Leitsatz (amtlich)
Lehnt das FA die Erstattung von Lohnsteuer im Lohnsteuer-Jahresausgleich ab, und legt der Steuerpflichtige hiergegen einen Rechtsbehelf ein, so kann er mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht die vorläufige Erstattung der streitigen Lohnsteuer erreichen.
Normenkette
GG Art. 3; FGO §§ 69, 114; EStG 1961 § 42; JAV vom 20. Dezember 1961 § 4
Tatbestand
Der Steuerpflichtige, ein Richter, machte im Lohnsteuerjahresausgleich 1963 und 1964 erhöhte Werbungskosten wegen der Anschaffung weißer Oberhemden, Mehraufwand an Verpflegung und Fahrkosten für Familienheimfährten geltend. Das FA erkannte die Aufwendungen nicht an und teilte dem Steuerpflichtigen mit, daß sich beim Lohnsteuerjahresausgleich keine Überzahlung von Lohnsteuer ergeben habe.
Gegen die Bescheide legte der Steuerpflichtige Einspruch ein. Für das Jahr 1963 hatte der Einspruch nur geringen, die Klage jedoch größeren Erfolg; die Revision des Steuerpflichtigen und die Anschlußrevision des FA sind beim Senat anhängig. Über den Einspruch 1964 hat das FA noch nicht entschieden; insoweit schwebt eine Untätigkeitsklage beim Finanzgericht (FG).
Der Steuerpflichtige begehrt in diesem Verfahren die Aussetzung der Vollziehung der "Lohnsteuerfestsetzung" 1963 und 1964. Das FG lehnte den Antrag in dem in EFG 1967, 519 veröffentlichten Beschluß ab und führte aus, die angefochtenen Bescheide seien keine vollziehbaren Verwaltungsakte. Im Lohnsteuerjahresausgleich setze das FA keine Lohnsteuer fest, sondern könne nur Lohnsteuer erstatten. Die Erstattung beruhe zwar auf einer Lohnsteuerberechnung, die aber keine Steuerfestsetzung sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 hat das FG die Vollziehung auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Vorschriften wollen bis zur Entscheidung über die Hauptsache dem Steuerpflichtigen einen vorläufigen Rechtsschutz gewähren (Beschluß des BFH III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447, BStBl III 1967, 182). Der Steuerpflichtige kann zwar dadurch beschwert sein, daß das FA seinen Antrag auf Erstattung von Lohnsteuer ablehnt und er kann darum gegen die Ablehnung einen Rechtsbehelf einlegen. Die Finanzbehörden können aber in solchen Fällen während des Rechtsbehelfsverfahrens in der Hauptsache nicht die schutzwürdigen Interessen des Steuerpflichtigen durch Vollziehungsmaßnahmen beeinträchtigen; denn der Ablehnungsbescheid enthält keine Anordnung oder Feststellung, die durch Vollziehung der Finanzbehörden erzwingbar wäre. Aus ähnlichen Erwägungen hat der Senat im Beschluß VI B 44/67 vom 22. September 1967 (BFH 90, 250, BStBl II 1968, 36) den Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Einkommensteuerbescheids abgelehnt, durch den ein Steuerpflichtiger die vorläufige Erstattung von einbehaltener Lohnsteuer erstrebte, die gemäß § 47 EStG auf die Einkommensteuerschuld angerechnet war. Eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung kommt nach diesem Beschluß nicht in Betracht, da der Steuerpflichtige auf Grund des angefochtenen Einkommensteuerbescheids keine Steuern geleistet hat und auch nicht zu leisten braucht, sondern die Einkommensteuerschuld mit dem Erlaß des Einkommensteuerbescheids dadurch getilgt war, daß das FA die einbehaltene Lohnsteuer gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuerschuld anrechnete.
Der Steuerpflichtige begehrte im Lohnsteuerjahresausgleich 1963 und 1964 die Erstattung von Lohnsteuer, da nach seiner Berechnung die Werbungskosten den in der Lohnsteuer eingearbeiteten Pauschbetrag von 564 DM (§ 9a Nr. 1, § 39 Abs. 1 Satz 4 EStG 1961) überstiegen. Das FA folgte dem Steuerpflichtigen nicht und teilte dem Steuerpflichtigen mit, daß sich im Lohnsteuerjahresausgleich keine Überzahlung von Lohnsteuer ergebe. Dieser Ablehnungsbescheid ist, wie gesagt, nicht vollziehbar, da er den Steuerpflichtigen nicht zur Zahlung von Steuern noch zu einem anderen Handeln, Dulden oder Unterlassen nötigt.
Der Steuerpflichtige verkennt die rechtliche Natur des Lohnsteuer-Jahresausgleichs. In diesem Verfahren werden nicht wie bei der Einkommensteuerveranlagung Steuern durch einen Verwaltungsakt "festgesetzt". Sind die Voraussetzungen des § 46 EStG nicht gegeben, so ist bei Arbeitnehmern mit der Erhebung und Abführung der Lohnsteuer die gesetzlich geschuldete Einkommensteuer grundsätzlich entrichtet, ohne daß es einer besonderen Steuerfestsetzung bedarf. Der Lohnsteuer-Jahresausgleich ist nicht auf die Festsetzung einer Steuerschuld, sondern nur auf die Erstattung zuviel gezahlter Lohnsteuer gerichtet, wie sich aus § 42 Abs. 1 Satz 1 EStG 1961 ergibt, der lautet: "Übersteigt die im Laufe des Kalenderjahres einbehaltene Lohnsteuer die auf den Jahresarbeitslohn entfallende Jahreslohnsteuer, so wird der Unterschiedsbetrag gegenüber der Jahreslohnsteuer erstattet (Lohnsteuer-Jahresausgleich)." Das in der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV) in der Fassung vom 20. Dezember 1961 und der Änderungsverordnung vom 13. Dezember 1962 näher geregelte Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren ist nur eine Sonderregelung des allgemeinen Erstattungsverfahrens nach § 152 Abs. 2 Nr. 1 AO, nach dem zu Unrecht gezahlte Beträge zu erstatten sind, wenn "eine Steuer für Rechnung eines Steuerpflichtigen ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen zu Unrecht entrichtet worden" ist (Hartz-Over, Lohnsteuer-ABC, Stichwort "Rechtsbehelfe" A I 2 c). Um den Erstattungsbetrag zu berechnen, muß das FA allerdings die Jahreslohnsteuer ermitteln und sie von der abgeführten Lohnsteuer abziehen. Diese Berechnung ist, wie das FG zutreffend ausführt, aber keine Steuerfestsetzung, sondern nur die Grundlage für die Erstattung (Urteil des Senats VI 296/65 vom 23. September 1966, BFH 87, 143, BStBl III 1967, 96).
Führt der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers an das FA ab, so liegt in der Entgegennahme der Lohnsteuerbeträge durch das FA zwar ein stillschweigender Lohnsteuerbescheid (Urteil des Senats VI 43/60 U vom 13. Mai 1960, BFH 71, 131, BStBl III 1960, 297). Entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen kann dieser Verwaltungsakt jedoch weder im Lohnsteuer-Jahresansgleich angefochten noch im Aussetzungsverfahren vorläufig rückgängig gemacht werden. Diesen Bescheid kann nur der Arbeitgeber, nicht auch der Arbeitnehmer anfechten, da er dem Arbeitnehmer gegenüber nicht wirksam ist (Urteil des RFH IV 92/37 vom 28. Oktober 1937, RStBl 1937, 1182; Hartz- Over, a. a. O., Stichwort "Erstattung von Lohnsteuer" II 1 Abs. 3 und II 5 sowie Stichwort "Rechtsbehelfe" A I 2 e).
Der Antrag auf Aussetzung kann auch nicht in einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung umgedeutet werden. Solche Anordnungen sind nach § 114 FGO nur zulässig, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Änderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder erschwert werden könnte. Derartige Änderungen sind im Streitfall nicht zu befürchten. Obsiegt der Steuerpflichtige im Hauptverfahren, so bietet ihm der Staat die Gewähr, daß ihm die zuviel gezahlte Lohnsteuer sofort erstattet wird.
Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), daß der Steuerpflichtige nicht schon vor der Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eine vorläufige Erstattung der Lohnsteuer erreichen kann. Der Gesetzgeber kann bestimmen, in welchem Rahmen die Gerichte dem Steuerpflichtigen einen vorläufigen Rechtsschutz gewähren dürfen. Er hat in der FGO den berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen dadurch Rechnung getragen, daß er den Gerichten gestattete, die Vollziehung von angefochtenen Verwaltungsakten nach § 69 FGO auszusetzen oder aufzuheben oder einstweilige Anordnungen nach § 114 FGO in bezug auf den Streitgegenstand zu treffen. Er handelte nicht willkürlich, wenn er nicht auch noch eine vorläufige Erstattung von Lohnsteuer bei einem umstrittenen Lohnsteuer-Jahresausgleich zuließ. Hier können, wie gesagt, die Rechte des Bürgers während der Dauer des Rechtsmittelverfahrens nicht beeinträchtigt werden, weil Zwangsmaßnahmen der Verwaltung oder Änderungen des bestehenden Zustandes nicht möglich sind. Der Steuerpflichtige ist zwar dadurch beschwert, daß er die Lohnsteuer im Lohnsteuer-Jahresausgleich erst nach einem für ihn günstigen Abschluß des Rechtsstreits in der Hauptsache erstattet erhalten kann. Dies beruht jedoch nicht auf Maßnahmen oder Änderungen während des Rechtsbehelfsverfahrens, sondern auf einem vor Einlegung des Rechtsbehelfs bereits geschaffenen Rechtszustand. Eine schon bestehende Rechtslage aber bis zur Beendigung des Rechtsstreits hinzunehmen, bedeutet im allgemeinen keinen schwerwiegenden Eingriff in die Belange des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige ist auch nicht etwa schlechter gestellt als andere Steuerpflichtige, die vor dem Erlaß des angefochtenen Bescheids Steuern entrichtet haben; denn eine Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht möglich bei der Anfechtung von Einkommensteuerbescheiden, wenn der Steuerpflichtige mit der Aussetzung die vorläufige Erstattung von Einkommensteuervorauszahlungen oder von Lohnsteuer erreichen will, die nach § 47 EStG auf die Einkommensteuerschuld angerechnet worden sind (BFH-Beschluß I B 3/66 vom 9. August 1966, BFH 86, 723, BStBl III 1966, 646; Beschluß des Senats VI B 44/67, a. a. O.).
Fundstellen
Haufe-Index 412877 |
BStBl II 1968, 287 |
BFHE 1968, 138 |