Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung des § 137 FGO im Rahmen einer Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 2 FGO.
Normenkette
FGO §§ 137, 138 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb im Streitjahr 1968 in Berlin eine Schankwirtschaft. Da er im Veranlagungsverfahren trotz besonderer Aufforderungen keine Einkommensteuererklärung abgab, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer für 1968 auf 3 304 DM fest. Den Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid 1968 wies das FA zurück, nachdem es den Kläger vergeblich zur Abgabe einer Begründung des Rechtsbehelfs angehalten hatte.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Festsetzung der Einkommensteuer für 1968 nach der Steuererklärung, die er zur Begründung seiner Klage vorlegen wolle. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens forderte der Vorsitzende des zuständigen Senats den Kläger mehrmals unter Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 FGO auf, die Klage zu ergänzen und den Streitgegenstand näher zu bezeichnen. Die zuletzt bis zum 20. April 1971 gesetzte Frist verstrich erfolglos. Erst in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 1971 legte der Kläger die Einkommensteuererklärung für 1968 vor. Das FG wies die Klage als unzulässig ab, weil der Kläger den Streitgegenstand nicht innerhalb der vom Vorsitzenden des Senats gemäß § 65 Abs. 2 FGO gesetzten Frist bezeichnet habe.
In seiner Revision beantragt der Kläger die Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur Festsetzung der Einkommensteuer 1968 entsprechend seiner Erklärung.
Während des Revisionsverfahrens änderte das FA aufgrund der Einkommensteuererklärung den angefochtenen Bescheid gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 2 AO und setzte die Einkommensteuer nach dem Antrag des Klägers fest.
Der Kläger und das FA erklärten daraufhin die Hauptsache für erledigt.
Entscheidungsgründe
Wegen der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien ist die Hauptsache als erledigt anzusehen. Die Einspruchsentscheidung des FA und das Urteil der Vorinstanz sind damit gegenstandslos geworden. Es ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, und zwar auch über die Kosten der Vorverfahren, weil die in ihnen ergangenen Kostenentscheidungen ebenfalls gegenstandslos geworden sind.
Nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO sind die Kosten grundsätzlich der Behörde aufzuerlegen, wenn sich die Hauptsache dadurch erledigt, daß dem Antrag des Klägers durch Änderung des Verwaltungsakts stattgegeben wird. Sie können aber auch dem Kläger zur Last gelegt werden, wenn der die Erledigung der Hauptsache bewirkende Verwaltungsakt auf Tatsachen beruht, die der Kläger früher hätte geltend machen können und sollen (§ 138 Abs. 2 Satz 4 FGO in Verbindung mit § 137 FGO).
Das Einspruchsverfahren und das Klageverfahren hätten nicht durchgeführt werden müssen, wenn der Kläger seiner Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung rechtzeitig nachgekommen wäre. Daß er sie trotz mehrfacher Aufforderungen durch das FA und das FG erst am 21. Mai 1971 dem FG vorlegte, ist ihm, da besondere Hinderungsgründe nicht zu ersehen sind, als Verschulden im Sinne des § 137 FGO anzurechnen (vgl. Urteil des BFH vom 5. August 1970 I R 12/69, BFHE 100, 14, BStBl II 1970, 785, und BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1967 V B 12/66, BFHE 91, 23, BStBl II 1968, 203).
Für das Revisionsverfahren ergibt sich die Kostenfolge aus § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO, weil seine Durchführung nicht unmittelbar auf die verspätete Abgabe der Steuererklärung zurückzuführen ist. Zwar hätte auch dieses Verfahren vermieden werden können, wenn der Kläger entsprechend seiner Verpflichtung aus § 56 EStDV die Einkommensteuererklärung für 1968 bereits im Steuerermittlungsverfahren vorgelegt hätte. Wenn es auch ohne die Säumnis des Klägers kein Revisionsverfahren gegeben hätte, so liegt doch der eigentliche Grund für seine Durchführung darin, daß das FG die Klage durch Prozeßurteil abwies, obwohl es in der Sache hätte entscheiden müssen (vgl. BFH-Urteile vom 21. November 1972 VIII R 127/69, BStBl II 1973, 188; vom 15. April 1971 IV 173-174/70, BFHE 104, 309, BStBl II 1972, 348, und vom 12. Juli 1972 I R 206/70, BFHE 106, 483 [485], BStBl II 1972, 957). Der Kläger mußte durch die Einlegung der Revision den Eintritt der Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils verhindern und versuchen, die Aufhebung dieses Urteils zu erreichen, um die Möglichkeit einer Entscheidung in der Sache entsprechend seinem Antrag offenzuhalten. Bei dieser Sachlage ist nach Ansicht des Senats der Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaft verspäteten Abgabe der Steuererklärung durch den Kläger und dem Entstehen von Kosten in der Revisionsinstanz unterbrochen mit der Folge, daß diese Kosten nicht unter entsprechender Anwendung des § 137 FGO dem Kläger auferlegt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 70175 |
BStBl II 1973, 262 |
BFHE 1973, 87 |