Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung von Verfahrensmängeln und der grundsätzlichen Bedeutung
Leitsatz (NV)
- Bei einer Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung der angebotenen Beweise muss der Beschwerdeführer u.a. schlüssig vortragen, dass und inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann.
- Eine Verfahrensrüge (hier: Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten i.S. von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist unzulässig, wenn sie keine (substantiierten) Angaben darüber enthält, dass und warum die angefochtene FG-Entscheidung bei einer Unterlassung des (vermeintlichen) Verfahrensverstoßes unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG anders ausgefallen wäre.
- Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache muss - abgesehen von dem seltenen, hier nicht gegebenen Fall ihrer Evidenz - schlüssig dargelegt werden. Hierzu muss der Beschwerdeführer substantiiert darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten sei.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Nichterhebung der angebotenen Beweise
Bei einer solchen Sachaufklärungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. schlüssig vortragen, dass und inwiefern das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozess, Rdnr. 226; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 65 i.V.m. § 120 Rz. 40, m.w.N.).
Das FG ist zunächst eindeutig davon ausgegangen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Jahre 1981 alle wesentlichen Grundlagen seiner damaligen Einzelpraxis samt Praxiswert einschließlich des Mandantenstamms auf die GmbH übertragen habe.
Ebenso scheint das FG trotz seiner allerdings missverständlichen Formulierungen im letzten Absatz auf S. 10 seines Urteils angenommen zu haben, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin bei Gründung der Sozietät (GbR) im Streitjahr 1992 nicht nur den Mandantenstamm, sondern den gesamten Praxiswert einschließlich des Mandantenstamms, soweit er auf die bisherige Stammniederlassung in O. entfiel, aus der GmbH entnommen und auf die GbR übertragen habe.
Bei einer dahingehenden Interpretation der FG-Auffassung wäre der von der Klägerin gerügte Verfahrensverstoß nicht rechtserheblich. Denn selbst wenn die von der Klägerin als unterlassen gerügte Beweisaufnahme ergäbe, dass ―wie die Klägerin behauptet― der Wert des Mandantenstamms niedriger als mit 1,2 Mio. DM zu veranschlagen wäre, könnte dieses Ergebnis die Richtigkeit der eigenen Bekundung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin in dessen Schreiben an den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) vom 8. März 1996 nicht entkräften, dass er einen "selbst geschaffenen Praxiswert" in die Sozietät eingebracht habe, den er und seine Partner übereinstimmend mit 1,2 Mio. DM bewertet hätten. Dies folgt daraus, dass sich ein Praxiswert nicht im Mandantenstamm erschöpft, sondern auch andere werthaltige Faktoren (etwa Lage und Ruf der Praxis, Qualität der Mitarbeiter, Organisation und dergl.) umfasst.
Die Verfahrensrüge greift indessen auch dann nicht durch, wenn das FG so zu verstehen ist, dass nur der Mandantenstamm einen Wert von 1,2 Mio. DM besessen habe. In diesem Fall kann das angefochtene Urteil zwar auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen. Es stellt sich dann aber aus anderen als vom FG dargelegten Gründen als richtig dar mit der Folge, dass die Rüge in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Nach Lage des Falles unterliegt keinem Zweifel, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin nicht nur den der Niederlassung in O. zuzuordnenden Mandantenstamm, sondern den auf diese Niederlassung entfallenden gesamten Praxiswert auf die Sozietät übertragen hatte. Dies ergibt sich ―wie dargelegt― eindeutig aus der eigenen Darstellung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin im Schreiben vom 8. März 1996 und wird auch durch den Umstand gestützt, dass die GmbH ihre Tätigkeit nach Gründung der GbR auf die neuen Bundesländer und Berlin beschränkt hat.
2. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten i.S. von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO
a) Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, das FG habe auf ein Schreiben ihres verstorbenen Ehemannes vom 8. März 1996 verwiesen, in welchem dieser "den Wert der Mandate in Übereinstimmung mit den Partnern auf 1,2 Mio. DM" beziffert habe. Diese Behauptung sei unzutreffend; sie widerspreche dem klaren Inhalt der Akten. In dem erwähnten Schreiben heiße es nämlich wörtlich:
"In diese Sozietät habe ich meine persönlichen Mandate eingebracht…. Es handelt sich um einen selbst geschaffenen Praxiswert, den meine Partner und ich übereinstimmend mit 1,2 Mio. DM bewerten."
b) Diese Rüge ist unzulässig, weil sie keine (substantiierten) Angaben darüber enthält, dass und warum die angefochtene FG-Entscheidung bei einer vollständigen Wiedergabe der beiden unter 2. a), am Ende zitierten Sätze aus dem Schreiben vom 8. März 1996 unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG anders ausgefallen wäre.
Selbst wenn man aber von der Zulässigkeit der Rüge ausginge, wäre sie jedenfalls unbegründet: Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten i.S. von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO setzt voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder dass das FG eine nach dem Inhalt der Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 26, m.w.N.).
Dies trifft im Streitfall nicht zu. Dies belegt schon der Umstand, dass das FG den klägerischen Vortrag im Tatbestand des angefochtenen Urteils korrekt dahin wiedergegeben hat, dass der "Wert des nunmehr vom …. (verstorbener Ehemann der Klägerin) genutzten Mandantenstamms … zum Zeitpunkt der Einlage in die Sozietät ―und damit der mutmaßlichen Entnahme bei der GmbH― erheblich geringer als 1,2 Mio. DM gewesen (sei). Lediglich der vom … (verstorbenen Ehemann der Klägerin) in die Sozietät eingebrachte Praxiswert sei von den Beteiligten mit 1,2 Mio. DM angesetzt worden. Der Mandantenstamm sei bezüglich des Praxiswerts jedoch nur einer der wertbildenden Faktoren. Ein weiterer wesentlicher Faktor sei die höchstpersönliche Arbeitsleistung und Schaffenskraft des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers…".
Vor diesem Hintergrund kann in dem in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils enthaltenen Satz, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Schreiben vom 8. März 1996 "den Wert der Mandate in Übereinstimmung mit den Partnern auf 1,2 Mio. DM" beziffert habe, nicht die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts, sondern nur die vom FG vorgenommene wertende Interpretation der beiden oben unter 2. a (letzter Absatz) wiedergegebenen, unmittelbar hintereinander folgenden Sätze aus dem in Rede stehenden Schreiben dahin gesehen werden, dass die dort verwendeten Begriffe "persönliche Mandate" und "Praxiswert" vom verstorbenen Ehemann der Klägerin im konkreten Fall als deckungsgleich verstanden worden seien.
3. Weiterer Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten i.S. von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO
a) Als weiteren Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO rügt die Klägerin das Übergehen ihres Vortrages in der Klagebegründungsschrift vom 26. Mai 1998 unter A. V. 3. Dort sei ausgeführt worden, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auch deshalb nicht in Betracht komme, weil die GmbH vor der Einlage des Mandantenstamms (meint: in die GbR) ihren Geschäftsgegenstand aus standesrechtlichen Gründen räumlich auf die neuen Bundesländer eingeschränkt und den verstorbenen Ehemann der Klägerin von dem Wettbewerbsverbot befreit habe. Die (von der GbR) genutzten Mandate hätten sich auf diesen "freigegebenen" Bereich beschränkt. Das angefochtene FG-Urteil könne auf diesem Fehler beruhen. Das FG hätte zunächst feststellen müssen, ob vor diesem Hintergrund überhaupt noch etwas hätte entnommen werden können bzw. ein Wertausgleich zur Vermeidung einer vGA erforderlich gewesen sei.
Letzteres hätte sich aufgedrängt, da nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 4. Februar 1992 IV B 7 -S 2742- 6/92 (BStBl I 1992, 137) bei Steuerberatern eine unentgeltliche Betriebsabgrenzung und Wettbewerbsbefreiung nicht als vGA gewertet werden solle, wenn die Rechtsbeziehungen bis 31. Dezember 1992 i.S. der damaligen Rechtsprechung geklärt worden seien. Über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und Art. 3 des Grundgesetzes (GG) entfalteten die zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausgeübten Verwaltungsanweisungen Bindungswirkung auch für die Finanzgerichte. Da das BMF-Schreiben nicht danach differenziere, ob dieser Verzicht einen Wert habe bzw. der Geschäftsführer die durch die Befreiung gewonnene Position seinerseits verwerte, sei es möglich, dass der Klage bei Berücksichtigung des Akteninhalts stattgegeben worden wäre.
b) Die dahingehende Rüge der Klägerin ist jedenfalls unbegründet. Das FG hat die Tatsache, dass die GmbH ihren Geschäftsgegenstand räumlich auf die neuen Bundesländer (und Berlin) einschränkte und sich die von der GbR (Sozietät) zu nutzenden Mandate auf das "alte" Bundesgebiet (unter Ausschluss von Berlin-West) beschränken sollten, nicht übergangen. Im Tatbestand des angefochtenen FG-Urteils heißt es hierzu vielmehr, dass nach "§ 4 Ziff. 3 des Vertrages … alle Mandate an die Sozietät (gingen). Ausgenommen … waren alle gegenwärtigen und zukünftigen Mandate, die der Kläger (meint: verstorbener Ehemann der Klägerin) von Auftraggebern mit Sitz und Wohnort im Beitrittsgebiet … und in Berlin erhält."
Im Kern richtet sich die von der Klägerin in diesem Zusammenhang an der angefochtenen Vorentscheidung geübte Kritik denn auch nicht dagegen, dass das FG nach dem Inhalt der Akten feststehende Tatsachen unberücksichtigt gelassen habe. Vielmehr rügt sie ―im Stil einer Revisionsbegründung―, dass das FG rechtsirrig von einer vGA ausgegangen sei, wohingegen nach ihrer, der Klägerin, Auffassung lediglich eine "unentgeltliche Betriebsabgrenzung und Wettbewerbsbefreiung" erfolgt sei, die nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens in BStBl I 1992, 137 nicht als vGA gewertet werden könne.
4. Grundsätzliche Bedeutung
a) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob "es für die Verwendung des EK 04 bei der Entnahme eines Wirtschaftsguts bei einer Kapitalgesellschaft Voraussetzung (sei), dass dieses Wirtschaftsgut vorher mit einem entsprechend hohen Wert in das EK 04 eingelegt und gebucht wurde".
Es sei streitig, ob es bei der Einlagenrückgewähr möglich sei, unabhängig von der Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) "unmittelbar mit dem EK 04 zu verrechnen (vgl. nur Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 40 KStG Tz. 21 ff., m.w.N.)". Sollte eine unmittelbare Verrechnung möglich sein, sei kein Grund ersichtlich, sie auf bestimmte Fallgruppen zu beschränken. Zumindest dann erscheine eine direkte Verrechnung als sachgerecht, wenn der ursprünglich eingelegte Gegenstand sich nicht ―wie z.B. Geld― mit dem sonstigen Vermögen untrennbar vermische, sondern weitgehend unverändert wieder entnommen werde.
b) Die Rüge ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
aa) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache muss ―abgesehen von dem seltenen, hier nicht gegebenen Fall ihrer Evidenz― schlüssig dargelegt werden. Hierzu muss der Beschwerdeführer substantiiert darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten sei.
bb) Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung selbst dann nicht, wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, es stehe der Annahme einer EK 04-Ausschüttung im Streitfall nicht entgegen, dass der Mandantenstamm bei seiner Einlage in die GmbH nicht mit einem entsprechend hohen Wert im EK 04 verbucht wurde. Die Klägerin hat nicht substantiiert ―unter Hinweis auf konkrete Fundstellen― darlegen können, wer mit welchen (beachtlichen) Gründen die Auffassung vertrete, dass die im Streitfall in Rede stehende vGA entgegen der Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 3 KStG mit dem EK 04 zu verrechnen sei. Der Hinweis auf Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt (a.a.O., § 40 KStG Tz. 21 ff.) ist insoweit nicht ergiebig.
Im Übrigen hätte es im Hinblick darauf, dass sich auch im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Beantwortung der Frage, ob eine Ausschüttung als solche aus dem EK 04 gilt, allein nach der Gliederungsrechnung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft entscheidet (vgl. z.B. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. C 107), näherer Ausführungen darüber bedurft, dass die Streitfrage in einem den Anteilseigner betreffenden künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sei.
5. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin kann schließlich auch nicht deshalb Erfolg haben, weil die Voraussetzungen für den Erlass des angefochtenen Teilurteils gemäß § 98 FGO mangels der gebotenen Teilbarkeit des Streitgegenstands nicht erfüllt waren (vgl. dazu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 98 FGO Rz. 8, 9 und 15 bis 17; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 98 FGO Tz. 1 und 2). Dabei kann der beschließende Senat offen lassen, ob das vom FG ausdrücklich als solches apostrophierte ―unzulässige― "Teilurteil" entgegen seiner äußeren Bezeichnung im Auslegungswege als "Zwischenurteil" i.S. von § 99 Abs. 2 FGO angesehen werden könnte und die Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Zwischenurteils im Streitfall vorlagen. Selbst wenn eine dahingehende Auslegung nicht in Betracht käme und das angefochtene Urteil daher als ―unzulässiges― Teilurteil zu qualifizieren wäre, bliebe der darin liegende Verstoß des FG gegen die Grundordnung des Verfahrens bei der hier zu treffenden Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde folgenlos. Denn die Klägerin hat diesen Verfahrensverstoß nicht gerügt. Im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren müssen indessen auch solche Verfahrensmängel, welche ―wie der hier in Rede stehende Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens― im Revisionsverfahren grundsätzlich von Amts wegen berücksichtigt werden, ausdrücklich und schlüssig geltend gemacht werden.
6. Im Übrigen wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung abgesehen.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO (zur Kostenfolge bei erfolgloser Anfechtung eines Teilurteils vgl. z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 98 FGO Rz. 40, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 425216 |
BFH/NV 2000, 966 |