Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Auswahl bei betriebsbedingter Kündigung
Orientierungssatz
1. Die Beendigung der Schwangerschaft durch eine Fehlgeburt löst nicht den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 9 Abs 1 S 1 MuSchG aus (vergleiche BAG Urteil vom 16.2.1973 2 AZR 138/72 = BAGE 25, 70).
2. Eine Verweisung auf eine nicht zwischen den Parteien ergangene Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
3. Nach ständiger Rechtsprechung sind Unterhaltspflichten ein Umstand, der bei der sozialen Auswahl gebührend zu berücksichtigen ist.
Normenkette
ZPO § 286; MuSchG § 9 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 3 Fassung 1969-08-25, Abs. 2 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 01.12.1984; Aktenzeichen 9 Sa 1618/83) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 23.03.1983; Aktenzeichen 3 Ca 628/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Die am 16. März 1960 geborene Klägerin ist verheiratet und einem Kind unterhaltspflichtig. Sie war seit dem 4. Januar 1982 bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt ca. 1.250,-- DM.
Die Beklagte betreibt einen Großhandel mit elektrotechnischen Artikeln. Angeschlossen ist eine Fertigung, in der im wesentlichen Kabelverbindungen hergestellt werden. Vom Umsatz der Beklagten entfallen 80 % auf den Großhandel, 20 % auf die Fertigung. Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 20. September 1982 zum 31. Oktober 1982. Zum Zeitpunkt der Kündigung waren in der Fertigung insgesamt acht ausnahmslos türkische Arbeitnehmerinnen beschäftigt. Die Klägerin hat gegen die Kündigung am 8. Oktober 1982 beim Arbeitsgericht Klage erhoben.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie am 15. Juli 1982 in der 12. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt gehabt habe. Die Fehlgeburt, die überdies auf einen Betriebsunfall zurückzuführen sei, bedinge den Kündigungsschutz gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Die der Fehlgeburt vorausgehende Schwangerschaft sei der Beklagten bekannt gewesen. Das Vorliegen betriebsbedingter Gründe hat die Klägerin bestritten. An den in der Fertigung stehenden Spritzmaschinen sei noch bis zum Jahresende gearbeitet worden. Außerdem rügt sie die soziale Auswahl. Sie sei sozial schwächer als die ledige, 20 Jahre alte und seit dem 9. September 1981 beschäftigte Arbeiterin Y sowie die ledige, 19 Jahre alte und seit dem 17. Januar 1982 beschäftigte Mitarbeiterin A. Weder die Fehlgeburt noch der diese auslösende Betriebsunfall noch die Arbeitslosigkeit ihres Ehemannes seien bei der Auswahl berücksichtigt worden.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien nicht durch die Kündigung der Be-
klagten vom 20. September 1982 zum 31. Oktober
1982 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht;
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu un-
veränderten Arbeitsbedingungen tatsächlich wei-
terzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Kündigung sei auf den drastischen Umsatzrückgang, den sie mit Zahlen belegt hat, zurückzuführen. Eine Spritzmaschine sei im Oktober 1982 verkauft worden. Dadurch sei der Arbeitsplatz der Klägerin sowie ein weiterer Arbeitsplatz weggefallen. In der Fertigung hätten von acht Arbeiterinnen nur noch sechs beschäftigt werden können. Bei der sozialen Auswahl der in die Kündigungsüberlegungen einzubeziehenden Arbeitnehmerinnen sei das seit Sommer 1982 bekannte Ausscheiden der Mitarbeiterin A eingeplant gewesen. Der Arbeitsplatz der zum 31. Dezember 1982 ausgeschiedenen Arbeitnehmerin A sei auch nicht neu besetzt worden. Zugunsten der Arbeitnehmerin Y sei deren universelle Einsetzbarkeit berücksichtigt worden. Die Sozialdaten dieser Arbeitnehmerin und der der Klägerin seien nahezu gleichwertig. Zudem sei der Ehemann der Klägerin nicht arbeitslos, sondern betreibe in D ein eigenes Geschäft. Von einem Betriebsunfall, der die Fehlgeburt ausgelöst habe, sei ihr nichts bekannt. Die Fehlgeburt löse den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG nicht aus.
Die Klägerin hat erwidert, die Kündigung sei nicht betriebsbedingt. Aus der im Verfahren der Klägerin S gegen die Beklagte durchgeführten Vernehmung des Betriebsleiters P ergebe sich der Einsatz der zum Verkauf anstehenden Spritzmaschinen "bis zum letzten Tag". Nach Weggang der Klägerin sei eine andere Arbeitnehmerin eingestellt worden; sie verrichte nicht nur Prüfarbeiten, sondern auch Arbeiten in der Fertigung. Von der Arbeitnehmerin A sei nicht bekannt gewesen, daß sie das Arbeitsverhältnis zum Ende des Jahres auflösen werde. Sie lebe zudem nach wie vor in der Bundesrepublik. Ihr, der Klägerin, Ehemann betreibe kein Geschäft. Die entgegengesetzte Behauptung der Beklagten entbehre jeder Grundlage.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts habe in dem Verfahren 6 Sa 779/83 zwischen einer anderen Klägerin und der Beklagten festgestellt, es seien vier Arbeitsplätze in der Fertigung infolge des Verkaufs der Spritzgußmaschinen weggefallen. Den Ausführungen in dem den Parteien bekannten Urteil vom 4. Oktober 1983 trete die erkennende Kammer ebenso bei, wie den Erwägungen, daß die Einführung von Kurzarbeit im vorliegenden Falle kein geeignetes Mittel zum Erhalt der Arbeitsplätze gewesen wäre, da vom Wegfall auf Dauer ausgegangen werden müsse. Auch die soziale Auswahl sei nicht zu beanstanden. Richtig sei, daß nach Ausspruch der Kündigung gegenüber der Klägerin die Arbeiterin W eingestellt worden sei. Diese sei aber überwiegend für Prüfarbeiten eingesetzt worden, die das Lesen und Verstehen der VDE-Bestimmungen voraussetzten. Diese Fähigkeit sei bei der Klägerin nicht vorhanden, so daß diese Arbeiterin mit der Klägerin nicht vergleichbar sei. Die Sozialdaten der Klägerin einerseits und der vom Arbeitsgericht in die Abwägung sozialer Daten einbezogenen Arbeitnehmerinnen Y und A andererseits wichen so geringfügig voneinander ab, daß sie im Ergebnis gegeneinander austauschbar seien. Habe der Arbeitgeber alle erheblichen Auswahlkriterien für die Sozialauswahl (wie Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Familienverhältnisse u.a.) in Ansatz gebracht, dann habe er für die Gewichtung der Auswahlkriterien einen gewissen Beurteilungsspielraum, da die Festlegung auf eine absolut richtige Lösung nicht möglich sei. Schon der Wortlaut des Gesetzes gebiete eine derartige Auslegung. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG habe der Arbeitgeber nur ausreichend soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Klägerin und die Arbeitnehmerinnen A sowie Y seien hinsichtlich des Lebensalters gleich schutzbedürftig. Die Altersunterschiede von 19 (A), 20 (Y) und 23 (Klägerin) seien für den Arbeitsmarkt ohne Belang. Ebenso sei es bei der Betriebszugehörigkeit. Auch die Familienverhältnisse der drei zu vergleichenden Arbeitnehmerinnen würden keine absolute Gewichtung zugunsten der Klägerin bringen: Die Mitarbeiterinnen Y und A seien ledig und müßten ihren Lebensunterhalt allein bestreiten, während die Klägerin nach Ablauf der Kündigungsfrist aus dem eigenen wie dem Arbeitslosengeld ihres Ehemannes ihren Unterhalt bestreiten könne und schließlich auch noch Kindergeld für den Familienunterhalt bekomme. Außerdem sei zugunsten der Arbeitnehmerin A aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeuginnen N und B zu berücksichtigen, daß zum Zeitpunkt der Kündigung deren Absicht, zu heiraten und das Arbeitsverhältnis zu beenden, bekannt gewesen sei.
Die Kündigung scheitere auch nicht an § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Das Bundesarbeitsgericht habe im Urteil vom 16. Februar 1973 (- 2 AZR 138/72 - BAG 25, 70 = AP Nr. 2 zu § 9 MuSchG 1968) entschieden, daß eine nach einer Fehlgeburt zugehende Kündigung nicht unter das Kündigungsverbot des § 9 MuSchG falle. Dem werde beigetreten.
B. Den Ausführungen des Berufungsgerichts kann in wesentlichen Teilen nicht gefolgt werden.
I. Unbegründet sind allerdings die Rügen der Revision, soweit sie sich gegen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Kündigungsverbot des § 9 MuSchG richten:
1. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 16. Februar 1973 (aaO) entschieden, daß die Beendigung der Schwangerschaft durch eine Fehlgeburt nicht den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG auslöse. Gegen diese Regelung bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei der Begründung dieser Entscheidung ist der Senat von dem Wortlaut des § 9 MuSchG ausgegangen, wonach die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten n a c h d e r E n t b i nd u n g unzulässig ist. Der Senat hat hervorgehoben, daß mit der Entbindung ebenso wie der früher gebrauchte Ausdruck Niederkunft der Vorgang der Geburt gemeint sei, und zwar i.S. der Medizin der Übergang des menschlichen Lebewesens von der "Leibesfrucht" zum "Menschen". Deshalb sei es entscheidend, ob die Frucht bei der Trennung vom Mutterleib sich bereits bis zu dem Stadium entwickelt hat, in dem sie zu selbständigem Leben fähig sei. Dies sei nach der herrschenden medizinischen Auffassung erfahrungsgemäß der Fall, wenn die Frucht eine Körperlänge von 35 cm habe. Insoweit hat sich der Senat an die Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vom 12. August 1957 (BGBl. I, S. 1139) angelehnt. Aus dieser Argumentation folgt, daß auch die Totgeburt den Tatbestand der Entbindung erfüllt, wenn die Frucht die Körperlänge von 35 cm hat. Also auch bei einer Totgeburt gilt danach das Kündigungsverbot des § 9 MuSchG.
Diese Regelung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da das Mutterschutzgesetz in ganz erheblichem Maße auch die Belange des erwarteten und des geborenen Kindes schützen solle. Von hieraus bestehe ein sachlicher Grund, solchen Frauen, die ein lebendes Kind zur Welt gebracht hätten, den besonderen Kündigungsschutz zu gewähren, denn eine wegen der Sorge um den Arbeitsplatz entstehende seelische und wirtschaftliche Belastung der Mutter könnte sich schädlich auf die Entwicklung des Kindes auswirken. Diese Überlegungen würden zwar nicht zutreffen, wenn ein Kind mit der geforderten Mindestgröße tot geboren werde oder vor dem Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung sterbe. Daß das Gesetz auch in solchen Fällen den Schutz des § 9 MuSchG gewähre, sei verfassungsrechtlich jedoch deshalb nicht zu beanstanden, weil hier der Gesetzgeber typisierende Regeln aufgestellt habe; dies sei zulässig, wenn nach der Lebenserfahrung die Fälle unter das Gesetz fallen, die von ihm erfaßt werden sollten. Der Gesetzgeber habe aber davon ausgehen können, daß bei Entbindungen lebensfähige Kinder zur Welt kommen, also diese Frauen des besonderen Schutzes im Interesse der Kinder auch bedürften.
2. An der Entscheidung ist kritisiert worden, die Unterscheidung zwischen Fehlgeburt und Totgeburt in § 29 Abs. 2 und 3 AVO zum Personenstandsgesetz sei medizinisch verfehlt, insbesondere gebe die Körperlänge keinen Hinweis auf die Lebensfähigkeit (Ernst Wolf, Anm. zu AP Nr. 2 zu § 9 MuSchG 1968), § 29 AVO zum Personenstandsgesetz und § 9 MuSchG hätten völlig unterschiedliche Zielrichtungen (Wolf, aaO; Schwerdtner, JZ 1974, 476, 480), die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Tot- und Fehlgeburt verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Wolf, aaO; Schwerdtner, aaO und Heilmann, Kommentar zum Mutterschutzgesetz 1984, Vorbemerkungen vor §§ 1 bis 2 Rz 10 bis 15).
3. Trotz dieser Kritik hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung im Grundsatz fest: § 9 MuSchG soll neben dem Schutz der Frau vor und nach der Entbindung auch die Belange des erwarteten und des geborenen Kindes schützen. Die Entbindung ist der Vorgang der Geburt. Die Geburt i. S. der Medizin ist der Übergang von der Leibesfrucht zum Menschen. Daher ist es entscheidend, ob die Frucht bei der Trennung vom Mutterleib sich bereits bis zu dem Stadium entwickelt hat, in dem sie zu selbständigem Leben fähig ist. Das hängt nicht davon ab, ob das Kind lebend oder tot zur Welt kommt. Entscheidend ist, daß die Leibesfrucht soweit entwickelt ist, daß sie in der Regel zu selbständigem Leben fähig war. Wegen des Abstellens des Gesetzgebers auch auf die Belange des g e b o r e n e n Kindes wird daran festgehalten, daß von einer Geburt und damit von einer Entbindung nicht mehr gesprochen werden kann, wenn die Leibesfrucht noch nicht soweit entwickelt ist, um zu einem selbständigen Leben fähig zu sein. In diesem Falle liegt vielmehr eine Fehlgeburt vor, die keine mutterschutzrechtlichen Folgen auslöst. Der Senat hatte vorliegend auch keinen Anlaß, abschließend zu überprüfen, ob der Rückgriff auf § 29 Abs. 2 und 3 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes für die Unterscheidung zwischen Fehl- und Totgeburt dem Stand gesicherter medizinischer Erkenntnisse entspricht. Da die Körperlänge nicht genügend über die Lebensfähigkeit aussagt, ist § 29 Abs. 2 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes geändert worden. Nach der Fassung der 6. Verordnung zur Änderung der AVO-PStG vom 23. April 1979 (BGBl. I, S. 493) liegt nunmehr eine Totgeburt vor, wenn das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 1000 g beträgt. Inzwischen haben sich aber auch schon Kinder mit weniger als 1000 g als lebensfähig erwiesen, insbesondere bei Mehrfachgeburten. Einer abschließenden Entscheidung bedarf es insoweit aber nicht, weil im vorliegenden Falle zwischen den Parteien unstreitig ist, daß die Klägerin eine Fehlgeburt hatte. Im übrigen ergibt sich aus der Tatsache, daß die Schwangerschaft bereits in der 12. Schwangerschaftswoche endete, daß die Leibesfrucht noch nicht lebensfähig war.
II. Dagegen kann den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Betriebsbedingtheit und zur sozialen Auswahl nicht gefolgt werden.
1. Die Revision rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe die Betriebsbedingtheit der Kündigung nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat nämlich für die Annahme, daß dringende betriebliche Gründe die Kündigung bedingen würden, auf ein Urteil der 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm in dem Rechtsstreit 6 Sa 779/83 verwiesen in einem Rechtsstreit zwischen einer anderen Klägerin und der Beklagten mit denselben Prozeßbevollmächtigten. Diese Entscheidung ist nicht zum Inhalt der Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit gemacht worden. Eigene Feststellungen zur Betriebsbedingtheit enthalten die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nicht. Nur wenn eine nicht zwischen den Parteien ergangene Entscheidung Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ist aber die Verweisung auf eine solche Entscheidung zulässig (vgl. BGHZ 39, 333, 345 ff. sowie BGH Beschluß vom 2. Oktober 1970 - I ZB 9/69 - NJW 1971, 39 ff.). Auch der BFH (Urteil vom 26. Juni 1975 - IV R 122/71 - BB 1975, 1421) hat eine Verweisung auf ein Urteil, das nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden war, nur dann für zulässig gehalten, wenn es zwischen denselben Parteien ergangen ist (in jenem Falle als Zwischenurteil in demselben Rechtsstreit). Es ist auch erforderlich, die Zulässigkeit von Verweisungen auf die oben genannten Fälle zu begrenzen, weil infolge der Parteimaxime zwischen verschiedenen Parteien auch bezüglich desselben Sachverhalts unterschiedliche Feststellungen getroffen werden können. Weder muß der Arbeitgeber in zwei unterschiedlichen Kündigungsfällen den gleichen Sachverhalt vortragen, noch ist sicher, ob der jeweilige Arbeitnehmer nicht unterschiedlich erwidert. Unterläßt es der Arbeitnehmer in dem einen Falle, substantiiert zu bestreiten, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, vier Arbeitsplätze seien entfallen, während in dem anderen Falle möglicherweise aufgrund des Vortrags des Klägers und einer folgenden Beweisaufnahme festgestellt wird, daß kein Arbeitsplatz entfallen ist.
2. Dieser Fehler im angefochtenen Urteil führt aber nicht zur Zurückverweisung (§ 551 Nr. 7 ZPO), weil der Senat auch bei unterstellter Betriebsbedingtheit wegen fehlerhafter sozialer Auswahl zu dem abschließenden Ergebnis kommt, daß auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zurückzuweisen ist.
a) Zu Unrecht rügt die Klägerin allerdings, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO verletzt, indem es die Arbeitslosigkeit ihres Ehemannes bei der sozialen Auswahl nicht berücksichtigt habe. Diese Rüge ist unbegründet, weil das Landesarbeitsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe auf S. 9 von der Arbeitslosigkeit des Ehemannes der Klägerin ausgegangen ist und auch in die Prüfung der sozialen Auswahl einbezogen hat. Fraglich ist nur, ob das Berufungsgericht die Arbeitslosigkeit richtig gewertet hat. Dies ist aber eine materiellrechtliche Frage.
b) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, der Arbeitgeber müsse nur ausreichend soziale Gesichtspunkte berücksichtigen. Daraus und aus der Tatsache, daß es keinen allgemein verbindlichen Bewertungsmaßstab dafür gibt, wie die einzelnen Sozialdaten zueinander ins Verhältnis zu setzen sind, hat der Senat im Urteil vom 18. Oktober 1984 (- 2 AZR 543/83 - zur Veröffentlichung bestimmt) dem Arbeitgeber einen gewissen Bewertungsspielraum eingeräumt. Der Senat hat in jener Entscheidung hervorgehoben, seine äußersten Grenzen würden sich zum einen aus der Wertung des Kündigungsschutzgesetzes selbst ergeben, denn aus § 10 KSchG lasse sich entnehmen, daß der Gesetzgeber für die rechtlich relevante Schutzbedürftigkeit der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter Priorität einräume und zwar der Betriebszugehörigkeit noch vor dem Lebensalter. Darüber hinaus bestehe ein Mindestkonsens darüber, daß die Unterhaltsverpflichtungen bei der Auswahl Berücksichtigung finden müßten.
c) Vorliegend hat das Berufungsgericht weiterhin zutreffend ausgeführt, bezüglich der Betriebszugehörigkeit und dem Lebensalter gebe es zwischen der Schutzbedürftigkeit der Klägerin und der beiden anderen vergleichbaren Arbeitnehmerinnen Y und A keine rechtserheblichen Unterschiede. Die Klägerin hat aber im Gegensatz zu den anderen beiden Arbeitnehmerinnen Unterhaltspflichten für ein Kind. Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Falle dennoch keinen erheblichen Unterschied in der Schutzbedürftigkeit sieht, weil die Klägerin für den Familienunterhalt auch auf das Arbeitslosengeld ihres Ehemannes zurückgreifen könne und Kindergeld erhalte, so unterliegt es einem Rechtsfehler: Auf diese Weise verneint es indirekt überhaupt die Erheblichkeit von Unterhaltspflichten für die soziale Schutzbedürftigkeit im Rahmen der sozialen Auswahl, da jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Kindergeld hat. Nur ist dieses Kindergeld so begrenzt, daß es nur ein Zuschuß zum Unterhalt sein kann und soll. Die tatsächlichen Kosten für ein Kind, gleich welchen Alters, sind erheblich höher. Dementsprechend hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Unterhaltspflichten ein Umstand sind, der bei der sozialen Auswahl gebührend zu berücksichtigen ist (Urteil vom 11. März 1976 - 2 AZR 43/75 - BAG 28, 40 = AP Nr. 1 zu § 95 BetrVG 1972; BAG 42, 151 ff.; Urteil vom 18. Oktober 1984 - 2 AZR 543/83 - zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Der Unterschied zwischen der sozialen Schutzbedürftigkeit der Klägerin mit ihrer Unterhaltsverpflichtung und den beiden vergleichbaren Arbeiterinnen ohne Unterhaltsverpflichtungen ist auch erheblich. Die Nichtberücksichtigung des Unterschiedes in der sozialen Schutzbedürftigkeit liegt auch nicht in dem dem Arbeitgeber vom Senat zuerkannten Wertungsspielraum. Dieser setzt nämlich voraus, daß zunächst einmal zumindest die drei sozialen Grunddaten Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltsverpflichtungen in vertretbarer Weise berücksichtigt sind. Gerade die Unterhaltsverpflichtungen hat der Arbeitgeber und mit ihm das Berufungsgericht für nicht wesentlich gehalten.
d) Es kann wegen dieses Fehlers bei der sozialen Auswahl dahingestellt bleiben, ob nicht auch die Arbeitnehmerin A weniger schutzbedürftig gewesen ist als die Klägerin.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Ramdohr Baerbaum
Fundstellen