Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitzuschläge an Heiligabend und Silvester;. Zeitzuschläge neben Freizeitausgleich für Arbeit an Heiligabend und Silvester (BMT-G II)
Leitsatz (amtlich)
Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II besteht ein Anspruch auf Zeitzuschläge für Arbeiten am 24. Dezember und 31. Dezember jeweils für die Zeit ab 12.00 Uhr auch dann, wenn dem Arbeiter gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 BMT-G II an einem anderen Tag entsprechende bezahlte Freizeit gewährt wird.
Orientierungssatz
Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II besteht ein Anspruch auf Zeitzuschläge für Arbeiten am 24. Dezember und 31. Dezember jeweils für die Zeit ab 12.00 Uhr auch dann, wenn dem Arbeiter gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 BMT-G II an einem anderen Tag entsprechende bezahlte Freizeit gewährt wird.
Normenkette
Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 § 22 Abs. 1 S. 2 Buchst. c; Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 § 22 Abs. 1 S. 2 Buchst. d; Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 § 15 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 12. Januar 2000 – 9 Sa 521/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Zeitzuschläge für Arbeit an Heiligabend und an Silvester.
Der Kläger ist seit dem 1. September 1984 bei der Beklagten als Müllwerker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden auf Grund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 sowie die diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Der Kläger arbeitete am 24. Dezember 1996 und am 31. Dezember 1996 jeweils von 6.30 Uhr bis 15.00 Uhr für die Beklagte. Er erhielt am 2. Januar 1997 und am 3. Januar 1997 entsprechende bezahlte Freizeiten.
In den vorangegangenen Jahren hatte die Beklagte für die Arbeit am 24. Dezember und am 31. Dezember vor 12.00 Uhr Zeitzuschläge gezahlt, einen Freizeitausgleich aber nicht gewährt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch auf – der Höhe nach unstreitige – Zeitzuschläge für die Arbeit an den genannten Tagen ergebe sich für die Zeit vor 12.00 Uhr aus betrieblicher Übung und für die Zeit nach 12.00 Uhr aus § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. d BMT-G II.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Zeitzuschläge. Diese stünden dem Kläger nur zu, wenn er keinen Freizeitausgleich erhalte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – der Klage hinsichtlich des „hilfsweise” erhobenen Anspruchs auf Zeitzuschläge für die Zeiten nach 12.00 Uhr in Höhe von 108,00 DM zuzüglich Zinsen stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage, soweit sie noch Gegenstand der Revision ist, stattgegeben.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen für die am 24. Dezember und am 31. Dezember 1996 in der Zeit nach 12.00 Uhr geleistete Arbeit. Dies folgt aus § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II.
1. In dieser Tarifbestimmung heißt es:
„…
(1) Für die in Satz 2 genannten Arbeiten erhält der Arbeiter Zeitzuschläge. Sie betragen je Stunde
…
c) für Arbeit an
aa) gesetzlichen Wochenfeiertagen sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag
- ohne Freizeitausgleich 135 v.H.
- bei Freizeitausgleich 35 v.H.
bb) gesetzlichen Wochenfeiertagen, die auf einen Sonntag fallen,
- ohne Freizeitausgleich 150 v.H.
- bei Freizeitausgleich 50 v.H.
d) für Arbeit nach 12 Uhr an den Tagen vor Neujahr, vor Ostersonntag, vor Pfingstsonntag und vor dem ersten Weihnachtsfeiertag gemäß § 15 Abs. 4 100 v.H.”
2. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, daß nach dem Wortlaut der Bestimmung in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II, der für die Tarifauslegung in erster Linie maßgeblich ist(BAG 9. März 1983 – 4 AZR 61/80 – BAGE 42, 86, 89; 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 313; 24. November 1988 – 6 AZR 243/87 – BAGE 60, 219, 223 f.; 25. Oktober 1995 – 4 AZR 478/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 57 = EzA TVG § 4 Ausschlußfrist Nr. 116), ein Anspruch auf Zahlung von Zeitzuschlägen für Arbeit nach 12.00 Uhr an den Tagen vor Neujahr und vor dem ersten Weihnachtsfeiertag in Höhe von 100 v.H. besteht. Dieser Anspruch wird durch die Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 2 BMT-G II weder ausgeschlossen noch eingeschränkt. Diese Bestimmung regelt lediglich, daß dem Arbeiter, dem die in § 15 Abs. 4 Satz 1 BMT-G II grundsätzlich vorgesehene bezahlte ganztägige Arbeitsbefreiung an dem Tag vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht gewährt werden kann, an einem anderen Tage entsprechende Freizeit unter Fortzahlung des Monatsgrundlohnes und etwaiger für den Kalendermonat zustehender ständiger Lohnzuschläge zu gewähren ist. Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II besteht der Anspruch auf die dort geregelten Zeitzuschläge jedoch unabhängig davon, ob später bezahlte Arbeitsbefreiung erteilt wird oder nicht. Der Tarifwortlaut läßt insoweit keine Zweifel offen.
3. Die Tarifregelung enthält keinen Wertungswiderspruch, aus dem geschlossen werden könnte, daß der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien im Sinne der Auffassung der Beklagten vom Tarifwortlaut abweicht.
Die Tarifvertragsparteien haben im anderen Zusammenhang durchaus den Anspruch auf Zeitzuschläge bei entsprechender Freizeitgewährung – jedenfalls teilweise – ausgeschlossen. Für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen, auch wenn diese auf einen Sonntag fallen, sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag haben sie in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BMT-G II hinsichtlich der Höhe der Zeitzuschläge unterschieden zwischen Arbeiten, für die Freizeitausgleich gewährt wird und solchen, für die Freizeitausgleich nicht gewährt wird. Eine solche Unterscheidung haben die Tarifvertragsparteien in der hier maßgeblichen Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II nicht getroffen. Voraussetzungen und Umfang der Arbeitsbefreiungen in den beiden vorgenannten Bestimmungen sind jedoch unterschiedlich, so daß ein Vergleich unter dem Gesichtspunkt zwingender einheitlicher Wertung ausscheidet. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 BMT-G II ist der Freizeitausgleich für Arbeit an Vorfesttagen (ganztägig vor Heiligabend und vor Silvester) obligatorisch. Demgegenüber findet der Ausgleich für Arbeit an Wochenfeiertagen gemäß § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 BMT-G II nur auf Antrag und nur dann statt, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Die Zeitzuschläge für Arbeit an den Vorfesttagen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II werden nur für Arbeiten nach 12.00 Uhr gewährt, während die Zeitzuschläge für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen, die auf einen Sonntag, Ostersonntag oder Pfingstsonntag fallen, für die gesamte Dauer der Arbeit gezahlt werden. Das läßt den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien Arbeiten an Vorfesttagen nach 12.00 Uhr nur im begrenzten Umfang erwarten, so wie hier, wo der Kläger an den beiden streitgegenständlichen Tagen nach 12.00 Uhr jeweils nur bis 15.00 Uhr gearbeitet hat. Darin liegt ein plausibler Grund für eine unterschiedliche tarifliche Bewertung der Arbeit an den Feiertagen in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BMT-G II einerseits und an den Vorfesttagen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II andererseits mit dem Ziel, diese wegen der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung der Vorfesttage stärker zurückzudrängen. Zu Recht hat daher das Landesarbeitsgericht angenommen, daß es an einem zwingenden Anhaltspunkt für einen ungewollten Wertungswiderspruch fehlt.
4. Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Ansicht herangezogene Entstehungsgeschichte der Bestimmung in § 15 Abs. 4 BMT-G II, auf die § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II verweist, beeinträchtigt nicht das gefundene Auslegungsergebnis.
Durch den 40. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G II vom 24. April 1991 ist in § 15 Abs. 4 BMT-G II Satz 3 mit Wirkung vom 1. April 1991 gestrichen worden. Satz 3 verwies ausdrücklich auf die Möglichkeit, anstelle des Freizeitausgleichs für Arbeit an Vorfesttagen zwischen 12.00 Uhr und 24.00 Uhr den in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II vorgesehenen Zeitzuschlag zu zahlen. Die Streichung dieses Satzes ändert nichts daran, daß sich der Anspruch auf Zeitzuschläge unmittelbar aus § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II ergibt. Hätten die Tarifvertragsparteien Zeitzuschläge für Arbeit an Vorfesttagen nach 12.00 Uhr auf die Fälle begrenzen wollen, in denen kein Freizeitausgleich gewährt wird, hätte es nahegelegen, in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d BMT-G II eine entsprechende Differenzierung wie in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BMT-G II vorzunehmen. Da die Tarifvertragsparteien dies im 40. Änderungstarifvertrag zum BMT-G II ebenso wie bei der weiteren Änderung des § 15 Abs. 4 Satz 1 BMT-G II durch den 46. Ergänzungstarifvertrag zum BMT-G II vom 17. Juni 1996 mit Wirkung zum 1. Juli 1996 unterlassen haben, muß entgegen der Ansicht der Beklagten davon ausgegangen werden, daß sie in Kenntnis der Differenzierungen in § 22 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c BMT-G II eine entsprechende Regelung in Buchst. d bewußt nicht getroffen haben.
Daß den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes der Regelungsbedarf bewußt war, der besteht, wenn man beide Fallgruppen gleich regeln will, zeigt die mit § 15 Abs. 4 BMT-G II vergleichbare Regelung in § 35 Abs. 1 BAT, wo unter Buchst. d bestimmt ist, daß für Arbeit nach 12.00 Uhr an dem Tag vor dem ersten Weihnachtsfeiertag und vor Neujahr Zeitzuschläge nur gezahlt werden, „soweit nach § 16 Abs. 2 BAT kein Freizeitausgleich erteilt wird”.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, R. Kamm, Dr. Beus
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 31.05.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 707860 |
BB 2002, 948 |
DB 2002, 1722 |
FA 2002, 63 |
NZA 2002, 1220 |
ZTR 2002, 336 |
AP, 0 |
PersR 2002, 273 |
PersV 2002, 573 |
RiA 2002, 278 |
AUR 2002, 196 |
GK/Bay 2003, 18 |