Leitsatz (amtlich)
1. Die sog. Untätigkeitsklage des § 46 FGO ist eine Anfechtungsklage; sie zielt bei Anfechtung eines Steuerbescheids nicht darauf, die Behörde zur Bescheidung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs zu verpflichten.
2. Eine Feststellungsklage, daß das FA zur Bescheidung verpflichtet sei, ist unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
2. Das rechtliche Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung, daß das FA zum Erlaß der Einspruchsentscheidung verpflichtet ist, ist nicht gleichbedeutend mit dem Interesse an dem baldigen Ergehen der Einspruchsentscheidung.
Normenkette
FGO §§ 46, 41, 40, 138
Tatbestand
Gegen den Kläger als testamentarischen Alleinerben erging am 15. Mai 1964 eine vorläufige Erbschaftsteuerfestsetzung. Sie weist Steuerschulden des Pflichtteilsberechtigten und der Vermächtnisnehmer, aber infolge Verrechnung dieser Geldschulden mit Einheitswerten keine Steuerschuld des Klägers aus. Gegen diesen Bescheid hatten der Kläger und der Pflichtteilsberechtigte Einspruch eingelegt. Sie erstrebten eine gleichmäßige Zurechnung des Nachlasses an beide als Miterben.
Am 28. Dezember 1966 hat der Kläger gegen das Erbschaftsteuer-FA Klage eingereicht mit dem Antrag: „Die beklagte Behörde ist verpflichtet, dem Kläger eine Einspruchsentscheidung auf seinen Einspruch gegen den vorläufigen Steuerbescheid vom 15. Mai 1964 zu erteilen.” Am 6. Februar 1967 hat das beklagte FA diesen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Beide Parteien haben die Hauptsache des gerichtlichen Verfahrens für erledigt erklärt. Das FG hat unter Berufung auf § 138 Abs. 2 Satz 1, § 46 FGO die Verfahrenskosten dem Beklagten auferlegt. Dessen Beschwerde hat es mit der Begründung nicht abgeholfen, die Untätigkeitsklage wäre begründet gewesen (§ 138 Abs. 1 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde des Beklagten ist begründet.
Eine Untätigkeitsklage im Sinne des § 46 FGO lag nicht vor. Eine solche zielt nämlich bei Anfechtung eines Steuerbescheids nicht darauf, die Behörde zur Bescheidung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs zu verpflichten. Sie ist vielmehr, ähnlich den Fällen des § 45 FGO, eine Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO), die ohne das in § 44 Abs. 1 FGO vorgeschriebene Vorverfahren erhoben werden kann. Ihr Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ist die Aufhebung oder Abänderung des ursprünglichen Verwaltungsaktes (§ 100 FGO); sie muß diesen als angefochten bezeichnen und soll einen entsprechenden Antrag enthalten (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die vorliegende Klage richtete sich nicht gegen den Steuerbescheid, sondern verlangte den Erlaß der Einspruchsentscheidung. Ob mit diesem Ziele eine Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) erhoben werden kann oder ob diese durch die besonderen Verfahrensvorschriften des § 46 FGO ausgeschlossen wird, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die verfassungsrechtliche Problematik (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) des § 46 Abs. 2 FGO. Denn jedenfalls könnte mit einer Verpflichtungsklage nicht das Verlangen nach Bescheidung, sondern nur nach einem Bescheid bestimmten Inhalts verfochten werden.
Demzufolge kann die erhobene Klage nur als eine Feststellungsklage (§ 41 Abs. 1 FGO) angesehen werden; dafür spricht schon die Formulierung des Antrags. Diese wäre unzulässig gewesen, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 FGO), da mit der Klage nicht die Feststellung der Nichtigkeit des Steuerbescheids erstrebt wurde (§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO). Da der Kläger nicht die Ansicht vertrat, er hätte nicht Adressat des Steuerbescheides sein dürfen (vgl. Urteil des BFH II 98/62 vom 27. März 1968, BFH 91, 434, BStBl II 1968, 376), vielmehr beanstandete, daß für ihn selbst keine Steuer festgesetzt wurde, hätte jedoch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage (Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage) an § 40 Abs. 2 FGO scheitern können. Doch kommt es darauf nicht an. Denn jedenfalls setzt gemäß § 41 Abs. 1 FGO für die Feststellungsklage voraus, daß der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches war nicht gegeben.
Das rechtliche Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung, daß der Beklagte zum Erlaß der Einspruchsentscheidung verpflichtet ist, ist nicht gleichbedeutend mit dem Interesse an dem baldigen Ergehen der Einspruchsentscheidung. Dieses mag dem Kläger unterstellt werden. Jenes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung der Bescheidungspflicht hätte aber allenfalls dann bestehen können, wenn der Beklagte entweder die Verpflichtung zum Erlaß einer Einspruchsentscheidung bestritten oder erklärt hätte, zu dieser im damaligen Zeitpunkt nicht willens oder nicht in der Lage zu sein, oder wenn der Beklagte auf das Verlangen, er solle nunmehr über den Einspruch entscheiden, nicht geantwortet hätte.
Da keine dieser Voraussetzungen erfüllt war, hätte die Klage ohne Erfolg bleiben müssen. Nach dem Rechtsgedanken des § 135 Abs. 1 FGO waren daher gemäß § 138 Abs. 1 FGO die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Entsprechend war der angefochtene Beschluß abzuändern. Für die Kosten des Beschwerdeverfahrens gilt § 135 Abs. 1 FGO unmittelbar.
Fundstellen
BStBl II 1970, 551 |
BFHE 1970, 114 |
NJW 1971, 216 |