupteten Tätigkeiten ausgeschlossen gewesen wäre. Dies ist nicht der Fall. Der Kläger ist als Hilfskraft eingestellt worden, um exekutive Aufgaben wahrzunehmen. Zu den exekutiven Aufgaben zählten nach einer Fußnote zum Arbeitsvertrag „Hilfe im Buchhaltungswesen, Verwaltungswesen, Sekretariat, Dolmetschen und Fotokopien”. Zudem behielt der Arbeitsvertrag dem Konsulat das Recht vor, den Kläger „zu anderen Aufgaben zu versetzen oder andere Tätigkeiten für ihn zu bestimmen, als die für die er überwiegend bestimmt wurde”. Auf die Wirksamkeit dieser Klausel kommt es bei der Beurteilung, ob die deutsche Gerichtsbarkeit eröffnet ist, nicht an. Allein maßgeblich ist insofern, dass hoheitliche Tätigkeiten nicht aufgrund eines anderen Arbeitsvertrags übertragen worden sind, als dem, über dessen vorzeitige Beendigung die Parteien streiten.
dd) Danach geht die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe Beweis erheben müssen, fehl. Der unsubstantiierte Klägervortrag bot keine Grundlage für eine Beweisaufnahme. Vielmehr war der Beklagtenvortrag als unstreitig anzusehen (§ 138 ZPO).
II. Der beklagten Partei ist es nicht aufgrund eines Verzichts verwehrt, sich auf die ihr für die vorliegende Streitigkeit zukommende Staatenimmunität zu berufen.
1. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Staat darauf verzichten kann, sich auf seine Immunität zu berufen. Die Annahme eines Immunitätsverzichts unterliegt allerdings strengen Anforderungen. Da eine so weitgehende Selbstentäußerung des ausländischen Staates im Zweifel nicht zu vermuten ist (BGH 30. Januar 2013 – III ZB 40/12 – Rn. 19), dürfen die Umstände des Falles hinsichtlich des Vorliegens und der Reichweite eines Verzichts keinen Zweifel lassen. Dass die Parteien für ihr Arbeitsverhältnis die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben, bedeutet für sich genommen keinen Verzicht auf die Staatenimmunität. Demgegenüber ist es denkbar, ihn in einer Regelung „miterklärt” zu sehen, die zunächst nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Beschäftigungsstaates bestimmt (BAG 18. Dezember 2014 – 2 AZR 1004/13 – Rn. 41 ff.).
2. Danach lässt sich ein Immunitätsverzicht nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit feststellen.
a) Das Prozessverhalten der beklagten Partei gestattet keinen Schluss auf einen solchen. Sie hat sich im Gegenteil stets auf ihre Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit berufen.
b) Den in der Präambel des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen Bestimmungen des DPR lässt sich ein Immunitätsverzicht ebenfalls nicht entnehmen.
aa) Ein Verzicht, sich auf Staatenimmunität zu berufen, folgt nicht allein daraus, dass Art. 154 Abs. 1 DPR für die betreffenden Verträge grundsätzlich die Geltung deutschen Rechts vorsieht. Besondere Umstände, die im Streitfall eine andere Auslegung der Rechtswahlvereinbarung nahe legen, sind weder erkennbar noch von der Revision aufgezeigt. Im Übrigen gilt diese Rechtswahl nur, soweit die Verträge „nicht ausdrücklich anderweitig geregelt worden sind”. Die – vom Kläger angenommene – Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch „Kündigung” aus bestimmten Gründen ist indes in Art. 166 DPR ausdrücklich vorgesehen.
bb) Ein Wille der Republik Italien, für sich und ihre Organe auf Staatenimmunität zu verzichten, tritt auch nicht dadurch zweifelsfrei zu Tage, dass Art. 154 Abs. 2 DPR die Zuständigkeit der Gerichte des Beschäftigungsstaates vorsieht. Deren Zuständigkeit steht unter dem Vorbehalt „der Allgemeinen Bestimmungen des internationalen und konventionellen Rechtes”. Es kann dahinstehen, ob dieser Vorbehalt die Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts in Bezug auf die hoheitliche Tätigkeit eines Staates umfasst und schon deshalb ein konkludenter Immunitätsverzicht ausscheidet. Jedenfalls lässt sich ein solcher nicht zweifelsfrei feststellen. Zum einen werden Arbeitnehmer, die hoheitliche Aufgaben verrichten, ohne einen Verzicht auf Staatenimmunität nicht rechtschutzlos gestellt. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte „am Ort der Beschäftigung” ist keine ausschließliche (Kassationshof der Republik Italien Großer Zivilsenat 28. November 2011 Nr. 29093). Mit hoheitlichen Aufgaben betraute Arbeitnehmer können deshalb ggf. die italienischen Gerichte anrufen. Zum anderen muss ein Immunitätsverzicht in Art. 154 Abs. 2 DPR nicht denknotwendig deshalb „miterklärt” sein, weil andernfalls die Bestimmung der Zuständigkeit ausländischer Gerichte leer liefe. Es ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der betreffende Titel VI des DPR ausschließlich die Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern regelte, denen typischerweise konsularische oder sonst wie hoheitliche Aufgaben übertragen werden. Vielmehr sind von ihm die Vertragsverhältnisse sämtlicher Bediensteten von italienischen Konsulaten und italienischen Kultureinrichtungen im Ausland erfasst. Damit sind auch Arbeitsverhältnisse betroffen, hinsichtlich derer die Republik Italien sich von vornherein nicht auf Staatenimmunität berufen kann und in denen die Gerichtsbarkeit des Beschäftigungsstaates eröffnet ist, ohne dass hierfür ein Immunitätsverzicht erforderlich wäre.
cc) Es tritt hinzu, dass Art. 154 DPR die Zuständigkeit der Gerichte des Beschäftigungsstaates nur für Streitigkeiten „bezüglich der Anwendung des vorliegenden Dekrets” anerkennt. Das mag die Beendigung eines dem DPR unterliegenden Arbeitsverhältnisses durch eine – als solche unstreitig erklärte – Kündigung gemäß Art. 166 DPR einschließen. Die Klageanträge zu 1. und 2. werfen hingegen die Frage auf, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vielmehr durch Ministerialdekret in Umsetzung eines dem DPR nachfolgenden Gesetzes vorzeitig aufgelöst worden ist. Der Klageantrag zu 3. soll allein dann anfallen, wenn die deutschen Gerichte eine Entscheidung über das im Zeugnis anzugebende Beendigungsdatum getroffen haben.
Unterschriften
Koch, Rachor, Niemann, Koltze, Gerschermann
Fundstellen
Haufe-Index 11128183 |
BB 2017, 2035 |