Leitsatz (amtlich)
Die Berichtigung eines Urteils nach § 107 FGO wegen Rechenfehler und ähnlicher offenbarer Unrichtigkeiten ist zulässig, wenn der Rechenfehler sich einwandfrei aus den Akten ergibt und ein nicht im Streit befindliches Besteuerungsmerkmal, z. B. die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung, bei der Berechnung der sich aus der Entscheidung ergebenden Steuer ohne jegliche Begründung außer acht gelassen ist.
Normenkette
FGO § 107 Abs. 1
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Steuerpflichtiger) hatte gegen den Beschwerdeführer (das FA) einen Rechtsstreit geführt, in dem u. a. streitig war, ob eine Bürgschaftszahlung von 2 612 DM als Betriebsausgabe im Jahre 1963 zugelassen werden kann. Das FG gab der Klage des Steuerpflichtigen in diesem Punkte statt und setzte die Einkommensteuer entsprechend fest, wobei es die Gewerbesteuerrückstellung um 412 DM minderte, ohne anzugeben, wie es den Betrag errechnet hatte. Die nicht streitige außergewöhnliche Belastung des Steuerpflichtigen im Jahre 1963, die das FA im angefochtenen Bescheid berücksichtigt hatte, wurde in die Steuerberechnung des FG nicht aufgenommen. Nach einem Hinweis des Vertreters des Steuerpflichtigen auf die unzutreffende Berechnung berichtigte das FG den Tenor des Urteils und die darin enthaltene Steuerberechnung, indem es nunmehr die außergewöhnliche Belastung mit angepaßter zumutbarer Mehrbelastung berücksichtigte und die Minderung der Gewerbesteuerrückstellung und damit die Erhöhung des Gewinns von 412 DM unter Darlegung der Berechnung auf 324 DM herabsetzte.
Hiergegen hat der FA-Vorsteher Beschwerde eingelegt, die er wie folgt begründet: Da eine Berichtigung nach § 109 FGO wegen Fristablaufs ausgeschlossen gewesen sei, könne die Berichtigung allein auf § 107 FGO gestützt werden. Es liege aber kein Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit vor, weil sich das FG nicht verrechnet, sondern die Rückstellung falsch berechnet habe. Es bestehe kein eindeutig augenfälliger, nicht zu übersehender und nicht zu bezweifelnder Fehler bei der Erklärung. Vielmehr beruhe sowohl die Nichtberücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung wie die unzutreffende Berechnung der Gewerbesteuerrückstellung auf einem Rechtsirrtum.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde, mit der das FA beantragt, den Berichtigungsbeschluß vom 6. September 1968 ersatzlos aufzuheben, ist nicht begründet.
Das FG konnte den Urteilstenor und die Urteilsgründe in den fraglichen beiden Punkten nach § 107 FGO berichtigen, weil die Berechnung der Gewerbesteuerrückstellung auf einem Rechenfehler und die Nichtberücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung auf einer "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit" im Sinne des § 107 Abs. 1 FGO beruhten.
Daß die ursprüngliche und durch den angegriffenen Beschluß berichtigte Minderung der Gewerbesteuerrückstellung und entsprechende Erhöhung des Gewinns aus Gewerbebetrieb auf einem Rechenfehler beruht, ergibt sich eindeutig aus den auf Blatt 86a und 108 der FG-Akten ausgeführten Rechnungen. Zur Ermittlung der Minderung der Gewerbesteuerrückstellung wurde die Gewerbesteuer - unter Berücksichtigung der vom FG ausgesprochenen Gewinnminderung - der Gewerbesteuer ohne diese Gewinnminderung gegenübergestellt. Diese Gegenüberstellung hätte zu fast genau dem gleichen Ergebnis geführt, wie die Berechnung der Rückstellungsminderung im angegriffenen Beschluß, wenn das zunächst richtige Ergebnis der bei der Errechnung der Gewerbesteuer nach dem ungeminderten Gewerbeertrag laut Einspruchsentscheidung ausgeführten Multiplikation des einheitlichen Meßbetrages von 934 mit dem Hebesatz von 275 = 2 568 DM nicht ohne ersichtlichen Grund in 2 668 DM geändert worden wäre. Die Änderung kann nur auf einer Nachrechnung mit falschem Ergebnis beruhen. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Jedenfalls ist das FG von dem richtigen Rechenansatz ausgegangen und wäre ohne den Multiplikationsfehler auch zum richtigen Ergebnis gelangt. Die Berichtigung nach § 107 FGO ist in diesem Berichtigungspunkt zulässig (vgl. Entscheidung des BFH III 185/62 vom 19. Februar 1965, HFR 1965, 476).
Das Außerachtlassen der außergewöhnlichen Belastung ist eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 107 FGO. Denn sie beruht offensichtlich nicht auf einer Willensentscheidung des FG, sondern auf einem Versehen. Hätte das FG die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung nicht zulassen wollen, so hätte es hierzu in den Gründen Stellung nehmen müssen. Dies um so mehr, als die Belastung während des gesamten Rechtsmittelverfahrens niemals streitig war. Das Fehlen jeglichen Hinweises rechtfertigt die Annahme, daß es sich insoweit lediglich um eine offenbare Auslassung handelt, die zu berichtigen ist (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Randnr. 1 zu § 107 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69678 |
BStBl II 1972, 954 |
BFHE 1973, 4 |