Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle nicht notwendiger Streitgenossenschaft sind die Kosten dem unterlegenen Streitgenossen und seinem Gegner in sinngemäßer Anwendung des § 136 FGO aufzuerlegen.
2. Bei einer Klageverbindung kann die verhältnismäßige Aufteilung der Kosten durch einen unterschiedlichen Prozeßablauf bis zur Verbindung auch bei gleichem Streitwert beeinflußt werden.
Normenkette
FGO § 136 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kreditgewinnabgabe (KGA)-Befreiungsvorschrift des § 163 Abs. 3 Nr. 4 LAG anzuwenden und ob die KGA-Schuld ggf. aus Billigkeitsgründen in vollem Umfang zu erlassen war.
Die Abgabeschuldnerin (Klägerin und Beschwerdeführerin) legte nach erfolglosem Einspruch und nach erfolgloser Beschwerde gegenüber dem Finanzministerium X gegen beide Entscheidungen Berufung ein, die nach Inkrafttreten der FGO als Klagen behandelt wurden. Das FG wies die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des FA als unbegründet zurück. Der Senat hob diese Entscheidung aus formellen Gründen auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Das FG verband nunmehr durch Beschluß vom Juli 1967 die Klage gegen das FA wegen der KGA und die Klage gegen das Finanzministerium X wegen des Erlasses von KGA gemäß § 73 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und wies beide Klagen als unbegründet ab. Auf die Revision der Abgabeschuldnerin hob der Senat das Urteil des FG sowohl hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen das FA als auch bezüglich der Verpflichtungsklage gegen das Finanzministerium auf und verwies beide Sachen an das FG zurück.
Auf Grund einer Beschwerde der Abgabeschuldnerin setzte der Senat den Streitwert für das finanzgerichtliche Verfahren vor der Verbindung für beide Streitsachen auf je 1 604 000 DM und für die Zeit nach der Verbindung auf insgesamt 1 604 000 DM fest.
Das FA berichtigte im August 1970 den angefochtenen KGA-Bescheid antragsgemäß durch Herabsetzung der KGA auf 0 DM. Die Abgabeschuldnerin erklärte daraufhin die Hauptsache sowohl in der Anfechtungsklage als auch in der Verpflichtungsklage für erledigt. Das FA und das Finanzministerium gaben entsprechende Erledigungserklärungen ab.
Das FG legte daraufhin durch Beschluß dem beklagten FA und der Abgabeschuldnerin die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte auf. In der Begründung führte es aus: Das FA und das Finanzministerium seien nicht als notwendige Streitgenossen anzusehen. Da die Abgabeschuldnerin in der Verpflichtungsklage keinen Erfolg gehabt habe, sei die Kostenentscheidung so zu treffen gewesen, als ob einer der beiden Streitgenossen obgesiegt hätte. Nach § 155 FGO in Verbindung mit § 92 ZPO habe der unterlegene Streitgenosse - das FA - und sein Gegner - die Abgabeschuldnerin - die Gerichtskosten je zur Hälfte zu tragen. Durch die Kostenteilung seien dem FA die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Abgabeschuldnerin auferlegt worden.
Mit der Beschwerde wendet sich die Abgabeschuldnerin dagegen, daß ihr die Hälfte der Kosten auferlegt worden ist. Sie beantragt, die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten aufzuerlegen. Sie macht geltend: Das Ziel beider Klagen sei durch die Herabsetzung der KGA auf 0 DM erreicht worden. Auch bei getrennter Betrachtung beider Klagen habe der Senat in seinem Vorbescheid vom Dezember 1969 nicht zum Ausdruck gebracht, die Verpflichtungsklage sei in jedem Falle unbegründet gewesen. Selbst wenn man die Erfolglosigkeit der Verpflichtungsklage unterstellen würde, sei zu berücksichtigen, daß eine Kostenteilung beider Klagen erst nach ihrer Verbindung zu einem einheitlichen Verfahren richtig wäre. Die Abgabeschuldnerin habe in der Anfechtungssache voll obgesiegt und könne nicht mit Kosten belastet werden, die durch diese Klage im ersten Rechtszug vor dem FG und dem ersten Rechtszug vor dem BFH entstanden seien. Bei der Kostenteilung seien auch Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen. Die Anfechtungsklage habe im Vordergrund gestanden, so daß nach der Verbindung beider Klagen höchstens 1/4 zu Lasten der Abgabeschuldnerin in Ansatz gebracht werden dürfe. Bei Zugrundelegen dieser Überlegungen gingen von den Gesamtkosten von rd. 160 000 DM zu Lasten der Abgabeschuldnerin nur rd. 17 500 DM, so daß es angemessen wäre, 8/9 der Kosten dem FA und 1/9 der Abgabeschuldnerin aufzuerlegen.
Das FA und das Finanzministerium beantragen, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zum Teil begründet.
Nach der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten, die Hauptsache sei erledigt, konnte das FG nur noch über die Kosten entscheiden. Gemäß § 138 Abs. 1 FGO ist die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Nach § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO sind die Kosten der Behörde aufzuerlegen, soweit der Rechtsstreit sich dadurch erledigt hat, daß dem Begehren der Klägerin durch Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben wurde. Dieser Grundsatz muß auch bei einer Klagehäufung gelten, wenn der Kläger mit einer Klage obsiegt, aber mit der anderen unterliegt. Es ist auch bei mehreren Klagen an dem Grundgedanken des Kostenrechts festzuhalten, daß die Kosten den Beteiligten insoweit zur Last fallen sollen, als sie im Ergebnis unterliegen (BFH-Beschluß VI B 47/67 vom 25. April 1968, BFH 92, 469, BStBl II 1968, 608). Auch bei einer Klagehäufung sind deshalb die Kosten entsprechend § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO verhältnismäßig zu teilen.
Im Streitfall hat die Abgabeschuldnerin in der Anfechtungsklage gegen das FA durch den Abhilfebescheid antragsgemäß obgesiegt, während sie in der Verpflichtungsklage gegen das Finanzministerium im Falle einer Sachentscheidung unterlegen wäre. Die Vorentscheidung geht zutreffend davon aus, daß der Senat in seinem Vorbescheid III R 42/68 vom 5. Dezember 1968 zum Ausdruck gebracht hat, die Abgabeschuldnerin wäre mit der Verpflichtungsklage unterlegen. Die Verpflichtungsklage stand in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der Anfechtungsklage. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage bestand nur für den Fall, daß die Anfechtungsklage unbegründet gewesen wäre. Die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage konnte unter dem Gesichtspunkt dieses Eventualfalles bejaht werden, da die Abgabeschuldnerin im Falle des Unterliegens in der Anfechtungssache einen Erlaß der KGA begehrt hat. Die Abgabeschuldnerin trug das Risiko, wenn sie durch ihren Erfolg in der Anfechtungsklage klaglos gestellt wurde, daß dann insoweit für ihre Verpflichtungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Eine Sachentscheidung hätte in der Verpflichtungsklage nur ergehen können, wenn die Anfechtungsklage unbegründet gewesen wäre. In diesem Falle wäre aber die Verpflichtungsklage ebenfalls unbegründet gewesen, da ein Erlaß der Abgabeschuld aus objektiven Billigkeitsgründen nicht gerechtfertigt war.
Die Vorentscheidung hat unter Hinweis auf § 155 FGO die für § 92 ZPO vom BGH für den Fall entwickelten Grundsätze angewandt, daß ein Kläger bei nicht notwendiger Streitgenossenschaft gegen den einen Streitgenossen obsiegt und gegen den anderen unterliegt. Da die FGO in § 136 FGO eine besondere Vorschrift über die Kostenverteilung enthält, bestehen Bedenken, über § 155 FGO den § 92 ZPO sinngemäß anzuwenden; denn die Generalklausel des § 155 FGO setzt eine Lücke voraus. § 136 Abs. 1 FGO regelt - das gleiche gilt für § 92 ZPO - nach seinem Wortlaut nicht ausdrücklich die Frage der Kostenverteilung im Falle der nicht notwendigen Streitgenossenschaft. Da § 136 Abs. 1 FGO im wesentlichen der Vorschrift des § 92 ZPO nachgebildet worden ist, bejaht der Senat die vom BGH für das zivilgerichtliche Verfahren in § 92 ZPO entwickelten Auslegungsgrundsätze (Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bd. 8 S. 325) auch für diese Vorschrift. Im Ergebnis stimmt daher der Senat mit der Vorentscheidung überein, daß im Falle der nicht notwendigen Streitgenossenschaft der unterlegene Streitgenosse und sein Gegner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.
Die Kostenteilung zwischen dem unterlegenen Streitgenossen - FA - und der Abgabeschuldnerin muß den in beiden Klagen entstandenen Kosten gerecht werden. Diesem Grundsatz entspricht die Vorentscheidung nicht, wenn sie der Abgabeschuldnerin die Hälfte der Gerichtskosten auferlegt hat, während das FA die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Abgabeschuldnerin tragen sollte. Die von der Abgabeschuldnerin hinsichtlich der Anfechtungsklage hervorgehobenen Umstände müssen insoweit eine Berücksichtigung finden, als durch die Anfechtungsklage bis zum Zeitpunkt der Verbindung beider Klagen 1967 zusätzliche Kosten entstanden sind, mit denen die Abgabeschuldnerin nicht belastet werden darf. Es würde dem Sinn des § 136 Abs. 1 FGO nicht entsprechen, die Abgabeschuldnerin, deren Anfechtungsklage durch Abhilfebescheid in vollem Umfang entsprochen worden ist, auch mit solchen Kosten zu belasten, die mit ihrer Verpflichtungsklage in keinem Zusammenhang stehen. Das kann allerdings nicht in der Weise geschehen, daß die Kostenentscheidung nach den Kosten der Anfechtungsklage und den Kosten der Verpflichtungsklage getrennt wird. Vielmehr muß das unterschiedliche Prozeßgeschehen die verhältnismäßige Aufteilung der Kosten beeinflussen. Dabei muß insbesondere berücksichtigt werden, daß die durch den ersten Rechtsgang beim FG und beim BFH erwachsenen Kosten voll dem FA aufzuerlegen sind, während die durch die Verpflichtungsklage bis zur Verbindung entstandenen Kosten der Abgabeschuldnerin zur Last fallen und die nach der Verbindung beider Klagen ausgelösten Kosten geteilt werden.
Ein Vergleich der entstandenen Kosten ergibt - geschätzt - folgendes:
Kosten der Anfechtungsklage bis zur
Verbindung mit der Verpflichtungsklage ca. 97 000 DM
Kosten der Verpflichtungsklage bis zur
Verbindung ca. 17 000 DM
Kosten beider Klagen nach der Verbindung ca. 65 000 DM
Gesamtkosten ca. 179 000 DM
Davon entfallen auf:
1. FA 97 000 DM
32 500 DM
129 500 DM
2. Abgabeschuldnerin 17 000 DM
32 500 DM
49 500 DM
Der Senat hält hiernach eine Kostenverteilung im Rahmen des billigen Ermessens für angemessen, die dem unterlegenen FA 5/7 und der Abgabeschuldnerin 2/7 der gesamten Kosten auferlegt.
Die Aufstellung der Abgabeschuldnerin konnte nicht uneingeschränkt zugrunde gelegt werden, da sie außer acht läßt, daß auch die Verpflichtungsklage bis zur Verbindung zumindest Prozeßgebühren ausgelöst hat, die ihr voll zur Last fallen müssen. Soweit die Abgabeschuldnerin den beiden Klagen eine verschiedene wertmäßige Bedeutung beimißt, kann ihr dargelegtes individuelles Interesse bei der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden, denn die Kosten bemessen sich nach dem für die beiden Klagen festgesetzten Streitwert. Dieser stellt das in Geldwert ausgedrückte objektive Interesse dar, das allein für den Kostenansatz der entstandenen Gebühren maßgebend sein kann.
Bei dieser Kostenentscheidung trägt die Abgabeschuldnerin 2/7 der Gerichtskosten, während ihr das FA 5/7 der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen ersetzen muß. Soweit die Abgabeschuldnerin mehr begehrt, ist ihre Beschwerde unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 69609 |
BStBl II 1972, 17 |
BFHE 1972, 126 |