Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Anfechtung des Arbeitsvertrages. Nettoklage
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein zunächst aktualisierter, dann aber aus irgendwelchen Gründen wieder außer Funktion gesetzter Arbeitsvertrag später wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten, so wirkt diese Anfechtung auf den Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung des Arbeitsvertrages zurück (im Anschluß an das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Zweiten Senats vom 16. September 1982 – 2 AZR 228/80 –). Ob eine solche Rückwirkung auch bei einer Irrtumsanfechtung eintritt, bleibt offen.
2. Zur Zulässigkeit einer Nettogehaltsklage bei vereinbartem Bruttogehalt.
Normenkette
BGB § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1; ZPO § 253
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 23.11.1982; Aktenzeichen 3 Sa 38/82) |
ArbG Berlin (Urteil vom 19.03.1982; Aktenzeichen 1 Ca 338/80) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 23. November 1982 – 3 Sa 38/82 – teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. März 1982 – 1 Ca 338/80 – wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,59 DM netto nebst 4% Zinsen seit dem 1. Juli 1981 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger fordert Gehalt aus den Jahren 1980 und 1981 im wesentlichen aus Annahmeverzug.
Der Kläger wurde von der Beklagten am 23. April 1979 als kaufmännischer Angestellter zu einem Monatsgehalt von 2.000,– DM brutto eingestellt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 2. Juni, am 3. Oktober und am 14. November 1980 jeweils fristlos. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat durch rechtskräftige Urteile vom 27. August 1980 (8 Sa 85/80) und vom 8. Januar 1982 (11 Sa 64/81) festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigungen nicht aufgelöst worden ist.
Mit Schreiben vom 10. März 1982, das dem Kläger am selben Tag zuging, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Kläger hatte vor Abschluß des schriftlichen Arbeitsvertrages im April 1979 die ihm in einem vorgedruckten Fragebogen gestellte Frage: „Haben Sie Teile ihres derzeitigen oder künftigen Arbeitsentgeltes abgetreten?” wahrheitswidrig mit „nein” beantwortet. Tatsächlich hatte der Kläger seine künftigen Ansprüche auf Gehalt an eine Sparkasse und eine Bank abgetreten und die zugrundeliegenden Forderungen noch nicht beglichen. Der schriftliche Anstellungsvertrag vom 2. Mai 1979 enthält in seinem § 3 die Bestimmung: „Gehaltsabtretungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitgebers”. Auch nach Beginn des Arbeitsverhältnisses trat der Kläger ohne Zustimmung der Beklagten Gehaltsansprüche ab. In einem Vorprozeß hat der Kläger beantragt festzustellen, daß die mit Schreiben vom 10. März 1982 ausgesprochene Anfechtung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist. Diesen Antrag hat das Landesarbeitsgericht Berlin mit rechtskräftigem Urteil vom 5. August 1982 (4 Sa 45/82) als unbegründet zurückgewiesen, weil das Arbeitsverhältnis durch die Anfechtung am 10. März 1982 aufgelöst worden sei.
Der Kläger, der seit dem 22. Mai 1980 nicht mehr für die Beklagte gearbeitet hat, war vom 22. Mai bis zum 17. August 1980 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte hat letztmalig für Mai 1980 Gehalt abgerechnet und dabei 400,– DM brutto abgezogen. Der Kläger nimmt die Beklagte jetzt wegen restlichen Gehalts für Mai 1980 nach § 611 BGB in Anspruch und fordert Gehalt für die Zeit vom 18. August 1980 bis zum 26. Juli 1981 nach §§ 615 und 616 Abs. 2 BGB, 63 HGB, ferner Weihnachtsgratifikation und Urlaubsabgeltung. Er macht nur Nettolohnansprüche geltend: für Mai 1980 250,59 DM, für den Zeitraum vom 18. bis 31. August 1980 555,03 DM netto, für die vier Monate von September bis Dezember 1980 4 × 1.387,58 DM netto = 5.550,32 DM netto, wobei er monatliche Abzüge vom Bruttogehalt in Höhe von 612,42 DM zugrundegelegt hat (Lohnsteuer 288,30 DM, Krankenversicherung 114,04 DM, Rentenversicherung 180,07 DM, Arbeitslosenversicherung 30,01 DM). Ab Januar 1981 habe sein Bruttomonatsgehalt 2.100,– DM betragen, davon seien 307,10 DM Lohnsteuer und 345,45 DM Sozialabgaben abzuziehen. Für den Zeitraum von Januar bis Juni 1981 verlangt der Kläger daher 6 × 1.447,45 DM netto = 8.684,70 DM netto und für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 26. Juli 1981 1.192,32 DM netto, nachdem er vom 3. Juli bis zum 26. Juli 1981 arbeitsunfähig krank war. Schließlich hat er noch für 1980 1.416,64 DM Urlaubsabgeltung, 440,– DM netto Urlaubsgeld und eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 1.046,39 DM netto eingeklagt. Unter Berücksichtigung von im Anspruchszeitraum erhaltenem Arbeitslosengeld in Höhe von 4.213,30 DM hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14.893,60 DM nebst 15,75% Zinsen auf 1.387,50 DM netto ab 1. Januar 1981, auf je 1.447,45 DM netto ab 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni und 1. Juli 1981 sowie auf 4.821,32 DM netto ab 1. August 1981 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, der Kläger habe die Höhe der geltend gemachten Nettogehälter nicht ausreichend begründet. Sein Zahlungsverlangen sei aufgrund der arglistigen Täuschung und der rechtswirksamen Anfechtung arglistig. Auch habe er mit Schwarzarbeit mindestens 900,– DM monatlich verdient und es böswillig unterlassen, eine andere zumutbare Arbeit anzunehmen.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger die geltend gemachten Gehaltsansprüche in Höhe von 11.987,57 DM netto nebst 4% Zinsen zuerkannt; die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung, Urlaubsgeld und Weihnachtsgratifikation in Höhe von zusammen 2.903,03 DM und die weitergehende Zinsforderung hat es als unbegründet abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Abweisung der Klage wegen des Betrags von 2.903,03 DM bestätigt, die Gehaltsansprüche für Mai bis Dezember 1980 ganz, für den Zeitraum von Januar 1981 bis Juni 1981 in Höhe von 8.325,48 DM netto (6 × 1.387,58 DM netto) und für den Zeitraum vom 1. Juli bis 26. Juli 1981 in Höhe von 1.163,11 DM für begründet erachtet. Es hat von dem Gesamtbetrag (15.844,53 DM netto) unstreitige Sozialleistungen mit 8.122,35 DM abgesetzt, der Klage daher nur in Höhe von 7.722,18 DM netto nebst 4% Zinsen seit dem 1. Juli 1981 stattgegeben.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel vollständiger Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat bis auf einen geringen Betrag Erfolg.
I. Die Revision ist zulässig.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nur für die Beklagte zugelassen. Darin liegt eine eingeschränkte Zulassung der Revision, die nach § 72 Abs. 1, 2 ArbGG keinen Bedenken begegnet. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz unterlegen ist, handelt es sich um selbständige Streitgegenstände (Urlaubsabgeltung, Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation) oder jedenfalls um tatsächlich und rechtlich selbständige und abtrennbare Teile des Gesamtstreitstoffes (Frage der Gehaltserhöhung ab dem 1. Januar 1981, Anrechnung der öffentlich-rechtlichen Leistungen nach § 11 Nr. 3 KSchG). Der übrige Urteilsausspruch hängt in seinem rechtlichen Bestand von jener Entscheidung zu Lasten des Klägers nicht ab (vgl. Senatsurteil BAG 39, 112 = AP Nr. 8 zu § 12 SchwbG; BAG 40, 250 = AP Nr. 1 zu § 72 ArbGG 1979).
II. Die Revision der Beklagten ist bis auf den vom Kläger für Mai 1980 geforderten restlichen Gehaltsbetrag von 250,59 DM netto begründet. Die weiter noch eingeklagten Gehaltsansprüche für die Zeit vom 18. August 1980 bis zum 26. Juli 1981 stehen dem Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht zu.
1. Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizupflichten, daß die auf Zahlung eines Nettobetrages vom Bruttoarbeitsentgelt gerichtete Klage prozessual zulässig ist. Das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO steht der Klage nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift muß die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Es darf keine Ungewißheit über die Identität des Rechtsverhältnisses und über den Umfang des begehrten Anspruchs bestehen. Der Leistungskläger muß die Leistung so genau bezeichnen, daß der Beklagte sein Risiko erkennen, und sich demgemäß erschöpfend verteidigen kann, daß ferner das entsprechende Urteil die Grenzen der Rechtskraft eindeutig erkennen läßt und daß es deshalb für die Zwangsvollstreckung klar ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 42. Aufl. 1984, § 253 Anm. 4 A, 5 B). Die früher streitige Frage, ob diese Voraussetzungen bei der auf Zahlung eines Bruttobetrages gerichteten Klage erfüllt sind, ist vom Bundesarbeitsgericht bejaht worden (BAG 15, 220, 227 f. = AP Nr. 20 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte, zu 3 der Gründe). Für die auf einen Nettolohn gerichtete Klage werden Bedenken daraus hergeleitet, daß die Höhe der Lohnsteuer und damit der Nettolohnanspruch für das Gericht nicht feststellbar sei, weil sich der Betrag der vom Arbeitnehmer geschuldeten Lohnsteuer nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Auszahlung bestimme; die Nettolohnklage sei deshalb nur zulässig, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers allein auf einen Nettobetrag gerichtet sei (LAG München, Urteil vom 21. August 1979 – 4 Sa 470/79 – DB 1980, 886 f.; Berkowsky, BB 1982, 1120, 1121).
Diese Bedenken greifen jedenfalls dann nicht durch, wenn es sich bei dem eingeklagten Nettobetrag um laufendes Arbeitsentgelt handelt. Das ist bei den in die Revisionsinstanz gelangten Ansprüchen des Klägers der Fall. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch laufende Gehaltsansprüche. Bei laufendem Arbeitsentgelt ergeben sich die angeführten steuerlichen Ungewißheiten nicht. Zwar entsteht die Lohnsteuer nach § 38 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Jedoch bemißt sich die Jahreslohnsteuer nach dem Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezieht; dabei gilt laufender Arbeitslohn in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum, also der Zeitraum, für den der laufende Arbeitslohn gezahlt wird, endet (§ 38a Abs. 1 EStG). Nach § 39b Abs. 2 EStG sind die auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Verhältnisse des Lohnzahlungszeitraums für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn maßgebend. Demnach läßt sich der Nettolohn jedenfalls bei dem hier allein in Rede stehenden laufenden Arbeitslohn ohne weiteres bestimmen. Der Arbeitgeber, der mit einer Nettolohnzahlung in Verzug ist, kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Lohnsteuer wegen § 39c Abs. 1 EStG möglicherweise nach der Steuerklasse VI zu ermitteln sei, weil die Lohnsteuerkarte in dem späteren Zahlungszeitpunkt (vielleicht) nicht mehr vorliege. Vielmehr kann der Arbeitnehmer den Nettolohn so verlangen, wie ihn der Arbeitgeber bei Fälligkeit auszahlen mußte. Der Arbeitgeber kann lediglich einwenden, daß sich die steuerlichen Verhältnisse laut Lohnsteuerkarte für den maßgebenden Zeitraum verändert haben. Dies hat die Beklagte aber nicht vorgetragen.
Die vom Arbeitgeber abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers stehen ebenfalls der Höhe nach fest. Sie können ohne weiteres vom vereinbarten Bruttoarbeitsentgelt ermittelt werden, so daß auch insoweit über die Höhe des dem Kläger auszuzahlenden Nettogehalts keine Ungewißheit besteht.
2. Die hiernach zulässige Klage ist jedoch nur in Höhe des für den Monat Mai 1980 noch geforderten restlichen Gehaltsbetrages von 250,59 DM netto nebst 4% Verzugszinsen seit dem 1. Juli 1981 begründet. Diesen Betrag hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger mit Recht zugesprochen.
Nach den Gehaltsabrechnungen der Beklagten ergab sich für den Kläger bei einem monatlichen Bruttogehalt von 2.000,– DM jeweils ein auszuzahlender Nettobetrag von 1.511,18 DM. Für den Monat Mai 1980 hat die Beklagte wegen einer Fehlzeit des Klägers von dessen Gehalt einen Betrag von 400,– DM brutto abgezogen und ihm für diesen Monat nur 1.260,59 DM netto ausgezahlt. Die Nettogehaltsdifferenz beläuft sich demnach – wie vom Kläger vorgetragen und seinem Antrag entsprechend – auf 250,59 DM.
Zu dem vorgenommenen Gehaltsabzug war die Beklagte nicht etwa deswegen berechtigt, weil der Kläger im Mai 1980 einen dem abgezogenen Gehaltsteil entsprechenden Teil seiner geschuldeten Arbeitsleistung nicht erbracht hätte. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, er habe vereinbarungsgemäß Urlaub nehmen dürfen, weil er auf Bitten und Drängen der Beklagten im März 1980 trotz einer Erkrankung gearbeitet habe. Die Beklagte hat sich hierzu nicht ausreichend erklärt, so daß dieser Vortrag des Klägers nach § 138 ZPO als unstreitig zu behandeln war.
Die rechtskräftig für wirksam erklärte Anfechtung des Arbeitsvertrages durch die Beklagte hat keinen Einfluß auf den Bestand des restlichen Gehaltsanspruchs des Klägers für Mai 1980. Nach ständiger Rechtsprechung wirkt die durch Anfechtung herbeigeführte Nichtigkeit eines bereits in Vollzug, gesetzten Arbeitsvertrages abweichend von § 142 Abs. 1 BGB nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück; vielmehr ist ein in Funktion gesetztes Arbeitsverhältnis für die Vergangenheit grundsätzlich wie ein fehlerfrei zustande gekommenes zu behandeln (BAG 5, 159 und BAG 11, 270 = AP Nr. 2 und 15 zu § 123 BGB; BAG 22, 344, 353 = AP Nr. 4 zu § 60 HGB, zu II 2a der Gründe; BAG Urteil vom 18. April 1968 – 2 AZR 145/67 – AP Nr. 32 zu § 63 HGB; BAG Urteil vom 25. März 1976 – 2 AZR 136/75 – AP Nr. 19 zu § 123 BGB). Im vorliegenden Falle wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum Ausspruch der ersten fristlosen Kündigung durch die Beklagte vom 2. Juni 1980 von beiden Seiten vollzogen. Die daraus entstandenen Ansprüche konnten durch die Anfechtung nicht rückwirkend wieder beseitigt werden.
Der Kläger ist schließlich auch weiterhin Gläubiger dieser Gehaltsforderung. Da nach § 3 des Arbeitsvertrages Gehaltsabtretungen zu ihrer Wirksamkeit der ausdrücklichen Zustimmung des Arbeitgebers bedürfen, eine Zustimmung der Beklagten aber nicht vorliegt, verstoßen die von Kläger vorgenommenen Abtretungen gegen § 399 BGB und sind daher unwirksam. Das vereinbarte Abtretungsverbot setzt sich auch gegenüber den Vorausabtretungen durch (BGHZ 27, 306, 307; LAG Düsseldorf, DB 1976, 440; MünchKomm-Roth, BGB, § 399 Rz 29; Weber, BGB-RGRK, § 399 Rd. 39); denn die Gehaltsforderung, entsteht aufgrund des Abtretungsausschlusses von vornherein nur als nicht abtretbare Forderung und kann deshalb von der früheren Abtretung nicht erfaßt werden.
3. Dagegen stehen dem Kläger die weiter geltend gemachten Gehaltsansprüche für die Zeit vom 18. August 1980 bis 26. Juli 1981 nicht zu.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger diese Ansprüche als dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB) zuerkannt. Hierbei ist es davon ausgegangen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien während des Anspruchszeitraums fortbestanden, habe und die Beklagte deshalb mit der Ablehnung der vom Kläger angebotenen vertraglichen Arbeitsleistung in Annahmeverzug geraten sei. Das trifft jedoch nicht zu. Im Anspruchszeitraum bestanden zwischen den Parteien keine arbeitsvertraglichen Beziehungen mehr, so daß der Kläger die Beklagte auch nicht in Annahmeverzug setzen konnte.
Zwar steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, daß ihr Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigungen vom 2. Juni, vom 3. Oktober und vom 14. November 1980 nicht aufgelöst worden ist. Rechtskräftig fest steht aber auch, daß die von der Beklagten am 10. März 1982 erklärte Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung wirksam ist und zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien geführt hat; denn durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. August 1982 – 4 Sa 45/82 – ist die Klage des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Anfechtungserklärung der Beklagten rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden. Diese Anfechtung des Arbeitsvertrages hat zurückgewirkt auf den Zeitpunkt, in dem das zunächst vollzogene Arbeitsverhältnis der Parteien wieder außer Funktion gesetzt worden ist; das war am 2. Juni 1980. An jenem Tage hat die Beklagte dem Kläger zum ersten Mal fristlos gekündigt. Durch diese – wenn auch unwirksame fristlose Kündigung hat die Beklagte sich von dem Arbeitsverhältnis losgesagt und damit dessen weitere tatsächliche Durchführung abgebrochen. Von diesem Zeitpunkt an ist das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mehr einvernehmlich verwirklicht worden. Für einen solchen Fall hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 16. September 1982 – 2 AZR 228/80 – entschieden, daß eine wirksame Anfechtung auf den Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung des zunächst vollzogenen Arbeitsvertrages zurückwirkt. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, – daß sich eine Abweichung von dem in § 142 Abs. 1 BGB gesetzlich normierten Grundsatz der rückwirkenden Nichtigkeit eines wirksam angefochtenen Rechtsgeschäfts nur dann und nur insoweit auch dogmatisch rechtfertigen läßt, als dies durch sachliche Gründe geboten erscheint. Bei einem in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis sprächen dessen Charakter als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis und nicht zuletzt die Schwierigkeiten einer Rückabwicklung dafür, die Nichtigkeitswirkung der Anfechtung, auf die Zukunft zu beschränken. Seien solche Gründe aber nicht vorhanden, entstünden insbesondere – wie bei einem noch nicht in Funktion gesetzten Arbeitsvertrag – keine Rückabwicklungsschwierigkeiten, sei es auch nicht gerechtfertigt, abweichend von § 142 Abs. 1 BGB der Anfechtung nur Wirkung für die Zukunft beizumessen. Wenn bei einem noch nicht aktualisierten Arbeitsverhältnis keine Ausnahme von der gesetzlichen Rückwirkungsregel für die Anfechtung gemacht werden könne, müsse gleiches auch gelten, wenn das Arbeitsverhältnis zwar zunächst aktualisiert worden sei, zu einem späteren Zeitpunkt, aus welchen Gründen auch immer, aber wieder außer Funktion gesetzt werde und der Arbeitnehmer von da ab keine Arbeitsleistungen mehr erbringe. Eine Notwendigkeit, an der Ausnahme festzuhalten und nur eine Zukunftswirkung der Anfechtung anzunehmen, lasse sich dann dogmatisch ebenfalls nicht rechtfertigen. Auch bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung wirke die Anfechtung auf den Zeitpunkt zurück, zu dem das Arbeitsverhältnis außer Funktion gesetzt worden sei.
Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Zweiten Senats jedenfalls für den hier gegebenen Fall einer wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB an. Es sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, die unabweisbar auch für die Zeit nach der Außerfunktionssetzung des Arbeitsverhältnisses die gesetzlich vorgesehene Rückwirkung der Anfechtung ausschlössen. Rückabwicklungsschwierigkeiten treten nicht auf, weil es zu keiner Arbeitsleistung mehr gekommen ist. Auch Gründe des Vertrauensschutzes gebieten im Falle der Täuschungsanfechtung keinen Ausschluß der Rückwirkung. Wer den Abschluß des Arbeitsvertrages durch eine arglistige Täuschung erschlichen hat, kann nicht darauf vertrauen, daß das Arbeitsverhältnis auch für die Zeit, in der es nicht mehr aktualisiert worden ist, bis zur Anfechtungserklärung des Arbeitgebers als rechtsbeständig behandelt wird. Würde man der Anfechtung auch in einem solchen Falle nur Wirkung für die Zukunft beilegen, so würde man dem Täuschenden dadurch zu einem unbilligen und durch nichts zu rechtfertigenden Vorteil verhelfen.
Ob auch eine Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB auf den Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung eines zunächst aktualisierten Arbeitsverhältnisses zurückwirkt oder ob in einem solchen Falle Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes eine andere Lösung gebieten, bedarf im vorliegenden Falle keiner Entscheidung; denn hier ist die Anfechtung wirksam nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung erfolgt.
Das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 5. August 1982 steht der Annahme einer Rückwirkung der Anfechtung auf den Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht entgegen. Zwar heißt es in den Gründen dieses Urteils, daß die Anfechtung nur Wirkung für die Zukunft entfalte. Die Urteilsgründe erwachsen jedoch nicht in Rechtskraft. Die Frage, ob die Anfechtung der Beklagten rückwirkende Kraft hat oder nur für die Zukunft wirkt, war nicht Streitgegenstand des damaligen Rechtsstreits. Die Parteien stritten damals nur darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Täuschungsanfechtung vorlagen und ob die Anfechtungserklärung der Beklagten deshalb überhaupt rechtswirksam war oder nicht. War aber die Frage der Rückwirkung der Anfechtung nicht Streitgegenstand, dann nimmt die Bemerkung über die ex nunc Wirkung der Anfechtung in den Urteilsgründen an der Rechtskraft des Urteils nicht teil, und der Senat ist daran nicht gebunden.
Nach alledem sind durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 10. März 1982 etwaige Gehaltsansprüche des Klägers rückwirkend ab dem 2. Juni 1980 entfallen. Die Klage war daher unter entsprechender Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile im wesentlichen abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 ZPO. Dem Kläger waren die gesamten Prozeßkosten aufzuerlegen, weil er bis auf einem geringfügigen, für die Kostenberechnung unerheblichen Teil der Klageforderung unterlegen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 602577 |
NJW 1985, 646 |