Entscheidungsstichwort (Thema)
Befangenheitsrüge wegen Mitwirkung in früheren Verfahren des Prozessbevollmächtigen
Leitsatz (NV)
Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem abgelehnten Richter, die in einem anderen Verfahren zutage getreten sind, können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit in dem vom Kläger angestrengten Verfahren begründen, wenn eine ablehnende Einstellung auch in diesem Verfahren erkennbar ist. Sachliche Meinungsunterschiede in Fragen der richtigen Prozessleitung reichen dafür nicht aus.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Tatbestand
I. Der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) hat eine beim … Senat des Finanzgerichts (FG) anhängige Klage erhoben. Mit Schreiben vom 28. Juni 2000 lehnte der Kläger den Richter am FG X, der Mitglied des … Senats, aber nicht Berichterstatter im Verfahren des Klägers ist, als befangen ab. Er begründete seine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters X mit den Ablehnungsgesuchen in anderen Verfahren. An diesen Verfahren ist der Kläger nicht beteiligt. Richter am FG X erklärte sich in einer dienstlichen Äußerung vom 29. Juni 2000 nicht für befangen. Dem Kläger war eine Frist zur Stellungnahme zu dieser Äußerung bis zum 5. September 2000 eingeräumt worden.
Mit Beschluss vom 21. August 2000 lehnte das FG ―ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters― das Ablehnungsgesuch ab.
Dagegen legte der Kläger Beschwerde ein, der das FG nicht abhalf. Eine Begründung erfolgte ―trotz mehrerer Fristverlängerungen― nicht.
Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hat keine Stellungnahme zur Sache abgegeben.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß § 128 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757; vgl. Art. 4 2.FGOÄndG) zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 16. Dezember 1996 I B 100/94, BFH/NV 1997, 369). Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 369).
2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtfertigen die vom Kläger vorgetragenen Gründe nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Der Kläger stützt sein Befangenheitsgesuch zu Unrecht auf ein Verhalten des abgelehnten Richters in zwei anderen Verfahren, an denen er selbst nicht beteiligt ist oder war. Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem abgelehnten Richter, die in anderen Verfahren zutage getreten sind, können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit in dem konkreten Verfahren begründen, wenn eine ablehnende Einstellung auch in diesem Verfahren in Erscheinung getreten ist; sachliche Meinungsunterschiede in Fragen der richterlichen Prozessleitung reichen dafür aber nicht aus (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl., § 42 Rn. 13). Im Streitfall hat der Kläger weder in seinem Befangenheitsgesuch noch mit der Beschwerde Umstände dargelegt, die im vorliegenden Verfahren in Erscheinung getreten sind und aus denen sich eine Voreingenommenheit oder unsachliche innere Einstellung ihm oder seinem Prozessbevollmächtigten gegenüber ableiten ließe. Solche Gründe sind auch nicht aus den Akten ersichtlich. Vielmehr ist der abgelehnte Richter, der nicht Berichterstatter im Verfahren des Klägers war, bis zum Zeitpunkt der Einreichung des Ablehnungsgesuchs in seiner Streitsache überhaupt nicht tätig geworden. Es sind auch keine Umstände aus anderen Verfahren vorgetragen oder ersichtlich, von denen zu befürchten ist, dass sie sich auch in dem vom Kläger angestrengten Verfahren auswirken könnten.
Fundstellen