Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache

 

Leitsatz (NV)

1. Ist der Anordnungsanspruch gem. § 114 FGO nicht glaubhaft gemacht worden, so entspricht es bei einer Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.

2. Eine Unbilligkeit der Vollstreckung gemäß § 258 AO folgt nicht daraus, daß Steuerbescheide noch nicht unanfechtbar geworden sind.

3. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide sind gem. § 256 AO im Vollstreckungsverfahren ausgeschlossen.

 

Normenkette

FGO §§ 114, 138 Abs. 1; ZPO § 920 Abs. 2; AO 1977 § 251 Abs. 1, §§ 256, 258

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) stellte beim Finanzgericht (FG) am 7. August 1985 einen Antrag auf Einstellung der Vollstreckung wegen Einkommensteuer 1984 mit der Begründung, die Pfändung des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) sei aus den in einer bereits anhängigen Klage dargelegten Gründen nicht berechtigt.

Das FG legte den Antrag dahingehend aus, daß damit eine einstweilige Anordnung nach § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 258 der Abgabenordnung (AO 1977) begehrt werde. Es lehnte den Antrag mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe keine Gründe oder Tatsachen vorgetragen, die eine Vollstreckung aus den Steuerbescheiden wegen Einkommensteuer 1981 und 1982 als unbillig erscheinen ließen. Insbesondere könnten die Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung wegen § 256 AO 1977 nicht im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden. Für eine Unbilligkeit aus anderen Gründen habe der Beschwerdeführer keine Tatsachen glaubhaft gemacht.

Seine Beschwerde gegen diesen Beschluß begründet der Beschwerdeführer im wesentlichen wie folgt: Bezüglich der Einkommensteuer 1981 und 1982 liege eine widerstreitende Steuerfestsetzung vor, da hierfür das zuständige FA A Bescheide über Lohn- und Kirchensteuer-Jahresausgleich erlassen habe. Das FA A sei auch gemäß § 19 AO 1977 für die Besteuerung zuständig, da er - der Beschwerdeführer - sich dort überwiegend aufgehalten habe. Die Beitreibung durch das FA B sei ungerechtfertigt, weil der - ihr zugrunde liegende - Einkommensteuerbescheid von einem unzuständigen FA erlassen worden sei und die Schätzung nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Außerdem habe er - der Beschwerdeführer - fristgerecht Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt. Der diesbezügliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ungerechtfertigterweise abgelehnt worden. Die Voraussetzungen für die Einstellung der Vollstreckung seien erfüllt, weil das FA Vollstreckungsmaßnahmen durch die Pfändung bei seinem Arbeitgeber eingeleitet habe. Die Vollstreckung sei unbillig, da am Vollzug der Einkommensteuer 1981 und 1982 erhebliche rechtliche Zweifel beständen. Schließlich sei sein Begehren auch deshalb gerechtfertigt, weil er den Erlaß der Einkommensteuer 1981 und 1982 beantragt habe.

Die Beteiligten haben während des Beschwerdeverfahrens übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Aufgrund dieser Erledigungserklärung ist nur noch über die Auferlegung der Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung ist nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand, der nach § 138 Abs. 1 FGO zu berücksichtigen ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.

Einem Beteiligten sind nach § 138 Abs. 1 FGO in der Regel die Kosten aufzuerlegen, wenn er nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bei Fortsetzung des Prozesses voraussichtlich unterlegen wäre, da er dann nach dem Gesetz die Kosten zu tragen gehabt hätte (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 31. August 1976 VII R 20/74, BFHE 119, 407, 408, BStBl II 1976, 686). Zur Entscheidung darüber braucht die Rechtslage nicht eingehend geprüft und die Sachlage nicht abschließend geklärt zu werden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1971 I B 14/70, BFHE 104, 39, BStBl II 1972, 222). Der bisherige Sach- und Streitstand spricht dafür, daß die einstweilige Anordnung zumindest deshalb hätte versagt werden müssen, weil der Beschwerdeführer einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat, was nach § 114 Abs. 3 FGO in sinngemäßer Anwendung der Regelung in § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erforderlich gewesen wäre.

Ein Anordnungsanspruch liegt nach § 114 FGO vor, wenn der Beschwerdeführer ein Recht auf Einstellung der Zwangsvollstreckung hat. Ein solcher Anspruch auf Einstellung der Vollstreckung kann sich aus § 258 AO 1977 ergeben, wenn die Vollstreckung unbillig ist. Zur Glaubhaftmachung ist zumindest erforderlich, daß diese Voraussetzungen schlüssig dargelegt werden. Schon daran fehlt es jedoch im Streitfall.

Allein daraus, daß die Bescheide - wie der Beschwerdeführer offenbar meint - noch nicht unanfechtbar geworden sind, kann nicht entnommen werden, daß die Vollstreckung unbillig ist.

Vielmehr ergibt sich aus § 251 Abs. 1 AO 1977, daß auch aus anfechtbaren Bescheiden grundsätzlich vollstreckt werden kann.

Eine Unbilligkeit kann auch zumindest nicht ohne weiteres damit begründet werden, daß die Steuerbescheide rechtswidrig seien. Mit Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide kann der Beschwerdeführer gemäß § 256 AO 1977 im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht gehört werden.

Auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er die Vollstreckung aus der Erwägung für unbillig halte, daß er einen Antrag auf Erlaß der Steuerschuld aus Billigkeitsgründen gestellt habe, ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht worden. Allenfalls könnten die Vollstreckungsmaßnahmen des FA vor endgültiger Entscheidung über den Erlaßantrag des Beschwerdeführers dann als unbillig i. S. des § 258 AO 1977 angesehen werden, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit dem beantragten Erlaß zu rechnen wäre. Da der beantragte Erlaß in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist, kann im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung nur geprüft werden, ob Tatsachen vorgebracht worden sind, aus denen sich ergibt, daß der Erlaß wahrscheinlich ist. Daran fehlt es im Streitfall. Mangels einer schlüssigen Darlegung ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs demnach nicht glaubhaft gemacht worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414639

BFH/NV 1987, 801

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