Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung durch Einzelrichter
Leitsatz (NV)
1. Im Falle der Übertragung der Sache auf den Einzelrichter durch Senatsbeschluß (§6 FGO) bedarf es nicht des Einverständnisses der Beteiligten zu einer Entscheidung durch den Einzelrichter.
2. Zum Widerruf bzw. zur Rücknahme einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung.
Normenkette
FGO § 6 Abs. 1, § 79a Abs. 3-4, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 130 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage wegen Feststellung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme einer dem Kläger erteilten Unbedenklichkeitsbescheinigung als unbegründet abgewiesen. Der Kläger, Revisionskläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragt die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für die Einlegung der Revision und der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG.
Entscheidungsgründe
Dem PKH-Antrag kann nicht entsprochen werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).
1. Die zulassungsfreie Revision ist nicht gegeben, weil der vom Kläger gerügte wesentliche Verfahrensmangel i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 1 FGO, daß das erkennende Gericht wegen der Entscheidung durch den Einzelrichter nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, nicht vorliegt. Das Vorbringen des Klägers, daß sein Einverständnis zu einer Entscheidung durch einen Einzelrichter nach §79 a Abs. 3 (Vorsitzender) bzw. Abs. 4 (Berichterstatter) FGO nicht eingeholt worden sei, ist unerheblich. Denn im Streitfall hat nicht der sog. konsentierte Einzelrichter im Sinne der vom Kläger genannten Vorschrift entschieden, sondern der Einzelrichter, dem durch Beschluß des Vollsenats des FG vom 14. April 1997 gemäß §6 Abs. 1 FGO der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen worden ist.
Im Falle der Übertragung der Sache auf den Einzelrichter durch Senatsbeschluß gemäß §6 FGO ist für ein Einverständnis der Beteiligten nach §79 a Abs. 3 FGO kein Raum (von Wedel in Schwarz, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, §79 a Rdnr. 22; zu den unterschiedlichen Voraussetzungen der beiden Einzelrichterentscheidungen vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §79 a FGO Tz. 14).
2. Die vom Kläger beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde hat auch unter Zugrundelegung von nur eingeschränkten Begründungsanforderungen, die an den nicht sachkundig vertretenen Antragsteller für die PKH (Kläger) gestellt werden können (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 18. Januar 1996 V S 11/95, V B 122/95, BFH/NV 1996, 633, m. w. N.), keine Aussicht auf Erfolg. Die als Begründung für die Beschwerde als rechtsgrundsätzlich (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Finanzbehörde die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung widerrufen darf, solange Steuerschulden (hier: gegen den Kläger festgesetzte Haftungsschulden) nicht rechtskräftig feststehen, wäre in einem den Streitfall betreffenden Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn das FG hat seine Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, daß die dem Kläger erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung nach §130 Abs. 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) deshalb zurückgenommen werden konnte, weil der begünstigende Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt worden sei, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig waren. Der Kläger habe nämlich, obwohl er -- wie das FG annimmt -- nach dem Bestehen von Steuerschulden befragt worden sei, den von einem anderen Finanzamt (FA) gegen ihn erlassenen Haftungsbescheid nicht angegeben. Hinsichtlich dieser das Urteil des FG tragenden Begründung sind Gründe für die Zulassung der Revision (§115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO) nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
Auf das Vorbringen des Klägers, daß der Haftungsbescheid rechtsbehelfsbefangen sei, worauf auch die Nichtzulassungsbeschwerde gestützt wird, ist das FG nur hilfsweise eingegangen ( ... "darüber hinaus" ... ). Es hat insoweit ausgeführt, der Steuerpflichtige könne in diesem Falle allenfalls verlangen, daß in der Unbedenklichkeitsbescheinigung des FA ein entsprechender Vermerk angebracht werde. Dieses Ziel habe der Kläger mit seinem Anfechtungsbegehren (richtig: Feststellungsbegehren) jedoch nicht verfolgt.
Die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage, ob Steuer- oder Haftungsschulden, die noch nicht rechtskräftig festgesetzt worden sind, der Erteilung einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung entgegenstehen, ist somit jedenfalls in dem geltend gemachten umfassenden Sinne nicht entscheidungserheblich, so daß die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Betrachtung keinen Erfolg haben könnte. Der Senat weist im übrigen darauf hin, daß der Berücksichtigung von festgesetzten Steuerschulden -- etwa mit dem vom FG angeführten Vermerk, daß diese rechtsbehelfsbefangen seien -- im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerde keine "Schuldvermutung" zugrunde liegt, so daß ein Vergleich mit den Angaben im polizeilichen Führungszeugnis und im Gewerbezentralregister, in die nach dem Vorbringen des Klägers nur rechtskräftig geworfene Strafen und Geldbußen eingetragen werden dürfen, nicht angebracht erscheint und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen vermag. Die Auswirkung einer Nichterteilung bzw. einer Rücknahme einer Unbedenklichkeitsbescheinigung hängt ferner von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, so daß -- entgegen dem Vorbringen der Beschwerde -- die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch nicht daraus hergeleitet werden kann, daß der Widerruf bzw. die Rücknahme der Bescheinigung (generell) zu einem Berufsverbot führt.
Fundstellen
Haufe-Index 66601 |
BFH/NV 1998, 560 |