Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen einer einseitigen Erledigungserklärung
Leitsatz (NV)
- Verständigen sich die Verfahrensbeteiligten dahin, dass der angefochtene Steuerbescheid bestehen bleibt und das FA dem Kläger lediglich die angefallenen Säumniszuschläge erlässt, so führt diese Absprache nicht zu einer Erledigung des Rechtsstreits um den Steuerbescheid.
- Erklärt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) der Kläger einseitig den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, obwohl eine Erledigung tatsächlich nicht eingetreten ist, so ist die NZB als unzulässig zu verwerfen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger sein ursprüngliches Begehren nicht hilfsweise weiterverfolgt.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1
Tatbestand
Die in Deutschland wohnhafte Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war im Streitjahr (1993) in der Schweiz nichtselbstständig tätig. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) unterwarf ihre aus der Schweiz bezogenen Einkünfte der Einkommensteuer. Eine hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.
Die Klägerin focht das Urteil des FG mit einer Nichtzulassungsbeschwerde an. Sie machte geltend, dass das FG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt habe, was einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darstelle. Im Verlauf des Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahrens kam es indessen zwischen ihr und dem FA zu einer Einigung des Inhalts, dass einerseits die Klägerin die streitige Steuer bezahlen und andererseits das FA einen festgesetzten Verspätungszuschlag sowie Säumniszuschläge und Zinsen zur Einkommensteuer erlassen sollte. Dem entsprechend wurde anschließend verfahren. Daraufhin beantragte die Klägerin, die Erledigung des Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahrens in der Hauptsache festzustellen.
Das FA ist der Erledigungserklärung entgegengetreten. Es meint, dass nach Eintritt der Rechtshängigkeit kein außerprozessuales Ereignis eingetreten sei, das die im Streit befindliche Sachfrage gegenstandslos mache. Der angefochtene Bescheid sei nämlich weder geändert noch zurückgenommen worden. Die Erklärung der Klägerin sei deshalb als Rücknahme zu werten. Dem hat die Klägerin widersprochen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsbehelf kann keinen Erfolg haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde ursprünglich zulässig war und ob insbesondere die Klägerin den von ihr geltend gemachten Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Denn wenn man dies zu ihren Gunsten unterstellt, ist ihr Antrag auf Feststellung der Erledigung jedenfalls unbegründet, da ein den Rechtsstreit erledigendes Ereignis nicht eingetreten ist:
1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist, wenn im Verlauf des Klageverfahrens der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und das FA dem widerspricht, Gegenstand des Verfahrens fortan die Frage der Erledigung (BFH-Urteile vom 19. Januar 1971 VII R 32/69, BFHE 101, 201, BStBl II 1971, 307; vom 24. April 1979 VIII R 16/77, BFHE 128, 20, BStBl II 1979, 606; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 138 Rz. 19, m.w.N.). Eine solche ist eingetreten, wenn die Klage ursprünglich zulässig und begründet war, infolge eines zwischenzeitlich eingetretenen Ereignisses das Begehren des Klägers aber inzwischen objektiv gegenstandslos geworden ist (BFH-Urteil vom 30. Juli 1997 I R 8/95, BFH/NV 1998, 187). Liegt diese Voraussetzung nicht vor, so muss das Gericht die ―nunmehr auf Feststellung der Erledigung gerichtete― Klage als unbegründet abweisen, selbst wenn sie mit dem ursprünglichen (Sach-)Antrag begründet war. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger nicht zumindest hilfsweise an seinem ursprünglichen Sachantrag festhält (BFH-Urteile vom 27. September 1979 IV R 70/72, BFHE 128, 492, BStBl II 1979, 779, und in BFH/NV 1998, 187).
2. Die Möglichkeit einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache besteht auch im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren (BFH-Beschlüsse vom 10. April 1997 III B 5/96, BFH/NV 1997, 692; vom 6. November 1997 VII B 172/97, BFH/NV 1998, 487; Brandt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 138 FGO Rz. 50, m.w.N.). Deshalb sind die zur einseitigen Erledigungserklärung entwickelten Grundsätze hier ebenfalls entsprechend anwendbar. Das bedeutet: Wie im Klageverfahren, so hat auch hier die Erledigungserklärung des Klägers den Inhalt, dass das zunächst zulässige und begründete Rechtsmittel inzwischen gegenstandslos geworden sei. Der Kläger geht hier also ebenfalls von seinem ursprünglichen Sachantrag (Zulassung der Revision) auf einen Feststellungsantrag über. Diesem Feststellungsantrag kann jedoch nur dann entsprochen werden, wenn die Erledigung tatsächlich eingetreten ist. Fehlt es hieran, so ist deshalb in dieser Situation die Nichtzulassungsbeschwerde ―deren ursprüngliche Zulässigkeit unterstellt― als unbegründet abzuweisen.
3. Im Streitfall ist eine Erledigung des Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahrens nicht eingetreten. Denn Gegenstand dieses Verfahrens war allein die Rechtmäßigkeit des die Klägerin betreffenden Einkommensteuerbescheids. Dieser Bescheid besteht unverändert fort. Das FA hat der Klägerin zwar verschiedene steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 3 der Abgabenordnung ―AO 1977―) erlassen. Diese waren aber weder Inhalt der im Einkommensteuerbescheid erfolgten Festsetzung noch Gegenstand der von der Klägerin erhobenen Klage. Im Ergebnis ist mithin durch die nach Rechtshängigkeit eingetretenen Ereignisse weder dem ursprünglichen Klagebegehren ganz oder teilweise genügt worden noch dieses Begehren objektiv gegenstandslos geworden. Dass die Klägerin mit Rücksicht auf den Erlass anderer Steuerbeträge nunmehr auf die weitere Rechtsverfolgung gegenüber dem Einkommensteuerbescheid verzichtet, reicht für die Annahme einer Erledigung nicht aus (BFH in BFH/NV 1998, 187, 188).
4. Die Klägerin hat neben ihrem Antrag auf Feststellung der Erledigung ihr ursprüngliches Klagebegehren nicht hilfsweise aufrechterhalten. In diesem Zusammenhang muss nicht erörtert werden, ob und inwieweit ein hilfsweises Festhalten an dem zunächst gestellten Sachantrag im Regelfall unterstellt werden kann. Denn eine solche Unterstellung ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn ein fachkundig vertretener Kläger einen entsprechenden Hilfsantrag nicht stellt, obwohl er auf Zweifel am Eintritt der Erledigung hingewiesen worden ist (BFH in BFH/NV 1998, 187, 188). In diesem Fall muss nämlich angenommen werden, dass es ihm nur noch um die Klärung der Erledigungsfrage geht, während er in der Hauptsache ―aus welchen Gründen auch immer― sein Rechtsschutzbegehren endgültig aufgegeben hat.
Im Streitfall ist die Klägerin durch einen Rechtsanwalt vertreten. Dieser ist, nachdem das FA unter Darlegung der hierfür maßgeblichen Gründe der Annahme einer Erledigung entgegengetreten war, auf das ursprüngliche Klagebegehren nicht zurückgekommen. Er hat weder einen entsprechenden Hilfsantrag gestellt noch irgendwelche Ausführungen gemacht, die die Richtigkeit der ursprünglich angefochtenen Steuerfestsetzung betreffen. Er hat vielmehr lediglich bekräftigt, dass aus der Sicht der Klägerin Erledigung eingetreten sei, und hierfür eine Begründung gegeben. Daraus ergibt sich eindeutig, dass es der Klägerin nur noch um diese Frage geht. Unter diesen Umständen besteht für die Annahme, dass sie ihren Sachantrag hilfsweise aufrecht erhalte, kein Raum.
Fundstellen
Haufe-Index 426171 |
BFH/NV 2000, 1226 |