Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an den EuGH: Ort der Dienstleistung bei der Vermehrung menschlicher Knorpelzellen zur Eigenimplantation und Verwendung der USt-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers des anderen Mitgliedstaats
Leitsatz (amtlich)
Dem EuGH werden die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass
a) das einem Menschen entnommene Knorpelmaterial ("Biopsat"), welches einem Unternehmer zum Zwecke der Zellvermehrung und anschließenden Rückgabe als Implantat für den betroffenen Patienten überlassen wird, ein "beweglicher körperlicher Gegenstand" im Sinne dieser Bestimmung ist,
b) das Herauslösen der Gelenkknorpelzellen aus dem Knorpelmaterial und die anschließende Zellvermehrung "Arbeiten" an beweglichen körperlichen Gegenständen im Sinne dieser Bestimmung sind,
c) die Dienstleistung dem Empfänger bereits dann "unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht" worden ist, wenn diese in der Rechnung des Erbringers der Dienstleistung angeführt ist, ohne dass eine ausdrückliche schriftliche Vereinbarung über ihre Verwendung getroffen wurde?
2. Falls eine der vorstehenden Fragen verneint wird:
Ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass das Herauslösen der Gelenkknorpelzellen aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial und die anschließende Zellvermehrung dann eine "Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin" ist, wenn die durch die Zellvermehrung gewonnenen Zellen dem Spender wieder implantiert werden?
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 28b Teil F Unterabs. 1, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c; UStG 1999 § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c, § 4 Nr. 14
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
I. Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Biotechnologie-Unternehmen in der Rechtsform einer AG. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Erforschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Technologien zur Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Knorpels, der Knochen, des Bindegewebes und der Haut. Die Klägerin ist im Bereich der Gewebezüchtung ("Tissue-Engineering") tätig. Streitig sind im Revisionsverfahren nur noch die Umsätze der Klägerin aus der Vermehrung körpereigener (autologer) Knorpelzellen (Chondrozyten) in den Fällen, in denen die Leistungsempfänger (Ärzte oder Kliniken) in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ansässig sind und die Klägerin in ihren Rechnungen deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben hat.
Der Klägerin wird von dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Klinik Knorpelmaterial ("Biopsat") übersandt, das einem Patienten entnommen wurde. Das Gewebe wird im Labor der Klägerin so bearbeitet, dass die Gelenkknorpelzellen (Chondrozyten) herauslösbar sind. Die Gelenkknorpelzellen werden nach spezieller Aufbereitung in der Umgebung ihres eigenen Blutserums in einem Brutschrank --in der Regel innerhalb von drei bis vier Wochen-- durch Züchtung vermehrt. Teilweise werden die gezüchteten Zellen im Labor in eine Kollagen-Membran eingebracht, so dass eine Art "Knorpelpflaster" entsteht. Dieses wird dem behandelnden Arzt oder der Klinik zur Implantation beim Patienten übersandt(sog. "Matrix-unterstützte autologe Knorpelzellen-Implantation" --MACI--). Teilweise beschränkt sich die Klägerin auch darauf, die Knorpelzellen zu züchten, ohne sie in eine Membran einzubringen (sog. "Autologe Chondrozytenimplantation" --ACI--).
Die Klägerin behandelte ihre Umsätze aus der Zellvermehrung mit ausländischen Leistungsempfängern als nicht steuerpflichtig. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt) hielt diese Umsätze für steuerbar und steuerpflichtig und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2002 mit Bescheid vom 17. Dezember 2003 entsprechend fest.
Die Klägerin hat sowohl im Einspruchsverfahren als auch im Klageverfahren die Auffassung vertreten, die Vermehrung der Knorpelzellen sei keine Heilbehandlung. Vielmehr handele es sich um "routinemäßige Laborleistungen", die von biotechnischen oder medizinisch-technischen Assistenten ausgeführt würden. Die notwendigen Qualitätskontrollen würden von einem Pharmazeuten und einem externen Apotheker vorgenommen.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Zellvermehrung sei eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 --UStG--). Bei dieser bestimme sich der Ort der Leistung nach § 3a UStG. Die Zellvermehrungen seien als "Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen" i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 1 UStG zu beurteilen. Auch zur Transplantation entnommene Organe seien mit der Trennung vom Körper bewegliche Sachen. Ob der abgetrennte Körperteil später zu einer Eigen- oder Fremdtransplantation verwendet werde, könne für die Subsumtion unter den gemeinschaftsrechtlichen Begriff der "beweglichen körperlichen Gegenstände" keinen Unterschied machen. Ausweislich der Ausgangsrechnungen der Klägerin hätten die in den anderen Mitgliedstaaten ansässigen Kunden gegenüber der Klägerin die ihnen erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern ihres jeweiligen Mitgliedstaats verwendet. Die Umsätze seien daher in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerbar. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 959 veröffentlicht.
Das Finanzamt macht zur Begründung seiner Revision geltend, durch die kurzzeitige Trennung vom Körper würden die Zellen nicht zu beweglichen Gegenständen. Darüber hinaus handele es sich bei den Zellvermehrungen auch nicht um "Arbeiten" i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 1 UStG. Es liege auch keine "Verwendung" der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer i.S. des § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 2 UStG vor. Dafür wäre grundsätzlich eine ausdrückliche Vereinbarung vor der Ausführung der Leistung zwischen der Klägerin und den Leistungsempfängern erforderlich gewesen (vgl. Abschn. 42c Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 und Abschn. 36 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abschn. 42c Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008).
Das Finanzamt beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat setzt das Verfahren aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Leitsatz genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
1. Die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen
a) Die Vorschriften des deutschen Rechts
aa) Ort der sonstigen Leistung
Zum Ort der sonstigen Leistung bestimmt § 3a Abs. 2 Nr. 3 UStG:
"Die folgenden sonstigen Leistungen werden dort ausgeführt, wo der Unternehmer jeweils ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird:
…
c) Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände. Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber dem leistenden Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, gilt die unter dieser Nummer in Anspruch genommene Leistung als in dem Gebiet des anderen Mitgliedstaats ausgeführt …"
bb) Steuerbefreiung
Nach § 4 Nr. 14 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei
"die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker …"
b) Die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts
aa) Ort der Dienstleistung
Art. 9 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) bestimmt:
"Es gilt jedoch
…
c) als Ort der folgenden Dienstleistungen der Ort, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden:
…
- Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen;
…"
Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG lautet:
"Bei Begutachtungen von oder Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen, die an Empfänger erbracht werden, die eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen Mitgliedstaat als dem haben, in dem diese Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden, gilt abweichend von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c) der Ort der Dienstleistungen als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Empfänger der Dienstleistung die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, unter der ihm die Dienstleistung erbracht wurde."
Die Begründungserwägung 10 der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer (Richtlinie 95/7/EG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 102/18) bestimmt:
"Um den innergemeinschaftlichen Handel im Bereich der Bearbeitung beweglicher körperlicher Gegenstände zu erleichtern, sind die Einzelheiten der Besteuerung dieser Umsatzgeschäfte zu ändern, wenn diese für einen Empfänger erbracht wurden, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, in dem die Umsatzgeschäfte tatsächlich erfolgt sind."
bb) Steuerbefreiung
Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer
"c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden;
…"
2. Rechtliche Würdigung
Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Finanzgericht und den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der Übergabe der vermehrten Knorpelzellen an den behandelnden Arzt oder die Klinik nicht um eine Lieferung handelt (vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG), sondern dass die Klägerin mit der Vermehrung der Zellen eine Dienstleistung erbracht hat (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Denn sie kann nicht frei wie ein Eigentümer über das ihr übersandte Knorpelmaterial verfügen, sondern ist verpflichtet, die aus dem Knorpel herausgelösten und vermehrten Zellen zurückzuschicken.
Die Zellvermehrung ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerbar oder fällt nicht in den Anwendungsbereich des deutschen UStG, wenn der Ort dieser Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Das ist gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG und gemäß Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG nur dann der Fall, wenn die unter Nr. 1 des Leitsatzes aufgeführten Fragen bejaht werden.
a) Zu den Fragen unter Nr. 1.
aa) Zu Frage 1. Buchst. a
Der Begriff der "beweglichen körperlichen Gegenstände" in Art. 9 Abs. 2 Buchst. c 4. Gedankenstrich und Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG sowie in § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c UStG ist ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff, der autonom und nicht nach den Grundsätzen des deutschen Zivilrechts auszulegen ist.
Für die Annahme, dass das entnommene Knorpelmaterial ein beweglicher körperlicher Gegenstand ist, spricht, dass der Richtliniengeber nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG und der deutsche Gesetzgeber nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG davon ausgehen, dass menschliche Organe, menschliches Blut und Frauenmilch Gegenstand von Lieferungen sein können. Daraus lässt sich ableiten, dass ein dem menschlichen Körper entnommenes und zur Transplantation in einen fremden Körper bestimmtes Organ umsatzsteuerrechtlich als Gegenstand beurteilt wird.
Auch im Arzneimittelrecht steht der Auffassung, es liege ein Gegenstand, nämlich ein Arzneimittel vor, nicht entgegen, dass es lebensfähige Zellen oder Gewebe enthält. Die Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (VO Nr. 1394/2007) sieht als "Arzneimittel für neuartige Therapien" unter anderem "biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte" an, und zwar auch dann, wenn sie menschliche Zellen oder Gewebe enthalten (vgl. Kap. 1 Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b VO Nr. 1394/2007). An der Qualifikation als Arzneimittel ändert sich nichts, wenn es auch autologe (vom Patienten selbst stammende) Zellen oder Gewebe enthält (vgl. Kap. 1 Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 1394/2007).
Unabhängig davon, ob es sich im Streitfall um ein Arzneimittel für eine neuartige Therapie i.S. der VO Nr. 1394/2007 handelt, zeigen die Regelungen jedenfalls, dass eine autologe Anwendung der Qualifizierung als "Gegenstand" nicht unbedingt entgegensteht.
Der Senat neigt vor diesem Hintergrund dazu, die Frage, ob das zur Eigenimplantation entnommene Gewebe ein "beweglicher körperlicher Gegenstand" im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist, zu bejahen.
bb) Zu Frage 1. Buchst. b
Ist das an die Klägerin übersandte Knorpelmaterial ein beweglicher körperlicher Gegenstand, liegt es nahe, das Herauslösen des Zellkerns und die Zellvermehrung als "Arbeiten" an diesem Gegenstand anzusehen. Der Begriff "Arbeiten" schließt nicht von vornherein aus, dass als Folge und Ziel der "Arbeiten" eine Vermehrung des Gegenstands eintritt.
Auch die VO Nr. 1394/2007 geht ohne weiteres und ohne Unterscheidung zwischen einer autologen oder allogenen Anwendung davon aus, dass Gewebeprodukte biotechnologisch "bearbeitet" werden können (vgl. Kap. 1 Art. 2 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 1394/2007). Es sind keine Gründe erkennbar, weshalb dies aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht anders beurteilt werden sollte.
Dieser Auffassung steht das EuGH-Urteil vom 6. März 1997 C-167/95 --Linthorst, Pouwels en Scheren-- (Slg. 1997, I-1195) nicht entgegen. Soweit sich der EuGH darin mit dem Begriff der "Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen" im Zusammenhang mit der Dienstleistung von Tierärzten befasst hat, hat er darauf verwiesen, dass es sich bei diesen "Arbeiten" um einen Eingriff handelt, der --anders als die Heilbehandlung von Tieren-- nicht wissenschaftlicher oder intellektueller Natur ist (Randnr. 16).
Im Streitfall hat die Klägerin selbst vorgetragen, sie erbringe mit der Zellvermehrung "routinemäßige Laborleistungen".
cc) Zu Frage 1. Buchst. c
Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erfordert, dass der Empfänger der Dienstleistungen eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in einem anderen Mitgliedstaat hat und ihm die Dienstleistung unter dieser Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht wurde. Der Wortlaut der Bestimmung kann ohne weiteres dahin verstanden werden, dass die Dienstleistung bereits immer dann unter dieser Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbracht wurde, wenn der Leistungserbringer die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers in seiner Rechnung angibt. Auch der Begründungserwägung 10 der Richtlinie 95/7/EG ist nicht zu entnehmen, dass für die Verlagerung des Orts der Dienstleistung in den Mitgliedstaat des Leistungsempfängers außer der Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in der Rechnung weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Wollte man bei einer Rechnung über die Bearbeitung von beweglichen körperlichen Gegenständen über den Ausweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaats hinaus zusätzliche Vereinbarungen verlangen, würde dies den Handelsverkehr jedenfalls nicht erleichtern.
Zwar verlangt § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c Satz 2 UStG, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer "verwendet". Dieser Begriff lässt Raum für die Annahme, dass der Leistungsempfänger hinsichtlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aktiv tätig werden muss und ihre bloße Angabe im Briefkopf des Leistungsempfängers bei der Erteilung des Auftrags nicht ausreicht. Es ist jedoch zweifelhaft, ob der deutsche Gesetzeswortlaut die Vorgabe in Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zutreffend umsetzt und der Zweck der Vorschrift eine derartige Auslegung erfordert.
b) Zu Frage 2.
Für den Fall, dass die Voraussetzungen des Art. 28b Teil F Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG nicht erfüllt sind, läge ein in der Bundesrepublik Deutschland steuerbarer, d.h. ein in den Anwendungsbereich des deutschen UStG fallender Umsatz vor. Dieser könnte nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein. Sollte das Knorpelmaterial nicht als "beweglicher körperlicher Gegenstand" qualifiziert werden, sondern wegen der "funktionalen Einheit" mit dem Körper eines Menschen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. November 1993 VI ZR 62/93, BGHZ 124, 52) ebenso zu behandeln sein wie der Mensch selbst, wäre es denkbar, dass an diesem Material --wie an einem Menschen selbst-- "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" ausgeführt werden können. Es wäre zu entscheiden, ob das Herauslösen der Zellen und die Zellvermehrung eine solche Heilbehandlung wäre.
3. Entscheidungserheblichkeit der Fragen
Wenn alle drei Fragen zu Nr. 1 bejaht würden, hätte das Finanzgericht der Klage zu Recht stattgegeben und die Revision des Finanzamts wäre als unbegründet zurückzuweisen.
Wenn nur eine dieser Fragen verneint wird, läge ein in der Bundesrepublik Deutschland steuerbarer Umsatz vor. Die Klage wäre abzuweisen, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG oder § 4 Nr. 14 UStG nicht vorlägen. Dies wäre der Fall, wenn es sich bei der Zellvermehrung nicht um "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" handelt.
Sollte hingegen eine Heilbehandlung angenommen werden, müsste die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen und aufgeklärt werden, ob die Laborleistungen der Klägerin im Rahmen der Ausübung eines arztähnlichen Berufs erbracht worden sind. Dies erscheint möglich, da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine medizinisch-technische Assistentin einen arztähnlichen Beruf ausübt (Urteil vom 29. Januar 1998 V R 3/96, BFHE 185, 287, BStBl II 1998, 453). Die Klägerin hat vorgetragen, die routinemäßigen Laborarbeiten würden sowohl von biotechnischen als auch von medizinisch-technischen Assistenten ausgeführt.
4. Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
Fundstellen
Haufe-Index 2159572 |
BFH/NV 2009, 1050 |
BFH/PR 2009, 340 |
BStBl II 2009, 563 |
BFHE 2010, 236 |
BFHE 225, 236 |
DB 2009, 1214 |
DStRE 2009, 745 |
HFR 2009, 808 |
UR 2009, 494 |