Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer AdV; einheitlicher Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht
Leitsatz (NV)
1. Ernstliche, zur Aussetzung der Vollziehung führende Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts sind anzunehmen, wenn bei dessen summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen.
2. Ob ein unbebautes Grundstück in diesem Zustand oder mit noch zu errichtendem Gebäude Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, bestimmt sich nach dem Gesamtinhalt der Verträge und allen Begleitumständen.
Normenkette
FGO § 69; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Beschluss vom 21.01.2005; Aktenzeichen 1 B 1343/04) |
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR, an der zunächst die M-AG zu 95 %, die M-GmbH zu 4 % und DK zu 1 % beteiligt waren. Gesellschafter der M-AG und der M-GmbH waren dieselben Personen, darunter DK. Die Vorstandsmitglieder der M-AG waren zugleich Geschäftsführer der M-GmbH.
Die M-AG kaufte im Februar 1995 vom Land … Grundbesitz und übernahm dabei diesem gegenüber eine näher bestimmte Bauverpflichtung. Sie ließ in der Folgezeit eine Bebauungsplanung mit Wohnflächen- und Kubusberechnung sowie eine Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellen. Ihr Bauantrag datiert vom 3. Dezember 1997.
Die Antragstellerin kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 17. Dezember 1997 einen Teil dieses Grundbesitzes für 7 321 780 DM und übernahm insoweit die Bauverpflichtung gegenüber dem Land … Am selben Tag erteilte sie der M-AG den Auftrag, die öffentliche Förderung für die Bebauung des erworbenen Grundbesitzes (Block 8 a) gegen ein Honorar von 346 000 DM zu beschaffen. Die Fördermittel wurden am nächsten Tag bewilligt. Mit Schreiben vom 9. Januar 1998 teilte die Antragstellerin dem Finanzamt X den Grundstückskauf und die Absicht mit, das Gelände mit dem Block 8 a zu bebauen und 1998 zur Durchführung der Investition neue Gesellschafter aufzunehmen.
Bereits vor Erteilung der Baugenehmigung vom 7. Mai 1998 und auch danach schloss die Antragstellerin der Errichtung des geplanten Gebäudes dienende Verträge mit mehreren Unternehmen ab, die nach ihren Angaben mit ihren damaligen Gesellschaftern nicht verbunden sind. Baubeginn war am 6. Juli 1998.
Den restlichen im Februar 1995 von der M-AG vom Land … erworbenen und zur Bebauung mit Block 8 b bestimmten Anteil am Grundbesitz hatte ebenfalls am 17. Dezember 1997 eine GbR gekauft, die dieselben Gesellschafter wie die Antragstellerin hatte. Diese GbR wurde mit notariell beurkundetem Vertrag vom … August 1998 zusammen mit einer weiteren GbR auf die Antragstellerin verschmolzen.
In der Folgezeit schloss die Antragstellerin mit der M-AG und der M-GmbH sowie mit weiteren mit diesen Unternehmen personell verbundenen Gesellschaften zahlreiche in Zusammenhang mit dem Bauvorhaben stehende Verträge ab, insbesondere am 28. August 1998 einen Geschäftsführungsvertrag mit der M-GmbH, die bereits zuvor als Geschäftsführerin für die Antragstellerin gehandelt hatte, und am 31. August 1998 einen Generalunternehmervertrag mit der M-AG.
Aufgrund des von der M-AG als Initiator und von der mit ihr personell verbundenen Z-GmbH als Emissionshaus herausgegebenen Prospekts vom Oktober 1998 beteiligten sich zahlreiche neue Gesellschafter über die ebenfalls mit der M-AG personell verbundene ZA-GmbH als Gesellschaftstreuhänder an der Antragstellerin. Die M-AG war danach nur noch mit 5 % an der Antragstellerin beteiligt.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte mit dem auf § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 27. September 2000 gegen die Antragstellerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 1 437 176 DM fest und nahm dabei an, dass Gegenstand des Erwerbs der mit Vertrag vom 17. Dezember 1997 erworbene Grundbesitz in bebautem Zustand gewesen sei. In der Einspruchsentscheidung vom 26. April 2004 hielt das FA an dieser Auffassung fest, setzte die Grunderwerbsteuer jedoch aufgrund folgender Berechnung auf 690 912,30 € (1 351 307 DM) herab:
Grundstück |
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7 686 995,50 DM |
Gebäude |
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26 947 933,00 DM |
Mehrkosten Gebäude |
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419,33 DM |
Beschaffung der Fördermittel |
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346 000,00 DM |
Beschaffung Eigen- kapital |
3 609 050,00 DM |
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Gesellschaftstreu-hand |
50 000,00 DM |
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Zwischenfinanzie-rungskosten |
3 214 158,02 DM |
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401 746,84 DM |
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1 240,10 DM |
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Geschäftsführung |
1 130 000,00 DM |
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Aval Zwischenfinan- zierung |
1 600 623,15 DM |
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Vermittlung Zwischenfinanzierung |
1 600 000,00 DM |
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Bauqualitätskontrolle |
60 000,00 DM |
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Konzeption |
220 342,00 DM |
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Sonstige Beratungs-kosten |
151 747,69 DM |
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Summe |
12 038 907,80 DM |
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Davon 47,01 % * |
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5 659 490,56 DM |
(* Die Aufteilung erfolgte nach dem Verhältnis der Wohn-/Ladenfläche des Blocks 8 a zur gesamten Wohn-/Ladenfläche der errichteten Gebäude.)
Summe |
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40 640 838,39 DM |
Davon 3,5 % |
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1 422 429,34 DM |
Davon wurden gemäß § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuer- gesetzes (GrEStG) 5 % nicht erhoben |
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71 121,47 DM |
Grunderwerbsteuer |
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1 351 307,00 DM |
In € |
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690 912,30 |
Das FA wies in der Einspruchsentscheidung darauf hin, dass die bisher gewährte Aussetzung der Vollziehung mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung ende.
Mit der Klage, über die noch nicht entschieden ist, wendet sich die Antragstellerin gegen diese Beurteilung und beantragt, die Grunderwerbsteuer auf 124 473,59 € (243 449,18 DM) herabzusetzen. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das von der M-AG erworbene unbebaute Grundstück. Ein zivilrechtlich einheitlicher Vertrag über den Kauf des Grundstücks und die Errichtung des Gebäudes liege nicht vor. Zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den die Bebauung des Grundstücks betreffenden Verträgen bestehe auch kein so enger sachlicher Zusammenhang, dass sie --die Antragstellerin-- bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhalten hätte. Es hätten weder faktische Zwänge noch bindende Absprachen über die Bebauung vorgelegen. Sie --die Antragstellerin-- habe auch nicht einen von der Veräußererseite vorbereiteten Geschehensablauf hingenommen. Da zwischen dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags und demjenigen des Generalunternehmervertrags ein Zeitraum von über acht Monaten gelegen habe, fehle es auch an jeglichem zeitlichen Zusammenhang. Gegen das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands "bebautes Grundstück" spreche insbesondere die vor Abschluss des Generalunternehmervertrags erfolgte Auftragsvergabe an einzelne, mit der Grundstücksveräußerin nicht verbundene Unternehmen. Die spätere "Bündelung" dieser einzelnen Verträge durch den Generalunternehmervertrag sei unerheblich. Zudem sei der von der M-AG vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags gestellte Bauantrag nicht genehmigungsfähig gewesen, da es an der aufgrund der Aufteilung des Grundstücks auf zwei Gesellschaften baurechtlich erforderlichen Abgeschlossenheit der Blöcke 8 a und 8 b gegeneinander gefehlt habe. Erst der Verschmelzungsvorgang vom … August 1998 habe die Bebauung ermöglicht.
Die Antragstellerin wendet sich hilfsweise gegen die Höhe der festgesetzten Grunderwerbsteuer. Der Kaufpreis für das Grundstück habe entgegen dem Ansatz in der Einspruchsentscheidung nicht 7 686 955,50 DM, sondern lediglich 7 321 780 DM betragen. Selbst wenn Erwerbsgegenstand das bebaute Grundstück gewesen wäre, dürften bei der Grunderwerbsteuerfestsetzung nur die Errichtung des Gebäudes im weitesten Sinn betreffende Aufwendungen berücksichtigt werden. Aus dem Gesamtaufwand auszuscheiden seien danach die sonstigen Beratungskosten in Höhe von 151 747,69 DM und die Kosten für die Beschaffung der Fördermittel in Höhe von 346 000 DM, die der Endfinanzierung des Objekts gedient hätten.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen. Gegenstand des Erwerbs sei das bebaute Grundstück gewesen. Die Beratungskosten von 151 747,69 DM seien der Besteuerung unterworfen worden, da die Antragstellerin zu ihnen keine näheren Angaben gemacht habe. Kosten für die Beschaffung der Fördermittel gehörten ebenfalls zur Gegenleistung. Der angesetzte Kaufpreis für den Grund und Boden sei allerdings um 365 215,50 DM zu vermindern. Zu Ungunsten der Antragstellerin sei aber zu berücksichtigen, dass sie Baukosten von 25 223 764,12 DM nicht nach Baufortschritt, sondern bereits am 31. Dezember 1998 in voller Höhe gezahlt habe. Die Generalunternehmerin habe dadurch einen Kapitalnutzungsvorteil erhalten, der eine weitere Gegenleistung der Antragstellerin für den Grundstückskauf darstelle und auf die Hälfte von 5,5 % von 25 223 764 DM, also auf 693 653 DM zu schätzen sei.
FA und Finanzgericht (FG) lehnten den Antrag der Antragstellerin ab, die Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung in Höhe von 566 438,71 € (1 107 857,82 DM) auszusetzen. Das FG vertrat die Auffassung, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Das FA habe aufgrund der Würdigung der Gesamtumstände zutreffend die Voraussetzungen eines objektiv engen sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den der Bebauung dienenden Verträgen bejaht. Bereits bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags habe ein der Antragstellerin vorgegebenes Bebauungs- und Vertragskonzept vorgelegen, das die Antragstellerin akzeptiert und in der Folge verwirklicht habe, ohne dass erkennbar wäre, dass sie in Bezug auf die Projektrealisierung eigenständige, von der vorgegebenen Planung wesentlich abweichende Änderungen beschlossen und durchgesetzt hätte. Wenn im Zeitpunkt des Grundstückskaufs die bauausführenden Unternehmen noch nicht festgelegt gewesen wären, wäre dies unerheblich. Die Antragstellerin sei zu dem Zweck gegründet worden, das von der Grundstücksverkäuferin erstellte Bebauungskonzept zu realisieren und zu vermarkten. Es liege auch kein Verkauf der M-AG "an sich selbst" vor, weil die Antragstellerin als GbR grunderwerbsteuerlich ein eigenständiges Rechtssubjekt sei. Im Übrigen sei anzunehmen, dass die Aufnahme neuer Gesellschafter und die dementsprechende Minderung der Beteiligungen der Initiatoren dem bereits bei Grundstückskauf vorliegenden planerischen Konzept entsprochen hätten. Ohne Bedeutung seien die von der Antragstellerin zur Ausführung des Bebauungskonzepts erteilten Aufträge an mit ihr oder ihren Gesellschaftern nicht verbundene Drittfirmen zur Erstellung einzelner Gewerke. Der im Generalunternehmervertrag vereinbarte Pauschalhöchstpreis für die schlüsselfertige Errichtung der Gebäude sei zugleich Festpreis gewesen und habe exakt der von der Investitionsbank … bewilligten Wirtschaftlichkeitsberechnung entsprochen. Dies sei ein weiterer gewichtiger Hinweis auf einen vorbereiteten und von der Antragstellerin hingenommenen Geschehensablauf. Dass die M-AG am Abschluss des Generalunternehmervertrags ein wirtschaftliches Interesse gehabt habe, habe auch die Antragstellerin als selbstverständlich bezeichnet. Die anderen der Bebauung dienenden Verträge mit Gesellschaften, die personell auf die eine oder andere Weise mit den Gesellschaftern der Antragstellerin verbunden gewesen seien, seien in gleicher Weise wie der Generalunternehmervertrag zu beurteilen. Das Vorbringen der Antragstellerin, das Bauvorhaben sei aufgrund der Grundstücksteilung nicht genehmigungsfähig gewesen, sei ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Antragstellerin habe nicht konkret vorgetragen, dass die baurechtlichen Beanstandungen zu einer wesentlichen Veränderung des geplanten Bauprojekts geführt hätten.
Soweit die Antragstellerin den Ansatz einzelner Posten bei der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer rüge, sei eine Kompensation mit dem in der Einspruchsentscheidung nicht angesetzten Kapitalnutzungsvorteil durch die vorzeitige Bezahlung der Baukosten vorzunehmen. Dieser Vorteil sei zusätzliches Entgelt i.S. von § 9 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Dass der Vorteil nur unterjährig bestanden habe, stehe dem nicht entgegen.
Mit der Beschwerde bekräftigt die Antragstellerin ihre Auffassung, sie habe aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht ein unbebautes Grundstück erworben. Dies ergebe sich schon daraus, dass sich die Grundstücksverkäuferin, die die Stellung einer Projektanbieterin und Initiatorin gehabt habe, maßgeblich als Gesellschafterin an ihr beteiligt habe. Aufgrund dieser Identität zwischen Grundstücksverkäuferin und Erwerberin unterlägen nur die Aufwendungen für den Erwerb des unbebauten Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Diese Rechtsfolge ergebe sich auch aus den vor Abschluss des Generalunternehmervertrags einzeln vergebenen Aufträgen. Der von der M-AG erworbene Grundbesitz sei nach der Sach- und Rechtslage bei Abschluss des Kaufvertrags zudem wegen der Grundstücksteilung nicht den vorhandenen Plänen entsprechend bebaubar gewesen.
Die Antragstellerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 27. September 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. April 2004 in Höhe von 566 438,71 € ab dem 29. Mai 2004 bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und --abgesehen von der begehrten Aussetzungsdau-er-- zur antragsgemäßen Aussetzung der Vollziehung.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. April 2005 I B 221/04, BStBl II 2005, 526, ständige Rechtsprechung). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 16. Juli 2003 IX B 60/03, BFHE 202, 557, BStBl II 2003, 945, m.w.N.).
2. Bei summarischer Prüfung aufgrund des aus den Akten und dem Vortrag der Beteiligten ersichtlichen Sachverhalts ergeben sich ernstliche Zweifel, ob die Antragstellerin das bebaute Grundstück als einheitlichen Gegenstand erworben hat. Es stellen sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schwierige Fragen, die im vorliegenden überschlägigen Verfahren nicht hinreichend sicher geklärt werden können.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Der zur Bestimmung des Umfangs der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs kann sich (auch) aus einer Mehrheit von Verträgen ergeben, wenn zwischen ihnen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält. Ist das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags tatsächlich unbebaut, kann es der Erwerber nur dann von der Veräußererseite als "bebaut" erhalten, wenn nach den getroffenen Vereinbarungen entweder der Veräußerer selbst oder ein mit ihm zusammenwirkender Dritter dem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichen Grundstückszustand zu verändern, d.h. das Grundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen. Dies erfordert neben dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags auch den Abschluss eines Bauvertrags mit der Veräußererseite; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2004 II R 12/03, BFHE 208, 51, BStBl II 2005, 220, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).
Zwischen mehreren Verträgen besteht über den Fall einer rechtlichen Bestandsverknüpfung kraft Parteiwillens hinaus dann ein so enger sachlicher Zusammenhang, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtung ein bebautes Grundstück erhält, wenn entweder der Erwerber im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung gegenüber dem Veräußerer nicht mehr frei gewesen ist oder aber ihm aufgrund einer konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten worden ist. In letzterem Fall indiziert bereits die Hinnahme des von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablaufs durch den Erwerber einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag über die Gebäudeerrichtung. Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, müssen diese aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteil vom 13. August 2003 II R 52/01, BFH/NV 2004, 663, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Ob ein unbebautes Grundstück in diesem Zustand oder mit noch zu errichtendem Gebäude zum Erwerbsgegenstand gemacht worden ist, bestimmt sich dabei nach dem Gesamtinhalt der Verträge und allen Begleitumständen (BFH-Urteil vom 28. Juli 1993 II R 66/90, BFH/NV 1994, 339; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34, unter II.1.a).
Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand "bebautes Grundstück" kann auch dann vorliegen, wenn zunächst der Grundstückskaufvertrag und erst später der Bauvertrag geschlossen wird (BFH-Urteil vom 15. März 2000 II R 34/98, BFH/NV 2000, 1240). Für die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands genügt es in solchen Fällen, wenn dem Erwerber aufgrund einer konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann (vgl. auch BFH-Beschluss vom 28. April 1998 II B 121/97, BFH/NV 1998, 1522). Dem Vorliegen eines solchen einheitlichen Erwerbsgegenstands steht es nicht entgegen, wenn bei Abschluss des Kaufvertrags der Erwerber noch nicht unumkehrbar auf eine bestimmte Bebauung oder die Beauftragung bestimmter Bauunternehmer festgelegt ist. Maßgebend ist der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt (BFH-Urteile vom 16. Juli 1997 II R 39/95, BFH/NV 1998, 213, und vom 30. April 2003 II R 29/01, BFH/NV 2003, 1446, m.w.N.).
b) Die im Streitfall zu treffende Entscheidung, ob die Antragstellerin das Grundstück in bebautem oder unbebautem Zustand erworben hat, bedarf nach diesen Grundsätzen einer umfassenden Würdigung aller maßgeblichen Umstände. Diese Würdigung ist aufgrund der Besonderheiten des Streitfalles so schwierig, dass sie auch wegen der Erforderlichkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.
Bei der im Aussetzungsverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung ist völlig offen, ob der von der Antragstellerin mit der M-AG abgeschlossene Generalunternehmervertrag die Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands "bebautes Grundstück" zulässt. Dem könnte einerseits entgegenstehen, dass dieser Vertrag erst mehr als acht Monate nach Zustandekommen des Grundstückskaufvertrags abgeschlossen wurde. Entgegen der Ansicht des FG erscheint es auch nicht als vornherein unbeachtlich, dass die Antragstellerin bereits zuvor mehrere Bauaufträge zur Gebäudeerrichtung an dritte Unternehmen vergeben hatte. Andererseits ist es bei summarischer Betrachtung nicht ausgeschlossen, dass der Abschluss des Generalunternehmervertrags einem bereits bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags vorliegenden Konzept der M-AG entsprochen hat und dass die Antragstellerin mit Rücksicht auf die Zusammensetzung ihres ursprünglichen Gesellschafterkreises an dieses Konzept faktisch gebunden war.
Vor einer abschließenden Beurteilung dieser Fragen bedarf es einer weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren, welche Absichten die M-AG bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags verfolgte. Dazu wird es erforderlich sein, die damaligen Vorstandsmitglieder der M-AG als Zeugen zu hören. Ferner wird zu klären sein, ob die zeitliche Abfolge der von der Antragstellerin mit dritten Unternehmen geschlossenen Bauverträge und des erst sodann abgeschlossenen Generalunternehmervertrags einem von der M-AG vorbereiteten und von der Antragstellerin hingenommenen Geschehensablauf entsprach. Weiterer Klärungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Frage, auf welche Art und Weise die M-AG von der Antragstellerin eine Vergütung für die von ihr erbrachten Leistungen (Planung des Bauvorhabens, Finanzierungskosten etc.) erhalten sollte. Anhaltspunkte könnten sich insoweit auch aus der Begründung des Antrags auf Bewilligung öffentlicher Fördermittel ergeben.
Der Beurteilung des Erwerbsgegenstands als "bebautes Grundstück" stehen die Ausführungen der Antragstellerin zur Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens nach bisheriger Aktenlage nicht zwingend entgegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits vor dem Verschmelzungsvorgang vom 26. August 1998 die Baugenehmigung erteilt und mit dem Bau begonnen wurde. Zudem war die Verschmelzung aufgrund der Gesellschafterstruktur der beteiligten Gesellschaften problemlos möglich.
c) Der auszusetzende Betrag errechnet sich wie folgt:
Kaufpreis des Grundstücks: |
7 321 780,00 DM |
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Grunderwerbsteuer (3,5 %) |
256 262,30 DM |
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./. Steuerbefreiung (5 %) |
12 813,12 DM |
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verbleibende Grunderwerbsteuer |
243 449,18 DM |
= 124 473,59 € |
Grunderwerbsteuer laut Einspruchsentscheidung |
690 912,30 € |
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auszusetzender Betrag |
566 438,71 € |
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Diese Berechnung entspricht dem Antrag der Antragstellerin.
3. Da der Aussetzungsantrag der Antragstellerin danach hinsichtlich der Höhe des auszusetzenden Betrags in vollem Umfang Erfolg hat, braucht der Senat auf ihre hilfsweise erhobenen Einwendungen gegen die Einbeziehung verschiedener Verträge in die Berechnung der Grunderwerbsteuer nicht einzugehen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 19. Juli 1989 II R 95/87, BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685; vom 13. Dezember 1989 II R 115/86, BFHE 159, 362, BStBl II 1990, 440, und vom 19. Januar 1994 II R 52/90, BFHE 173, 442, BStBl II 1994, 409).
Die Aussetzung der Vollziehung wird abweichend vom Antrag auf die Zeit bis längstens einen Monat nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils im Hauptsacheverfahren begrenzt.
Fundstellen
Haufe-Index 1453988 |
BFH/NV 2006, 123 |