Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung
Leitsatz (amtlich)
Es ist unzulässig, weil rechtsmißbräuchlich, die an einem Vorbescheid mitwirkenden Richter mit der Begründung als befangen abzulehnen, sie hätten trotz des Antrags auf mündliche Verhandlung deshalb einen Vorbescheid erlassen, um einer streitigen mündlichen Verhandlung auszuweichen. Über den unzulässigen Antrag auf Richterablehnung entscheidet der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung, d. h. unter Mitwirkung der abgelehnten Richter (BFHE 112, 457).
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lehnte nach Ergehen eines Vorbescheids durch den erkennenden Senat sämtliche Mitglieder der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründet ihre Ablehnung im wesentlichen damit, die abgelehnten Richter hätten einige Einwendungen und Gründe völlig übergangen, andere Sachverhalte völlig entstellt dargestellt und andere Einwendungen und Gründe in einer Weise dargestellt und/oder ausgelegt, die als willkürlich und als Gesetzesverletzung anzusehen sei.
Entscheidungsgründe
Die Richterablehnung der Klägerin ist unzulässig, weil sie rechtsmißbräuchlich ist. Die Ablehnung sämtlicher Richter eines Senats ohne Darlegung der Gründe, die gegen die Unparteilichkeit des einzelnen Richters oder aller Richter des Senats sprechen, ist unzulässig (vgl. Entscheidung des BFH vom 2. März 1967 VII R 42/66, BFHE 88, 194, BStBl III 1967, 320). Im Entscheidungsfall VII R 42/66 waren die abgelehnten Richter allerdings nicht einmal namentlich benannt. Die Klägerin hat dagegen die Richter des erkennenden Senats einzeln mit Namen aufgeführt. Trotzdem besteht kein Unterschied zur Entscheidung VII R 42/66, weil die Klägerin nicht Befangenheitsgründe vorbringt, sondern lediglich mit dem Vorbescheid des Senats nicht einverstanden ist und damit ungeachtet der namentlichen Benennung der Richter den ganzen Senat pauschal ablehnt. Das BVerwG hat zwar mit Urteil vom 5. Dezember 1975 VI C 129/74 (Bayerische Verwaltungsblätter 1976 S. 346 - BayVBl 1976, 346 -) entschieden, die Ablehnung aller Mitglieder eines Spruchkörpers wegen Besorgnis der Befangenheit sei im Hinblick auf konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit zulässig. Denn der Prozeßbeteiligte wisse nicht und könne wegen des Beratungsgeheimnisses nicht wissen, welche Richter die Entscheidung mitgetragen hätten. Im Entscheidungsfall VI C 129/74 trug der Kläger, der als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden wollte, nach Versagung des Armenrechts jedoch konkrete Gründe vor, die bei ihm Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der Richter erweckten. Das Ziel der Richterablehnung der Klägerin dieses Verfahrens ist dagegen, daß ihre Revision deshalb von einem anderen Senat des BFH als dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen entschieden werden soll, weil sie anderer Rechtsauffassung ist als sie der Senat im Vorbescheid vertreten hat und weil sie das Gewicht ihrer Ausführungen anders beurteilt als es der Senat im Vorbescheid wertete. Es ist aber nicht der Sinn der Richterablehnung, daß ein Prozeßbeteiligter auf diese Weise Richter von der Entscheidung seines Rechtsstreits ausschließt, deren Rechtsauffassung er nicht billigt. Die Klägerin trägt im übrigen keine Gründe vor, aus denen nur andeutungsweise zu erkennen wäre, weshalb sie unter objektiven und vernünftigen Erwägungen Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit der von ihr abgelehnten Richter haben könnte. Die Behauptung der Klägerin, die abgelehnten Richter hätten versucht, einer streitigen mündlichen Verhandlung auszuweichen, weil sie trotz ihres Antrags auf mündliche Verhandlung einen Vorbescheid erließen, ist offensichtlich abwegig; denn § 121 i. V. m. § 90 Abs. 3 FGO sieht vor, daß das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Vorbescheid entscheiden kann. Daraus, daß ein Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, kann nicht hergeleitet werden, die an dem Vorbescheid mitwirkenden Richter seien im Verhältnis zu dem Prozeßbeteiligten, der ausdrücklich mündliche Verhandlung beantragt, nicht unparteilich. Eine offensichtlich abwegige Richterablehnung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG unzulässig (Entscheidung vom 22. Februar 1960 2 BvR 36/60, BVerfGE 11, 1 [4]).
Ist eine Richterablehnung unzulässig, so trifft diese Entscheidung nach einhelliger Rechtsauffassung, die durch das BVerfG gebilligt wird, der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung, d. h. unter Mitwirkung der abgelehnten Richter (vgl. BFH-Entscheidung vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638, mit weiteren Nachweisen). Über den Ablehnungsantrag der Klägerin brauchte deshalb nicht ein Ersatzsenat zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 71936 |
BStBl II 1976, 627 |
BFHE 119, 227 |
BFHE 1977, 227 |