Rz. 8

Im Gegensatz zur Arbeitnehmerzahl wurden die monetären Schwellenwerte für die Größenklassen in der Vergangenheit regelmäßig alle fünf bis sieben Jahre angehoben. Die hierfür einschlägigen Vorgaben in Art. 3 der Bilanzrichtlinie wurden zuletzt mit der RL 2023/2775 vom 17.10.2023 erhöht, da aufgrund hoher Inflationsraten mit einer schleichenden Ausweitung des Kreises verpflichteter Unt zu rechnen war.

Die Umsetzung der Änderung der Bilanzrichtlinie erfolgte nicht wie die Anhebung der Schwellenwerte für die Befreiung von der Buchführungspflicht für Einzelkaufleute gem. § 241a HGB im Wachstumschancengesetz,[1] sondern wurde durch die Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses in die Novelle des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (DWD-Gesetz) eingefügt.[2]

Die Anhebung wurde am 22.2.2024 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und am 22.3.2024 vom Bundesrat gebilligt.[3] Die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 16.4.2024.[4]

Davor erfolgte die letzte Änderung mit dem BilRUG für Gj, die am oder nach dem 1.1.2016 begonnen haben.[5] Sowohl bei der aktuellen, als auch der Erhöhung i. R. d. BilRUG nutzte der Gesetzgeber die Spielräume in der Bilanzrichtlinie vollumfänglich aus. Zudem wurde die Möglichkeit zur Ausweitung der Konzernrechnungslegungspflicht auch auf kleine Gruppen nicht wahrgenommen.

 

Rz. 8a

Verpflichtend sind die neuen Schwellenwerte (Rz 11) erstmals für Gj, die ab dem 1.1.2024 beginnen, anzuwenden.[6] Eine vorzeitige Anwendung ist jedoch rückwirkend bereits für Gj, die am oder nach dem 1.1.2023 begonnen haben, möglich.[7]

Mit dieser Möglichkeit zur vorgezogenen Anwendung sollen Unt so früh und umfassend wie möglich von der Befreiungswirkung der angehobenen Schwellenwerte profitieren können.[8]

Der Gesetzgeber stellt hinsichtlich der vorzeitigen Anwendung klar, dass die neuen Schwellenwerte rückbezogen zu betrachten sind, wie dies der Praxis bei früheren Anhebungen entsprochen habe. Entsprechend sind bei der Prüfung zum Abschlussstichtag 31.12.2024 die geänderten Schwellenwerte sowohl für den Stichtag 31.12.2024 als auch rückbezogen für den Stichtag des Vorjahres 31.12.2023 maßgeblich.

In gleicher Weise sind bei der rückwirkenden Prüfung zum Abschlussstichtag 31.12.2023 die geänderten Schwellenwerte sowohl rückbezogen für den 31.12.2023 als auch rückbezogen für den Stichtag 31.12.2022 maßgeblich.[9]

Wird vom Wahlrecht zur vorzeitigen Anwendung Gebrauch gemacht, ist dieses insgesamt auszuüben.[10]

D. h., die Wahlrechtsausübung erfolgt für dasselbe GJ einheitlich für den Einzel- und Konzernabschluss des MU, welches das Wahlrecht ausübt.[11]

Das folgende Beispiel veranschaulicht die Wirkung der hier beschriebenen Rückwirkung und des Rückbezugs bei Ausübung des Wahlrechts:

 
Praxis-Beispiel

Sachverhalt

Es wird der Sachverhalt des Beispiels der Nudel GmbH in Rz 12 zugrunde gelegt.

Für die Anwendung der Rückwirkung des Art. 93 Abs. 2 EGHGB wird angenommen, bei den Perioden t0 bis t3 des Beispiels in Rz 12 handle es sich um die Kalenderjahre 2020–2023. Die Daten der Perioden t4 ff. seien daher noch nicht bekannt.

Beurteilung bei rückwirkender Anwendung der Schwellenerhöhung zum 31.12.2023

  1. ohne Rückwirkung (nicht zulässig!)

     
    Mio. EUR/Anzahl/Einordnung 2020 2021 2022 2023
     
    Bruttomethode
    Bilanzsumme 9 29 31 30
    Umsatzerlöse 17 46,5 51 61
    Arbeitnehmer 100 242 240 251
    Grenzwerte eingehalten Ja Ja Nein Nein
    Rechtsfolge unbekannt befreit befreit nicht befreit
    Nettomethode
    Bilanzsumme 5 21 23 22
    Umsatzerlöse 17 46,5 51 61
    Arbeitnehmer 100 242 240 251
    Grenzwerte eingehalten Ja Nein Nein Nein
    Rechtsfolge unbekannt befreit nicht befreit nicht befreit
  2. ohne Rückbezug

    Bei Auslegung der Rückwirkung des Art. 93 Abs. 2 EGHGB ohne den vom Verkehrsausschuss beschriebenen Rückbezug würden für die Jahre 2020 bis einschl. 2022 die alten Schwellenwerte nach BilRUG gelten; für das Jahr 2023 die neuen Schwellen nach der Novelle des DWD-Gesetzes. Hieraus ergäbe sich folgende Beurteilung:

     
    Mio. EUR/Anzahl/Einordnung 2021 2021 2022 2023
    Bruttomethode
    Bilanzsumme 9 29 31 30
    Umsatzerlöse 17 46,5 51 61
    Arbeitnehmer 100 242 240 251
    Grenzwerte eingehalten Ja Ja Ja Nein
    Rechtsfolge unbekannt befreit befreit befreit
    Nettomethode
    Bilanzsumme 5 21 23 22
    Umsatzerlöse 17 46,5 51 61
    Arbeitnehmer 100 242 240 251
    Grenzwerte eingehalten Ja Nein Ja Nein
    Rechtsfolge unbekannt befreit befreit befreit

    Ergebnis

    Ohne die Anpassung der Schwellenwerte wäre die Nudel GmbH im Jahr 2023 erstmals zur Konzernrechnungslegung verpflichtet (Rz 12a), sofern keine anderen Befreiungstatbestände erfüllt sind.

    Eine rückwirkende Anwendung der angehobenen Schwellenwerte auf das Jahr 2023 ohne den Rückbezug der neuen Schwellen auf das ebenfalls zu prüfende Vorjahr (Fall a.), würde zum selben Ergebnis führen.

    Werden bei der vorzeitigen Anwendung die angehobenen Schwellenwerte hingegen, wie in den Gesetzesmaterialien gefordert, auf das ebenfalls zu prüfende Vorjahr 2022 rückbezogen, werden im Jahr 2023 nach beiden Methoden zwei der drei Schwellenwerte zum ersten Mal überschritte...

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