Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Tatbestandsberichtigung im Revisionsverfahren; Beschlussergänzung; Gegenvorstellung
Leitsatz (NV)
- Dem Vertretungserfordernis vor dem Bundesfinanzhof ist genügt, wenn der Schriftsatz auch von einem zur Vertretung befugten Rechtsanwalt unterschrieben ist.
- Für einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung fehlt im Falle eines nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbaren Beschlusses im Revisionsverfahren regelmäßig das Rechtsschutzinteresse.
- Von der Regelung über die nachträgliche Ergänzung eines Beschlusses sind Sachanträge, aber nicht Anträge zur Durchführung des Verfahrens wie z.B. gestellte Beweisanträge erfasst.
- Eine Gegenvorstellung ist statthaft, wenn die Verletzung des Rechts auf Gehör gerügt wird.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO §§ 62a, 76 Abs. 1 S. 5, §§ 108-109, 116 Abs. 5 S. 2; StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Nachgehend
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragt aus den in dem von ihm selbst und Rechtsanwalt A unterzeichneten Schriftsatz vom … ausgeführten Gründen die Berichtigung des Tatbestandes sowie die Ergänzung des Senatsbeschlusses vom 1. August 2002 VII B 35/02, mit dem seine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen worden ist. Außerdem strebt er die Abänderung dieses Beschlusses in seinem Sinne an.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Anträge des Klägers auf Tatbestandsberichtigung und Ergänzung des Beschlusses sowie eine dem Vortrag im Schriftsatz vom … ebenfalls zu entnehmende Gegenvorstellung sind nicht deshalb unzulässig, weil sich der Kläger, dessen Bestellung als Steuerberater inzwischen rechtskräftig widerrufen worden ist, selbst vertritt, obwohl er nach § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mehr vor dem Bundesfinanzhof (BFH) vertretungsberechtigt ist. Denn der Schriftsatz, mit dem die Anträge gestellt worden sind, ist auch von Rechtsanwalt A unterzeichnet, der gemäß § 62a FGO vor dem BFH vertretungsbefugt ist.
2. Der Antrag des Klägers auf Berichtigung des Tatbestandes des Senatsbeschlusses vom 1. August 2002 VII B 35/02 (BFH/NV 2002, 1499) ist unzulässig.
Für die Anwendung des § 108 FGO fehlt im Falle eines nicht mehr mit Rechtsmitteln anfechtbaren Beschlusses im Revisionsverfahren regelmäßig das Rechtsschutzinteresse (vgl. BFH, Beschlüsse vom 28. September 1993 VII B 83/93, BFH/NV 1994, 189, und vom 2. Oktober 2000 III S 8/00, BFH/NV 2001, 328; Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 121 FGO Rz. 29; Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 108 FGO Rz. 37, 40; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 108 FGO Rz. 3, 6, 7, 13; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 121 FGO Rz. 6).
Der Umstand, dass der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 134 FGO, § 580 Nr. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) beantragt hat, rechtfertigt das Rechtsschutzinteresse schon deshalb nicht, weil sein Vortrag nicht ergibt, dass ein Wiederaufnahmeverfahren zulässig sein könnte. Seinen Ausführungen im Schriftsatz vom 10. September 2002 ist nämlich nicht zu entnehmen, dass die Voraussetzungen des § 581 ZPO erfüllt sind.
Ein Rechtsschutzinteresse für den Antrag auf Tatbestandsberichtigung lässt sich auch nicht aus der beabsichtigten Einlegung einer Verfassungsbeschwerde und einer Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte herleiten, weil in diesen Verfahren keine Tatbestandsbindung besteht.
3. Der Antrag auf Ergänzung des Senatsbeschlusses ist unbegründet.
Der Senat hat sowohl über den gestellten einzigen Sachantrag, nämlich den Antrag, die Revision zuzulassen, als auch über die Kostenfolge entschieden. Anträge zur Durchführung des Verfahrens wie z.B. die gestellten Beweisanträge sind von der Regelung in § 109 FGO nicht erfasst (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 109 FGO Rz. 2). Soweit der Kläger ―zusammengefasst― rügt, sein Vortrag sei in dem Beschluss nicht vollständig gewürdigt worden, kann er einen Anspruch auf Ergänzung der Begründung nicht aus § 109 FGO herleiten.
4. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz auch zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Abänderung des Beschlusses liege, kann darin eine Gegenvorstellung gesehen werden. Diese ist statthaft (vgl. BFH, Beschluss vom 12. Oktober 1994 II B 57/94, BFH/NV 1995, 333), weil der Kläger inzident die Verletzung seines Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ―GG―) rügt, indem er die Tatbestandsberichtigung beantragt. Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Soweit der Kläger rügt, wesentliche Teile seines Vortrags seien im Tatbestand nicht wiedergegeben und nicht behandelt worden, ist sie unbegründet. Denn die verkürzte Wiedergabe des Tatbestandes ist durch § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ebenso gerechtfertigt, wie das (teilweise) Absehen von der Begründung.
Sie ist aber auch unbegründet, soweit der Kläger beanstandet, der im Beschluss wiedergegebene Tatbestand sei deshalb falsch, weil der Beschluss die Aussage enthalte, dass der Kläger zum Ermittlungsrecht des Finanzgerichts (FG) keine konkrete Frage gestellt habe. Zwar hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 19. Februar 2002 tatsächlich die seiner Meinung nach grundsätzlich bedeutsame Frage gestellt:
"Darf das Gericht in Ausübung des Amtsermittlungsgrundsatzes über den Vortrag des Beteiligten hinaus und zu Sachverhalten, die keiner der Beteiligten vorgetragen hat, eigene Ermittlungen anstellen und diese selbst, ohne irgendeinen Beteiligten damit zu befassen und darin zu involvieren, sich selbst als Urteilsgrundlage zuführen und darüber urteilen?
Darf das Gericht also im Rahmen des Verfahrens aufgrund des Amtsermittlungsprinzips die Stellung des Beteiligten mit einnehmen, in dem Ausmaß, dass der Beteiligte im Verfahren überflüssig wird, auch ohne dessen Willen oder entgegen dessen Willen?".
Auch wenn der Senat dies in seinem Beschluss versehentlich nicht berücksichtigt hat, ändert dies im Ergebnis nichts. Denn der Senat hat zu dieser Frage ―allerdings vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Rüge eines Verfahrensmangels, die er dem Vorbringen der Beschwerde sinngemäß entnommen hat― ausgeführt, dass in Bezug auf die Ausübung des Ermittlungsrechts des FG im konkreten Fall kein Verfahrensfehler festzustellen sei. Das FG habe lediglich im Rahmen seiner sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergebenden Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, gehandelt, indem es ermittelt hat, ob die den Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes begründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Dazu könne es sich aller verfügbaren Beweismittel bedienen, um den entscheidungserheblichen Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären. An das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten ist es dabei nach § 76 Abs. 1 Satz 5 FGO nicht gebunden. Die gestellte Frage wurde damit inzident als in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig angesehen und auf den Streitfall bezogen konkret beantwortet, weil sich die Antwort eindeutig aus der maßgebenden gesetzlichen Vorschrift ergibt.
Im Übrigen ist der Vorwurf des Klägers, in dem Beschluss sei der Sachverhalt verfälscht wiedergegeben worden, nicht gerechtfertigt.
5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Fundstellen