Leitsatz (amtlich)
1. Von der --als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen-- "Darlegung" der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache kann abgesehen werden, wenn die grundsätzliche Bedeutung offenkundig ist.
2. Die Frage, ob die Unterschiede beim Abzug von Kontokorrentzinsen je nach Art der Gewinnermittlung sachlich gerechtfertigt sind, hat rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3 S. 3; EStG § 4 Abs. 4; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Rechtsstreit geht um die Frage, in welchem Umfang Schuldzinsen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Betriebsausgaben abziehbar sind.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist freiberuflich als Arzt tätig. Für das Streitjahr 1983 ermittelte er seinen Gewinn durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und -ausgaben (§ 4 Abs.3 EStG). Während des Streitjahrs unterhielt er u.a. bei der Stadtsparkasse ein Girokonto, über das er nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) private Überweisungen in Höhe von 229 416 DM und betriebliche Überweisungen in Höhe von 195 795 DM abwickelte; der größte Teil der privaten Überweisungen (117 095 DM) entfiel auf Einkommensteuerzahlungen des Klägers. Die Höhe der für den Kontokorrentkredit zu zahlenden Schuldzinsen betrug im Streitjahr 15 010,66 DM. - Der Kläger hatte ferner bei der Stadtsparkasse ein Darlehen von 85 000 DM aufgenommen, für das er im Streitjahr 3 122,92 DM Schuldzinsen zahlen mußte.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1983 machte der Kläger die gesamten Schuldzinsen (15 010,66 DM + 3 122,92 DM) als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ließ dagegen nur einen Teil hiervon zum Abzug zu; in Höhe des als privat veranlaßt angesehenen Zinsanteils (53,95 v.H.) versagte er den Abzug.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, als Betriebsausgaben könnten nur die Aufwendungen abgezogen werden, die durch den Betrieb veranlaßt seien. Das treffe nur auf die durch die ärztliche Praxis des Kläger veranlaßten Schuldzinsen zu. Soweit dagegen mit dem kreditierten Geld private Aufwendungen bestritten worden seien, sei ein Abzug im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG nicht möglich. Ein vollständiger Abzug der Zinsen komme nur im Falle einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 EStG in Betracht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Juni 1983 IV R 185/81, BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723). Da sich der Kläger für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG entschieden habe, könne er seine Zinsaufwendungen nicht vollständig abziehen. - Die Revision ließ das FG nicht zu.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Es entspreche nicht dem Gleichheitssatz, daß der Zinsenabzug von der Art der Gewinnermittlung abhänge. Der Abzug der Schuldzinsen müsse vielmehr bei allen Gewinnermittlungsarten in gleicher Weise möglich sein.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da die Beschwerde --was das Vorliegen eines Zulassungsgrundes anbelangt (§ 115 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)-- nicht begründet worden sei.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig.
Wird die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten, weil "die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung" habe (§ 115 Abs.2 Nr.1 FGO), so muß der Beschwerdeführer innerhalb eines Monats nach Zustellung des FG-Urteils die grundsätzliche Bedeutung der Sache "darlegen" (§ 115 Abs.3 Satz 3 FGO).
"Darlegen" bedeutet mehr als allgemeine Hinweise oder Behauptungen; es erfordert substantielle und konkrete Angaben darüber, weshalb die zu der Rechtsfrage zu treffende (Revisions-)Entscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 115 FGO, Tz.88; BFH-Beschluß vom 27.Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625).
Von solchen Darlegungen kann allerdings dann abgesehen werden, wenn die grundsätzliche Bedeutung offenkundig ist. In einem solchen Fall würde das Verlangen, konkrete Angaben zur Grundsätzlichkeit der Sache zu machen, eine unnötige Förmelei bedeuten (vgl. BFH-Beschluß vom 17.Februar 1970 II B 48/69, BFHE 98, 372, BStBl II 1970, 332).
Hiernach reichen auch die Ausführungen des Klägers in seiner Beschwerdeschrift aus, um den Mindestanforderungen an die Beschwerdebegründung zu entsprechen. Der Kläger hat zwar die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht ausdrücklich dargetan. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die unterschiedliche Berücksichtigung von Kontokorrentzinsen je nach Gewinnermittlungsart mit dem Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--) in Einklang steht, wird jedoch bereits seit längerer Zeit in der Literatur erörtert (vgl. hierzu Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., § 4 Anm.43 c) und d), m.w.N.). Es ist offenkundig, daß diese Frage für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von erheblicher Bedeutung ist und deswegen eine höchstrichterliche Entscheidung für notwendig gehalten wird (vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O.).
Damit erweist sich die Beschwerde auch als begründet.
Der BFH hat mit Urteil in BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723 entschieden, daß ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs.3 EStG ermittelt, Zinsaufwendungen für einen Kontokorrentkredit nur insoweit als Betriebsausgaben abziehen kann, als der Kredit betrieblich veranlaßt war. Soweit die Zinsen dagegen mit privat veranlaßten Zahlungen bzw. der dadurch verursachten Kreditaufnahme zusammenhängen, können sie nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Hiernach ist der Abzug von Kontokorrentzinsen als Betriebsausgaben nur in wesentlich geringerem Umfang möglich als im Falle der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 5 Abs.1 EStG oder nach § 4 Abs.1 EStG. Denn im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 5 Abs.1 (§ 4 Abs.1) EStG sind nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23.Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725) die jeweiligen Kontokorrentsalden (also das jeweilige Guthaben oder die jeweilige Schuld) in vollem Umfang der betrieblichen Sphäre selbst dann zuzurechnen, wenn über dieses Konto auch private Zahlungen abgewickelt werden. Aufwendungen für Kontokorrentzinsen sind hiernach im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5 Abs.1 und § 4 Abs.1 EStG in der Regel Betriebsausgaben.
Die unterschiedliche Berücksichtigung von Zinsaufwendungen je nach Art der Gewinnermittlung wird in der Literatur als sachlich nicht gerechtfertigt betrachtet (vgl. u.a. Bordewin in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4 - 5, Rz.51 g; Groh, Finanz-Rundschau 1986, 393; Heidrich, Betriebs-Berater 1984, 314; Kempermann/Ditzen, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1985, 63; Paus, DStZ 1985, 60; Schmidt/Heinicke, a.a.O.). Die unterschiedliche Besteuerung widerspreche dem Grundsatz, daß die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.3 EStG zu demselben Totalergebnis führen soll wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs.1 (bzw. § 5 Abs.1) EStG (vgl. BFH-Urteil vom 16.Januar 1975 IV R 180/71, BFHE 115, 202, BStBl II 1975, 526).
Der Senat sieht hierin eine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Die Revision ist deshalb zuzulassen.
Fundstellen
Haufe-Index 62446 |
BStBl II 1988, 725 |
BFHE 153, 378 |
BFHE 1989, 378 |
BB 1988, 1593-1594 (LT1-2) |
DB 1988, 1731-1731 (S) |
DStR 1988, 546 (ST1-2) |
HFR 1988, 569 (LT) |