Rz. 1

Von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts gibt es eine Reihe von Ausnahmen. Die Befreiung von der Aufstellungspflicht in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße sowie die Definition der hierfür einschlägigen Größenklassen ergeben sich aus § 293 HGB.

Die Regelung setzt Art. 23 der RL 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie) um, nach dem kleine Gruppen von der Aufstellung eines Konzernabschlusses und -lageberichts auszunehmen sind. Hinsichtlich mittlerer Gruppen ist ein Wahlrecht der Mitgliedstaaten vorgesehen, soweit dieses im Einzelfall keinem öffentlichen Interesse entgegensteht. Art. 3 der Bilanzrichtlinie gibt für die Schwellenwerte, die zur Bestimmung der Größe eines Konzerns notwendig sind, lediglich Höchstbeträge vor, sodass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung weitere Gestaltungsspielräume eingeräumt sind.

In der Vergangenheit erfolgten in regelmäßigen Abständen Anpassungen dieser Schwellenwerte (Rz 8). Zuletzt wurde mit der RL 2023/2775 vom 17.10.2023 eine Erhöhung der monetären Größenklassenkriterien beschlossen, da aufgrund hoher Inflationsraten mit einer schleichenden Ausweitung des Kreises verpflichteter Unt zu rechnen war. Die Umsetzung der Änderung der Bilanzrichtlinie erfolgte mit Bekanntmachung des zweiten Gesetzes zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften im Bundesgesetzblatt am 16.4.2024.[1]

Die Änderungen sind erstmals für Geschäftsjahre, die ab dem 1.1.2024 beginnen, verpflichtend anzuwenden. Aufgrund verschiedener Verzögerungen bei der Änderung der Bilanzrichtlinie sowie deren Umsetzung ist eine vorzeitige Anwendung mit erheblichen Rückwirkungen möglich (Rz 8a).[2]

[1] BGBl. 2024 I Nr. 120.

1.1 Inhalt

 

Rz. 2

Das HGB sieht mit § 293 HGB eine ersatzlose Freistellung von der Konzernrechnungslegungspflicht bei Unterschreiten bestimmter Größenschwellen vor, obwohl ein Mutter-Tochter-Verhältnis besteht.

Diese Befreiung tritt neben die größenunabhängige Freistellung von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung aufgrund eines ersatzweisen Einbezugs in einen Konzernabschluss auf höherer Ebene durch ein übergeordnetes MU (§§ 291 und 292 HGB). Hierdurch soll eine sog. Tannenbaumrechnungslegung, also die Pflicht zur Aufstellung von Konzernabschlüssen auf mehreren Ebenen bei einem mehrstufigen inländischen Konzern, vermieden werden.

 

Rz. 3

Die Befreiung von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung nach § 293 HGB bezweckt die Reduzierung der durch die Rechnungslegung entstehenden Kosten.[1]

[1] BT-Drs. 10/3440 S. 44.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 4

Der Geltungsbereich des § 293 HGB beschränkt sich auf KapG und KapCoGes. Gem. Abs. 5 steht eine Kapitalmarktorientierung i. S. d. § 264d HGB des MU oder eines TU der Befreiung (gem. der Abs. 1 und 4) entgegen (Rz 32 f.).

 

Rz. 5

Vor der Einführung des Bankrichtlinie-Gesetzes[1] sowie des VersRiLiG[2] galten die Vorschriften des § 293 HGB auch für MU in Gestalt eines Kreditinstituts oder eines VersicherungsUnt. Seit deren Einführung ist sowohl Kreditinstituten (§ 340i Abs. 2 Satz 2 HGB) als auch VersicherungsUnt (§ 341j Abs. 1 Satz 2 HGB) die Anwendung des § 293 HGB untersagt (Abs 5). Sie müssen entsprechend den Regelungen der §§ 340i Abs. 1 Satz 1 und 341i Abs. 1 Satz 1 HGB ungeachtet ihrer Größe einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufstellen.

Bis zur Einführung des BilRUG waren die Vorschriften des § 293 HGB a. F. allerdings zumindest dann für den Konzern maßgeblich, solange es sich lediglich bei einem TU um ein Kreditinstitut oder ein VersicherungsUnt handelte.[3] Infolge der Neuregelung des § 293 Abs. 5 HGB führen nunmehr auch TU in Gestalt eines Kreditinstituts oder eines VersicherungsUnt zum Ausschluss von der größenabhängigen Befreiung (Rz 32 f.).

 

Rz. 6

Ist ein Unt (PersG) zur Rechnungslegung nach dem PublG verpflichtet, sind die Größenklassen des § 11 Abs. 1 PublG für die Pflicht zur Konzernrechnungslegung bestimmend (§ 290 Rz 10). Die Bilanzsumme sowie die Umsatzerlöse dürfen gem. PublG nur mittels der Nettomethode ermittelt werden. Die Schwellenwerte sind deutlich höher als jene des HGB.

[1] Bankrichtlinie-Gesetz v. 30.11.1990, BGBl 1990 I S. 2570.
[2] VersRiLiG v. 24.6.1994, BGBl 1994 I S. 1377.
[3] Vgl. Kirsch/Berentzen, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 293 HGB Rz 8, Stand: 3/2016.

1.3 Normenzusammenhänge

 

Rz. 7

Neben der größenabhängigen Freistellung von der Pflicht zur Konzernrechnungslegung bestehen mit den §§ 291, 292 HGB weitere, größenunabhängige Vorschriften, die eine Befreiung aufgrund eines ersatzweisen Einbezugs in einen Konzernabschluss auf höherer Ebene durch ein übergeordnetes MU vorsehen. Die §§ 291, 292 HGB sind dabei vorrangig zu prüfen. Die Befreiungsmöglichkeit bei Neugründung/Umwandlung/ErstKons wird mittels Verweis auf § 267 Abs. 4 Satz 2 HGB geregelt (§ 293 Abs. 4 Satz 2 HGB).

Auf die Größenklassen des § 293 HGB wird u. A. abgestellt bei:

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