Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Realisierung eines Auflösungsverlusts bei wesentlicher Beteiligung; Maßgeblichkeit des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG bei Prüfung von Verfahrensfehlern
Leitsatz (NV)
- Der Grundsatz, dass ein Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG erst mit Abschluss des Liquiditätsverfahrens entstanden ist, gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters oder einer Zwischenrechnungslegung ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquiditätswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint.
- Bei der Prüfung, ob das Finanzgericht seiner Ermittlungspflicht nicht genügt hat, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen.
Normenkette
EStG § 17 Abs. 4; FGO §§ 76, 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 18.03.2003; Aktenzeichen 12 K 4669/01) |
Gründe
Die Beschwerde ist selbst dann unzulässig, wenn dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen der Versäumung der Frist für die Beschwerdebegründung gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Denn der Kläger hat keinen Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.
1. Der Kläger hat zwar behauptet, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Er hat einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO aber nicht schlüssig dargetan. Das FG hat seine Entscheidung ausdrücklich auf Rechtssätze gestützt, die in der vom ihm zitierten Rechtsprechung des BFH zur Frage des Zeitpunkts der Realisierung eines Veräußerungsverlustes gemäß § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgestellt sind, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet wird. Die Beschwerde hat nicht herausgearbeitet, zu welcher konkreten Rechtsfrage das FG einen anderen Rechtsstandpunkt eingenommen haben soll als der BFH.
Tatsächlich weicht die Vorentscheidung auch nicht von der Rechtsprechung des BFH ab. Dieser hat von dem Grundsatz, dass ein Veräußerungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG erst mit Abschluss des Liquidationsverfahrens entstanden ist (vgl. z.B. Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, BFHE 194, 120, BStBl II 2001, 286, unter I. der Gründe), eine Ausnahme u.a. für den Fall zugelassen, dass aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters (§§ 123, 124 der Konkursordnung ―KO―) oder einer Zwischenrechnungslegung (§ 132 Abs. 2 KO) ohne weitere Ermittlungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, unter II.4. der Gründe). Diese Voraussetzungen waren im Streitfall solange nicht erfüllt, wie der Kläger selbst noch einen Zwangsvergleich für möglich gehalten hat.
2. Auch die Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, ist nicht schlüssig erhoben worden. Bei der Prüfung, ob das FG seiner Ermittlungspflicht (§ 76 FGO) genügt hat, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, unter II.1.a der Gründe, m.w.N.). Im Streitfall kam es auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG, dass von einer Realisierung des Auflösungsverlusts jedenfalls solange nicht auszugehen sei, wie der Kläger selbst subjektiv einen Zwangsvergleich für möglich gehalten habe, auf die Frage, ob die Erwartungen des Klägers tatsächlich begründet waren, nicht an.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen