Leitsatz (amtlich)
Da eine auf § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG gestützte Rechtsverordnung der Landesregierung über die sachliche Zuständigkeit der FÄ Landesrecht und nicht Bundesrecht ist, kann die Revision in der Regel nicht auf die Verletzung der Rechtsverordnung gestützt werden. Eine die Anwendung oder Auslegung dieser nichtrevisiblen Rechtsverordnung rügende Nichtzulassungsbeschwerde kann deshalb keine grundsätzliche Bedeutung haben.
Normenkette
FVG § 17 Abs. 2 Satz; FGO §§ 115, 118
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) zeigte mit Abtretungsanzeige vom 30. November 1979 dem Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt - FA -) an, daß er seine Ansprüche auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1979 an seinen Vermieter abgetreten habe. Das FA teilte dem Kläger und dem Vermieter daraufhin mit, daß die Abtretung unwirksam sei, weil sie vor Entstehung des Erstattungsanspruchs eingereicht worden sei. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1980 bat die Gerichtskasse Hamburg das FA, mit Gerichtskosten in Höhe von 874,60 DM gegen den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der im Jahre 1979 zuviel gezahlten Lohnsteuer aufzurechnen. Das FA setzte den Erstattungsanspruch im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren durch Bescheid vom 2. Februar 1981 auf 1 007 DM fest und erklärte gleichzeitig die Aufrechnung mit den Ansprüchen der Gerichtskasse Hamburg.
Nach erfolgloser Beschwerde erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, die Aufrechnungserklärung und die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, daß für die Erklärung der Aufrechnung nicht das beklagte FA, sondern das FA für Steuererhebung in Hamburg sachlich zuständig sei. Es führte aus, daß sich die sachliche Zuständigkeit der FÄ aus § 17 Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG) ergebe. Nach Satz 3 der genannten Vorschriften könne die zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung Zuständigkeiten der FÄ einem FA für den Bereich mehrerer FÄ übertragen, soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handele und dadurch der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert werde. Aufgrund der Anordnung zur Änderung der Anordnung über die Zuständigkeit der Finanzämter vom 2. Oktober 1979 (Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - II 1979, 1729) sei bestimmt worden:
"XVII Zuständig für die Erhebung mit Ausnahme von Stundung und Erlaß von Säumniszuschlägen bei Steuern für die Finanzämter ..., Hamburg-Nord ... ist das Finanzamt für Steuererhebung in Hamburg."
Nach dem Aufbau der Abgabenordnung (AO 1977) beschränke sich der Begriff Steuererhebung (ein Begriff aus dem Bereich der Geltendmachung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis) nicht allein auf die Entgegennahme der geschuldeten Leistung und deren buchmäßige Erfassung, die Abwicklung von Erstattungen sowie die Annahme von Sicherheitsleistungen, sondern umfasse vielmehr neben den Kassengeschäften insbesondere den Erlaß von Abrechnungsbescheiden (§ 218 Abs. 2 AO 1977), die Stundung (§ 222 AO 1977), die Aufrechnung (§ 226 AO 1977) und den Erlaß (§ 227 AO 1977). Da die zum Erhebungsverfahren gehörende Aufrechnung durch die Anordnung über die Zuständigkeit der FÄ in der hier maßgebenden Fassung nicht aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des FA für Steuererhebung in Hamburg herausgenommen worden sei, sei die vom beklagten FA erklärte Aufrechnung wegen sachlicher Unzuständigkeit rechtswidrig.
Das FG ließ die Revision nicht zu.
Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abhalf, macht das FA geltend, daß die Sache grundsätzliche Bedeutung habe. Es führt aus, das FG habe dem Begriff "Erhebung" in Ziff. XVII der Zuständigkeitsanordnung in der Fassung vom 2. Oktober 1979 einen sehr viel weitergehenden Inhalt als die für die Finanzverwaltung zuständige oberste Landesbehörde gegeben.
Bundesrecht sei deshalb verletzt, weil Gegenstand der streitigen Rechtssache § 17 Abs. 2 FVG und die darauf beruhende Rechtsverordnung sei. Verletzt habe das FG den in § 17 Abs. 2 FVG und in Ziff. XVII der Senatsanordnung enthaltenen Begriff "Zuständigkeit". Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich aus den gravierenden Auswirkungen des Urteils des FG auf die praktische Arbeit der Hamburger FÄ.
Der Kläger hat keine Erklärungen abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Unter Rechtssache im Sinne der genannten Vorschrift ist die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage zu verstehen, wie die Ziff. XVII der Anordnung über die Zuständigkeit der FÄ in der Fassung der Änderungsanordnung vom 2. Oktober 1979 auszulegen ist. Diese Anordnung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg beruht, wovon das FG zutreffend ausgegangen ist, auf § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG, also auf einer bundesgesetzlichen Ermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG). Das wirft die Frage auf, ob es sich bei einer auf Bundesrecht beruhenden Rechtsverordnung einer Landesregierung um Bundesrecht oder um Landesrecht handelt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese umstrittene Rechtsfrage mit Beschluß vom 23. März 1965 2 BvN 1/62 (BVerfGE 18, 407) geklärt und entschieden, daß Rechtsverordnungen von Landesorganen, die auf einer bundesgesetzlichen Ermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG beruhen, Landesrecht sind. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen. Bei der Anordnung über die Zuständigkeit der FÄ handelt es sich danach um Landesrecht. Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO kann die Revision aber nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Da die im Streitfall allein streitige Rechtsfrage, nämlich die Auslegung des Begriffs "Erhebung" in Ziff. XVII der Anordnung über die Zuständigkeit der FÄ, nichtrevisibles Landesrecht zum Gegenstand hat (mit der Rechtsfolge, daß der Bundesfinanzhof - BFH - als Revisionsgericht die vom FG getroffene Entscheidung insoweit auch dann nicht überprüfen dürfte, wenn die Revision wegen der Höhe des Streitwerts zulässig wäre), kann sie keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO haben. Es verhält sich hier nicht anders als in dem mit Beschluß des BFH vom 3. März 1967 III B 20/66 (BFHE 88, 280, BStBl III 1967, 370) entschiedenen Falle. Dort hat der BFH entschieden, daß eine Sache dann nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wenn die Entscheidung des Streitfalls nur von der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse abhängt, es sich im Ergebnis also ebenfalls nicht um eine revisible Rechtsfrage handelt (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 12).
Einer der Fälle, in denen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Revisionsgericht bei der Anwendung nichtrevisiblen Rechts dessen Vereinbarkeit mit revisiblem Recht, insbesondere mit den Grundrechten und mit allgemeinen Grundsätzen des GG zu prüfen hat (vgl. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., § 137 Rdnrn. 12 und 31), liegt hier nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 74063 |
BStBl II 1982, 327 |
BFHE 1982, 169 |