Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der auf § 31 Nr. 18 TabStG gestützten Nachsteuer-Verordnung
Leitsatz (NV)
1. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt nicht in Betracht, wenn Steuerausfälle auf Grund der Solvenz des Antragstellers nicht zu befürchten sind. Die erwiesene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen rechtfertigt für sich allein die Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht.
2. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der auf § 31 Nr. 18 TabStG gestützten Nachsteuer-Verordnung erhebliche Zweifel, weil von der Nachsteuer gerade diejenigen Tabakerzeugnisse verschont bleiben, die der Verordnungsgeber eigentlich belasten wollte, nämlich Tabakstränge, die dazu bestimmt sind, durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben zu werden (Zigaretten).
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 3; TabStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 31 Nr. 18; FeinSchnStV § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Antragstellerin, Beschwerdegegnerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) vertreibt Tabakwaren, u.a. auch vorportionierten Feinschnitt. Mit dem Zweck, ihre Altbestände an Tabakwaren der nach § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Erhebung einer Nachsteuer auf vorportionierten Feinschnitt vom 16. November 2005 --Nachsteuer-Verordnung-- (BGBl I, 3165) angeordneten Nachbesteuerung zuzuführen, gab die Antragstellerin beim Antragsgegner, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) im Dezember 2005 in Bezug auf ihre am 1. September 2005 vorhandenen Bestände an vorportioniertem Feinschnitt eine Tabaksteueranmeldung ab. Zugleich erhob die Antragstellerin Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Nachdem das HZA diesen Antrag abgelehnt hatte, beglich die Antragstellerin die Tabaksteuerschuld und beantragte beim Finanzgericht (FG) die Vollziehung der Steueranmeldung aufzuheben. Der Antrag hatte Erfolg. Das FG hegte ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts und ordnete gegen Erbringung einer Sicherheitsleistung die Aufhebung der Vollziehung an.
Zur Begründung der Entscheidung führte das FG zunächst aus, dass ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot nicht vorliege. Denn ein Steuerschuldner könne nicht darauf vertrauen, dass ein Steuertarif unverändert bleibe. Im Hinblick darauf, dass das Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und anderer Verbrauchsteuergesetze vom 23. Dezember 2003 (BGBl I, 2924) in § 31 Nr. 18 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) eine Ermächtigung zur Erhebung einer Nachsteuer eingefügt habe, hätte die Antragstellerin mit einer entsprechenden Steuerbelastung rechnen und ihre Bevorratung darauf ausrichten können. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin stelle die Nachsteuer eine besondere Verbrauchsteuer dar, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehe. Allerdings bestünden erhebliche Zweifel daran, ob die Nachsteuer-Verordnung auf einer i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage beruhe.
Der in § 31 Nr. 18 TabStG normierten Ermächtigung liege die Erwägung zugrunde, dass einzelne Hersteller die in 2004 und 2005 vorgenommenen Tabaksteuererhöhungen zum Anlass nehmen könnten, in verstärktem Maße Zigaretten und Feinschnitt in den freien Verkehr zu entnehmen, um sie zu den dann noch geltenden niedrigeren Steuersätzen zu versteuern. Ausweislich der Begründung der Nachsteuer-Verordnung habe der Steueraufsichtsdienst der Zollverwaltung in den ersten beiden Septemberwochen 2005 stichprobenweise Überprüfungen der bei den Herstellern und im Handel anzutreffenden Bestände an alt- und neuversteuerten Zigaretten und Feinschnitt vorgenommen und dabei eine übermäßige Bevorratung von altversteuertem Feinschnitt festgestellt. Der Begründung sei weiterhin zu entnehmen, dass der gestiegene Marktanteil des im Vergleich zu Zigaretten niedriger besteuerten Feinschnitts zu einer Erodierung des Steueraufkommens bei der Zigarette und zu nicht vertretbaren Steuerausfällen führe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dürfe es nicht dem Adressaten der Ermächtigung überlassen werden, von ihr nach Belieben Gebrauch zu machen. Das Bestimmtheitsgebot erfordere, dass der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber hinreichende normative Anhaltspunkte für seine Entscheidung an die Hand gebe. Gemessen an diesen Vorgaben sei ernstlich zweifelhaft, ob sich der Verordnungsermächtigung zuverlässig entnehmen lasse, wann von einer Gefährdung des Tabaksteueraufkommens ausgegangen werden könne, so dass die Erhebung einer Nachsteuer geboten sei. Verstärkt würden die Bedenken dadurch, dass der Gesetzgeber ausdrücklich darauf verwiesen habe, dass sich eine Nachsteuer wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwands und des geringen Mehraufkommens aus verwaltungsökonomischer Sicht grundsätzlich nicht empfehle, und dass aus diesem Grund lediglich eine Ermächtigung für das Bundesministerium der Finanzen (BMF) vorgesehen sei. Dass dieser Bedarf im Zuge der stichprobenweisen Bestandsermittlung festgestellt worden sei, könne die Ermächtigung nicht in einem anderen verfassungsrechtlichen Licht erscheinen lassen.
Selbst wenn davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber die Entscheidung über die Erhebung einer Nachsteuer bewusst dem Verordnungsgeber habe überlassen wollen, dürfte es verfassungsrechtlich nur schwer hinzunehmen sein, dass der Gesetzgeber die politische Entscheidung allein dem Verordnungsgeber überantworte. Einer ungewöhnlich ansteigenden Lagerhaltung könne der Gesetzgeber dadurch begegnen, dass er die Vernichtung der nach einem bestimmten Stichtag im Lager oder im Handel noch vorrätigen und altversteuerten Zigaretten oder deren Umetikettierung anordne. Auch sei zu berücksichtigen, dass es ein geradezu typisches kaufmännisches Verhalten darstelle, wenn vor Steuererhöhungen in verstärktem Maße zu dem noch niedrigen Steuersatz versteuert werde.
Hiergegen wendet sich das HZA mit seiner Beschwerde, mit der es beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung abzulehnen. Der Gesetzgeber sei nicht daran gehindert, in Ermächtigungsnormen Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden. Im Hinblick auf den zu beachtenden Bestimmtheitsgrundsatz genüge es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen ließen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des Gesetzes. Ausgehend vom Prinzip der Preisbindung bei Tabakwaren entspreche es gerade nicht dem typischen kaufmännischen Verhalten, altversteuerte Tabakwaren zu beziehen. Allein durch die Aufnahme einer Ermächtigung zur Nachsteuererhebung habe der Gesetzgeber seinen Willen deutlich zum Ausdruck gebracht, das Steueraufkommen zu sichern und eine Bevorratung von Altbeständen möglichst zu verhindern. Die Ermächtigung habe dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprochen und das Ziel verfolgt, eine Nachsteuererhebung überflüssig zu machen. Bei Bestandsaufnahmen habe sich bei Feinschnitt ein Übergewicht an altpreisigen Beständen ergeben, weshalb die Nachsteuer-Verordnung zur Sicherung des Steueraufkommens erforderlich gewesen sei. Eine Vertrauen begründende Kontingentierung von Steuerzeichen habe es nicht gegeben.
Die betroffenen Verbände seien bereits mit einem Schreiben des BMF vom 27. Juli 2005 auf die Durchführung von Bestandsaufnahmen und die Möglichkeit einer Nachsteuererhebung hingewiesen worden.
Ein Kausalzusammenhang zwischen der Versteuerung des vorportionierten Feinschnitts als Feinschnitt, die sich nachträglich als gemeinschaftsrechtswidrig erwiesen habe, und der Notwendigkeit der Sicherung des Steueraufkommens durch eine Nachsteuerverordnung bestehe nicht. Im Übrigen gehe es im Streitfall nicht um den für vorportionierten Feinschnitt anzuwendenden Steuertarif.
Die Antragstellerin schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an und verweist ergänzend auf einen Beschluss des Hessischen FG vom 4. April 2006 7 V 243/06, in dem ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Gemeinschaftsrechtskonformität der Nachsteuer-Verordnung dargelegt werden. Das Bestimmtheitsgebot sei deshalb verletzt, weil der Gesetzgeber nicht deutlich gemacht habe, ab welchem Volumen an Altbeständen er die Erhebung einer Nachsteuer für notwendig erachte. Im Übrigen gebe es einen noch als "normal" anzusehenden Vorrat nicht, so dass sich zuverlässige Aussagen über eine übermäßige Bevorratung nicht treffen ließen. Allein das Vorhandensein bestimmter Mengen von Tabakpackungen könne keinerlei Auskunft darüber geben, ob eine übermäßige Bevorratung stattgefunden habe. Zudem habe die von der Zentralen Steuerzeichenstelle Bünde vorgenommene Kontingentierung von Steuerzeichen einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die betroffenen Wirtschaftsbeteiligten hätten auf einen Verkauf der mit den zugeteilten Steuerzeichen versehenen Tabakwaren vertrauen dürfen ohne eine Nachsteuer befürchten zu müssen.
Im Gegensatz zur Auffassung des FG liege darüber hinaus eine echte Rückwirkung vor, so dass die Nachsteuer-Verordnung bereits aus diesem Grunde keinen Bestand haben könne. Denn erst von dem Tag an, an dem der Bundestag das die Rückwirkung anordnende Gesetz beschlossen habe, sei das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht mehr geschützt. Der Beschluss über die Nachsteuer-Verordnung sei erst Ende August 2005 zustande gekommen. Vor dem fraglichen Zeitpunkt habe es keine allgemeine Ankündigung gegeben. Allein die Existenz der aufgrund der Verletzung des Bestimmtheitsgebotes verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage könne das berechtigte Vertrauen nicht erschüttern.
Auch die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des FG Beschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung der angeordneten Sicherheitsleistung begehrt. Zur Begründung führt sie aus, dass das FG selbst festgestellt habe, dass die Gefahr eines Steuerausfalls nicht zu besorgen sein dürfte. Davon habe sich das FG anhand der vorgelegten Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung überzeugen können. Allein der Umstand, dass sie wirtschaftlich in der Lage sei, Sicherheit zu leisten, könne nicht dazu führen, dass eine solche anzuordnen sei.
Das HZA ist dem Antrag der Antragstellerin entgegengetreten. Nähere Darlegungen zur Gefährdung des Steueranspruchs bei Aufhebung der angeordneten Sicherheitsleistung hat es nicht gemacht.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerde des HZA hat keinen Erfolg. Das FG hat die Vollziehung der angefochtenen Tabaksteueranmeldung zu Recht aufgehoben.
a) Nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung eines schon vollzogenen Verwaltungsakts, auch gegen Sicherheit, anordnen. Die Anordnung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken, wobei die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe nicht überwiegen müssen, so dass eine Aufhebung der Vollziehung auch dann zu gewähren ist, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids später im Hauptsacheverfahren bestätigt werden sollte (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. September 2002 IV S 3/02, BFH/NV 2003, 187, m.w.N.).
Im Streitfall ist der angefochtene Verwaltungsakt in Gestalt der von der Antragstellerin abgegebenen Steueranmeldung durch die freiwillige Entrichtung der Tabaksteuer vollzogen worden. Die freiwillige Zahlung steht der Aufhebung der Vollziehung, etwa durch Erstattung des gezahlten Betrages, nicht entgegen (BFH-Beschluss vom 22. Juli 1977 III B 34/74, BFHE 123, 112, BStBl II 1977, 838).
b) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Zweifel bestehen insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Nachsteuer-Verordnung die in § 31 Nr. 18 TabStG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und ob die von ihr erfassten Steuergegenstände in einer gemeinschaftsrechtskonformen Weise bezeichnet werden.
Entgegen dem Wortlaut der Ermächtigung, der generell Zigaretten und Feinschnitt anspricht, unterwirft § 1 Nachsteuer-Verordnung nur vorportionierten Feinschnitt der Nachsteuer. Dabei gelten als vorportionierter Feinschnitt nur solche Tabakstränge, die dazu bestimmt sind, in eine Zigarettenpapierhülse geschoben zu werden und die keine Zigarren oder Zigarillos i.S. von § 2 Abs. 1 TabStG oder Zigaretten i.S. von § 2 Abs. 2 TabStG sind. Ausgenommen sind folglich Tabakstränge, die dazu bestimmt sind, durch einen einfachen nichtindustriellen Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben zu werden, denn diese Erzeugnisse sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG Zigaretten (entsprechend der Vorgabe in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie Nr. 95/59/EG --Tabakstrukturrichtlinie-- des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 291/40). Für die angeordnete Besteuerung verbleiben danach nur solche Tabakstränge, die einen solchen Aufwand zur Fertigstellung einer rauchbaren Zigarette erfordern, der über einen einfachen nichtindustriellen Vorgang hinausgeht. Da nach dem Willen des Verordnungsgebers insbesondere Feinschnittzigaretten, also sog. Sticks und vorportionierter Feinschnitt, nachträglich besteuert werden sollten (vgl. Scheuer, Neuere Entwicklungen im internationalen und nationalen Tabaksteuerrecht, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 2, 7), liegt die Vermutung nahe, dass der Verordnungsgeber davon ausging, dass diese Produkte nicht von der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG angeführten Begriffsbestimmung erfasst würden.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu den unter dem Namen "West Single Packs" vertriebenen Feinschnitttabaksträngen entschieden hat, ist dies unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben jedoch nicht der Fall. Gerade die im Handel als Sticks bezeichneten Tabakstränge, die Deutschland im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Nachsteuer-Verordnung als Feinschnitt besteuerte, bildeten Anlass zu dem von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren, das mit der Feststellung des EuGH endete, Deutschland habe durch die Anwendung des Steuersatzes für Feinschnitt für selbst gedrehte Zigaretten auf die unter dem Namen "West Single Packs" verkauften Tabakstränge gegen das einschlägige Gemeinschaftsrecht verstoßen (vgl. EuGH-Urteil vom 10. November 2005 Rs. C-197/04, EuGHE 2005, I-9739). Somit ist davon auszugehen, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG die vorportionierten Feinschnittprodukte erfasst, die mit der normalen Zigarette in einem besonders stark ausgeprägten Substitutionsverhältnis stehen, und deren nachträgliche Versteuerung mit der Nachsteuer-Verordnung gerade erreicht werden sollte. Sie bleiben indes als "Zigaretten" i.S. des § 2 Abs. 2 TabStG von der Nachversteuerung gerade verschont. Hiergegen bestehen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) Bedenken, die ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts begründen.
Im Übrigen wäre der angefochtene Bescheid unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH auch deshalb zu beanstanden, weil die angemeldeten Bestände an vorportioniertem Feinschnitt nicht nach dem Zigarettensteuersatz (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 TabStG), sondern gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 TabStG zu dem Steuersatz für Feinschnitt besteuert würden.
c) Da bereits die vorgenannten Erwägungen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts begründen und die Aufhebung der Vollziehung als geboten erscheinen lassen, bedarf es im summarischen Verfahren keiner näheren Ausführungen darüber, ob die Vorentscheidung auch deshalb zu bestätigen ist, weil ernsthafte Zweifel darüber bestehen, ob die Erhebung einer Nachsteuer auf Tabakwaren nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in der Tabakstrukturrichtlinie und der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABlEG Nr. L 76/1) überhaupt zulässig ist, ob der Gesetzgeber bei der Normierung der Ermächtigungsgrundlage das Bestimmtheitsgebot (Art. 80 Abs. 1 GG) in ausreichendem Maße beachtet hat und die eigentliche Entscheidung über die Erhebung einer Nachsteuer dem Verordnungsgeber überlassen durfte (in der Vergangenheit beruhte die Erhebung einer Nachsteuer regelmäßig auf gesetzlichen Bestimmungen; vgl. die Übersicht bei Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 70 ff.) und ob --wie die Antragstellerin meint-- der Nachsteuerregelung eine echte und daher verfassungsrechtlich zu beanstandende Rückwirkung beizumessen wäre (vgl. zur Zulässigkeit einer angeordneten Rückwirkung bei der Erhebung von Nachsteuern BVerfG-Beschluss vom 2. Mai 1985 2 BvR 285/85, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1987, 93).
2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet und führt zur Aufhebung der Anordnung über die Sicherheitsleistung.
Nach der Rechtsprechung des BFH kann die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung, mit der eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung angeordnet worden ist, mit der Begründung angegriffen werden, sie sei zu Unrecht verlangt worden (BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, und Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 416, m.w.N.). Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der Vermeidung von Steuerausfällen (BFH-Beschlüsse vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127, und vom 29. November 1995 X B 328/94, BFHE 179, 222, BStBl II 1996, 322, 327, m.w.N.). Solche Ausfälle können im Rahmen der Aufhebung der Vollziehung vor allem dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist. Nur einer solchen Entwicklung soll durch die Sicherheitsleistung vorgebeugt werden. Deshalb ist, wenn eine entsprechende Gefahr im konkreten Fall nicht besteht, für die Anordnung einer Sicherheitsleistung kein Raum; dies gilt unabhängig vom Grad der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (BFH-Beschlüsse vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFH/NV 2005, 625, und vom 29. Juni 1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726). Allein die erwiesene wirtschaftliche Leistungskraft des Steuerpflichtigen kann nicht zum Anlass genommen werden, die Erbringung einer Sicherheitsleistung anzuordnen. Im Streitfall ist die Anordnung der Sicherheitsleistung daher zu Unrecht erfolgt, zumal das FG Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht zu gewinnen vermocht hat. Aus den vorgelegten Unterlagen ergab sich vielmehr die Solvenz der Antragstellerin. Aus diesem Grund war der angefochtene Beschluss entsprechend abzuändern.
Fundstellen
Haufe-Index 1814376 |
BFH/NV 2007, 2358 |