Klaus Bertram, Prof. Dr. Sabine Heusinger-Lange
Rz. 76
Zu den wesentlichen Bewertungsannahmen gehört die Verwendung von biometrischen Wahrscheinlichkeiten. Eine Eigenschaft von Pensionsverpflichtungen ist es, dass die Leistungspflicht durch biologische Ereignisse wie Alter, Invalidität oder Tod ausgelöst wird. Die Eintrittswahrscheinlichkeiten dieser die Leistungspflicht auslösenden Ereignisse sind nach den Regeln der Versicherungsmathematik zu bewerten. Entsprechend dem Gesetz der großen Zahlen wird der Risikoverlauf mit steigender Anzahl von Anspruchsberechtigten besser approximiert.
Rz. 77
Die zur Bewertung benötigten Wahrscheinlichkeiten unterliegen im Zeitlauf einem steten Wandel. Hinlänglich bekannt ist die konstante Erhöhung der Lebenserwartung. Die künftige Entwicklung der biometrischen Rechengrundlage ist angemessen zu berücksichtigen. Als Rechengrundlage sind nur solche Statistiken geeignet, die sich entweder auf die Gesamtheit aller Pensionsberechtigten bzw. -empfänger oder auf eine bestimmte Untergruppe aus dieser Gesamtheit beziehen. Die Verwendung von biometrischen Wahrscheinlichkeiten, die sich nur auf eine Untergruppe (z. B. chemische Industrie) beziehen, ist zulässig, wenn die zu bewertende Gesamtheit der entsprechenden Untergruppe zugerechnet werden kann. So eignen sich die Sterbetafeln, die sich nur auf privat Renten- und Krankenversicherte beziehen, nicht zur Bewertung eines Personalbestands, der auch Arbeiter einschließt, da Erstere im Durchschnitt eine höhere Lebenserwartung aufweisen. I. d. R. ist dem Bewertungserfordernis des § 253 Abs. 2 HGB Genüge getan, wenn für inländische Verpflichtungen die aktuellen Richttafeln von K. Heubeck zugrunde gelegt werden. Tw. kann es angezeigt sein, diese durch entsprechende Zu- oder Abschläge für z. B. kürzere oder längere Lebenserwartung zu modifizieren. Durch Zu- oder Abschläge können auch sich abzeichnende Veränderungen berücksichtigt werden, die noch keinen Eingang in die Richttafeln von K. Heubeck gefunden haben, da diese nicht jährlich aktualisiert werden. In der Praxis finden die Richttafeln von K. Heubeck im Allgemeinen jedoch ohne Modifikationen Anwendung. Gegen ein Abweichen von Heubeck-Tafeln sprechen auch steuerliche Gründe. Sollten die modifizierten Tafeln auch für die steuerliche Gewinnermittlung verwendet werden, ist im Zweifel detailliert darzulegen, inwieweit die modifizierten Tafeln die betrieblichen Verhältnisse zutreffender widerspiegeln als die Heubeck-Tafeln.
Am 20.7.2018 hat die Heubeck AG neue Richttafeln für die Pensionsbewertung vorgelegt (Heubeck-Richttafeln 2018 G). Sie sind an die Stelle der zuvor verwendeten Richttafeln 2005 G getreten und tragen dem fortgesetzten Trend längerer Lebenserwartungen Rechnung. Zudem berücksichtigen sie erstmals sozioökonomische Faktoren wie den statistisch nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Lebenserwartung und der Einkommenshöhe durch einen pauschalen Abschlag auf die Sterbewahrscheinlichkeiten. Mit seinem Schreiben v. 19.10.2018 hat das BMF die Heubeck-Richttafeln 2018 G für die steuerliche Pensionsbewertung anerkannt.
Rz. 78
Für im Ausland zu erbringende Verpflichtungen werden regelmäßig länderspezifische Sterbetafeln Verwendung finden. Bei unwesentlichem Umfang dieser Verpflichtungen können aber auch für diese Fälle die Richttafeln von K. Heubeck Verwendung finden.
Ein deutsches Unt hat den ersten zwei Führungsebenen seiner Mitarbeiter Pensionszusagen erteilt. Es handelt sich um 40 Berechtigte. Einer dieser Berechtigten ist Leiter der Zweigniederlassung in Frankreich und dort ansässig.
Das Unt bewertet die Altersversorgungsverpflichtungen einheitlich unter Anwendung der Richttafeln von K. Heubeck. Die Tatsache, dass nur ein Berechtigter kein Inländer ist, führt zu keinen signifikanten Verwerfungen in den Bewertungsannahmen.
Etwas anderes müsste gelten, wenn z. B. die Hälfte der Berechtigten Inländer, die andere Hälfte Franzosen wären. Dann wären für die französischen Verpflichtungen die dortigen Sterbetafeln zu verwenden.
Rz. 79
In gleicher Weise bedeutsam für die Bewertung von Altersversorgungsrückstellungen ist die Berücksichtigung der Fluktuation. Die Berücksichtigung von Fluktuationswahrscheinlichkeiten ist fester Bestandteil der Rückstellungsermittlung. Oftmals wurden in der Praxis jedoch die aus der steuerlichen Bewertung nach § 6a EStG bekannten pauschalen Ansätze akzeptiert, wonach Rückstellungen erst ab Erreichen einer bestimmten, vom Datum der Zusage abhängigen Altersgrenze gebildet werden. Derartige pauschale Ansätze sind handelsbilanziell unzulässig, sodass die Fluktuation bei der Ermittlung des notwendigen Erfüllungsbetrags als eigene Ausscheidensursache einzurechnen ist. Es wird auf Branchen- oder auf unternehmensspezifische Erfahrungswerte zurückgegriffen werden können. Statistisch fundierte Auswertungen werden i. d. R. nicht vorliegen. Die Erfahrung aus der internationalen Bewertung zeigt jedoch, dass der exakten Abbildung der Fluktuation aufgrund ihrer geringen materiellen Auswirkungen in der Pra...