Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine einstweilige Anordnung nach Verwertung bzw. Freigabe von Pfandgegenständen
Leitsatz (NV)
Mit der Verwertung bzw. Freigabe von Pfandgegenständen ist die Zwangsvollstreckung abgeschlossen. Für den auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gerichteten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung entfällt das Rechtsschutzinteresse; die Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung des FG wird damit unbegründet.
Normenkette
FGO §§ 114, 142; ZPO § 114
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) schuldet dem Finanzamt (FA) B Grunderwerbsteuer. Das FA B beauftragte das FA K mit der Beitreibung dieser Steuern. Die Vollstreckungsstelle des FA K bezog in verschiedenen Schreiben an den Antragsteller und Beitreibungsmaßnahmen gegen diesen (Durchsuchung der Wohnung, Pfändung von Möbeln) auch die Grunderwerbsteuerschulden der Mutter des Antragstellers, die nicht in dessen Wohnung, sondern in einem Altersheim lebt, in die Zwangsvollstreckung ein.
Der Antragsteller wandte sich mit mehreren Anträgen an das Finanzgericht (FG) auf Erlaß von einstweiligen Anordnungen gegen die Beitreibungsmaßnahmen der beiden FÄ. In dem Verfahren . . . 511/88 beantragte er auf diesem Wege, dem FA B zu untersagen, Beitreibungsmaßnahmen gegen ihn durchzuführen wegen rückständiger Steuern, die nicht er, sondern seine Mutter schulde. Denselben Antrag, der hilfsweise auch gegen das FA K gerichtet war, stellte er nochmals, nachdem wegen der Steuerschulden Möbel gepfändet und deren Versteigerung angekündigt worden war, im Verfahren . . . 545/88. Im Verfahren . . . 547/88 beantragte er, dem FA B zu untersagen, bis zur Entscheidung über die anhängigen Klagen gegen Grunderwerbsteuerbescheide und einen gestellten Erlaßantrag die rückständigen Steuern selbst oder durch Vollstreckungsersuchen über das FA K beizutreiben.
Das FG lehnte sämtliche Anträge auf Erlaß von einstweiligen Anordnungen ab. In den Verfahren . . . 511/88 und . . . 545/88 hielt es die Anträge mit der Begründung für unzulässig, daß das FA B der unrichtige Antragsgegner sei, weil die Beitreibungsmaßnahmen, gegen die der Antragsteller sich wendet, vom FA K ausgingen. Im übrigen fehle für die Anträge das Rechtsschutzinteresse, da beide FÄ zugesichert hätten, daß Beitreibungsmaßnahmen in das Vermögen des Antragstellers nur wegen dessen eigenen Grunderwerbsteuerschulden durchgeführt würden. Für das Verfahren . . . 547/88 sah das FG das FA B als den richtigen Antragsgegner an; es hielt den Antrag jedoch mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für unbegründet.
Der Antragsteller hat gegen die drei Beschlüsse des FG Beschwerden eingelegt. Mit diesen beantragt er, den jeweiligen Beschwerdegegnern - FA B bzw. FA B und FA K - zu untersagen, die inzwischen bei ihm gepfändeten und abgeholten Gegenstände (Möbel) versteigern zu lassen. Zur Begründung seiner Beschwerden trägt er im wesentlichen vor, die Beitreibungsmaßnahmen seien rechtswidrig, weil die gepfändeten Gegenstände sicherungsübereignet seien und weil die anhängigen Klagen wegen Grunderwerbsteuer, sein Erlaßantrag, ein Stundungsantrag und ein Antrag auf Einstellung der Vollstreckung Aussicht auf Erfolg hätten. Auf die Zusicherung der FÄ, es würden keine Beitreibungsmaßnahmen in sein Vermögen wegen der Steuerschulden seiner Mutter vorgenommen, könne - entgegen der Auffassung des FG - nach dem bisherigen Verlauf der Zwangsvollstreckung nicht vertraut werden.
Im Verlaufe der Beschwerdeverfahren wurde die gegen die Mutter des Antragstellers geltend gemachte Grunderwerbsteuer erlassen (7. November 1988). Die beim Antragsteller gepfändeten Gegenstände wurden zum Teil im Versteigerungstermin vom 3. Dezember 1988 versteigert; soweit sie nicht versteigert worden sind, wurden sie dem Antragsteller freigegeben. Trotz des Hinweises des FA K, daß damit die Vollstreckungsmaßnahmen abgeschlossen und für das Begehren des Antragstellers kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehe, hat der Antragsteller daraus keine prozessualen Konsequenzen gezogen. Er macht weiterhin geltend, die Beitreibungsmaßnahmen der FÄ seien rechtswidrig und die Vorentscheidungen verletzten materielles und formelles Recht.
Der Antragsteller hat beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt, ihm für seine Beschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt Dr. R als Bevollmächtigten beizuordnen.
Entscheidungsgründe
Die Anträge auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten für die Beschwerdeverfahren VII B 193/88, VII B 194/88 und VII B 195/88 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Anträge sind abzulehnen. Nach § 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind für die vorliegenden Beschwerden des Antragstellers nicht erfüllt. Sein Begehren hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Mit seinen Anträgen auf Erlaß von einstweiligen Anordnungen begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen Beitreibungsmaßnahmen der FÄ B bzw. K. In den Beschwerdeverfahren beantragt er nunmehr, den FÄ im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die bei ihm gepfändeten und abgeholten Gegenstände versteigern zu lassen. Für dieses Begehren ist das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers entfallen, nachdem das FA K die Versteigerung der gepfändeten Gegenstände durchgeführt und die Gegenstände, die sich nicht versteigern ließen, unter Aufhebung der Pfändung dem Antragsteller freigegeben hat. Mit der Verwertung bzw. Freigabe der Pfandgegenstände ist die Zwangsvollstreckung abgeschlossen worden, unabhängig davon, ob die Beitreibungsmaßnahmen rechtmäßig waren oder nicht. Die Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung sind damit gegenstandslos geworden, weil der begehrte gerichtliche Rechtsschutz nach Verwertung bzw. Freigabe der Pfandgegenstände tatsächlich nicht mehr gewährt werden kann. Mit dem Wegfall des Rechtsschutzinteresses sind die Anträge auf Erlaß der einstweiligen Anordnungen unzulässig geworden. Die Beschwerden gegen die ablehnenden Entscheidungen des FG sind damit unbegründet (vgl. Beschluß des Senats vom 7. Mai 1985 VII B 43/84, BFH /NV 1986, 611, m. w. N.).
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Anträge auf Erlaß von einstweiligen Anordnungen auch aus sonstigen Gründen - z. B. Identität der Streitgegenstände, falscher Antragsgegner, Fehlen des Anordnungsanspruchs oder des Anordnungsgrundes - unzulässig oder unbegründet waren. Es ist auch unerheblich, ob die durchgeführten Beitreibungsmaßnahmen rechtmäßig waren. Denn im Verfahren wegen einstweiliger Anordnung nach § 114 FGO kommt, nachdem sich die Hauptsache erledigt hat, eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Vollstreckungsmaßnahmen nicht in Betracht (vgl. Beschluß des Senats vom 17. Januar 1985 VII B 46/84, BFHE 142, 564, BStBl II 1985, 302). Gegenstand dieses Verfahrens ist auch nicht der vom Antragsteller nunmehr geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung. Schließlich ist es auch unerheblich, ob die Vorentscheidungen - wie der Antragsteller vorträgt - mit Verfahrensfehlern (Verletzung rechtlichen Gehörs) behaftet waren. Für die Versagung der begehrten Prozeßkostenhilfe ist vielmehr allein entscheidend, daß die Beschwerden des Antragstellers wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses keine Aussicht auf Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 416572 |
BFH/NV 1990, 259 |