Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückstellungen für Verpflichtungen aus dem Kündigungsschutzgesetz
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob für Verpflichtungen aus dem Kündigungsschutzgesetz Rückstellungen gebildet werden können, ist nicht klärungsbedürftig.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249; KSchG § 9 ff.
Verfahrensgang
Gründe
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die streitigen Rückstellungen zwar als "Rückstellung Sozialplan" bezeichnet, es handelt sich nach ihrem Vorbringen jedoch nicht um Rückstellungen für Abfindungen aus Sozialplänen gemäß § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerfG), sondern um solche für Abfindungen nach §§ 9 ff. des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Während Abfindungen i. S. des § 112 BetrVerfG Entlassungen infolger einer -- hier nicht in Rede stehenden -- Betriebsänderung voraussetzen, werden Abfindungen nach §§ 9 ff. KSchG gezahlt, weil das Arbeitsgericht eine außerordentliche Kündigung für unbegründet oder eine ordentliche Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt hält (zur Unterscheidung im einzelnen Inhoffen/Müller-Dahl, Der Betrieb -- DB -- 1984, 1473, 1474). Im Schrifttum wird teilweise angenommen, daß Sozialplanverpflichtungen außerhalb des arbeitsvertraglichen Gegenleistungsverhältnisses stehen und daher ungeachtet der Vermutung, daß sich der Wert von Leistung und Gegenleistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeglichen gegenüberstehen, Gegenstand einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sein können (vgl. Lambrecht in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr. D 351; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 EStG Anm. 940 "Sozialplan"; Schmidt/Weber-Grellet, Ein kommensteuergesetz, § 5 Anm. 57 "Sozialplan"; für Einbeziehung in die Gleich wertigkeitsvermutung dagegen: Inhoffen/Müller-Dahl, DB 1984, 1526). Ob diese Auffassung zutrifft, kann im Streitfall nicht entschieden werden. Zu der Frage, inwieweit für Verpflichtungen aus dem KSchG Rückstellungen gebildet werden können, hat der Bundesfinanzhof (BFH) jedenfalls die Auffassung vertreten, daß die für schwebende Verträge geltenden Grundsätze anzuwenden sind (Urteile vom 7. September 1954 I 50/54 U, BFHE 59, 311, BStBl III 1954, 330, und vom 21. Oktober 1955 III 121/55 U, BFHE 61, 370, BStBl III 1955, 343). Demzufolge führt in derartigen Fällen die Gleichwertigkeitsvermutung regelmäßig dazu, daß eine Rückstellung nicht gerechtfertigt ist. Insbesondere kommt sie nicht bereits deshalb in Betracht, weil es in der Vergangenheit zu Abfindungszahlungen gekommen ist. Das Schrifttum ist dem gefolgt (vgl. z. B. Lambrecht in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 5 Rdnr. D 272; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 5 EStG Anm. 940 "Kündigungsschutz"; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Anm. 57 "Soziallasten").
Hat der BFH bereits über die für den Prozeß maßgebliche Rechtsfrage entschieden, so ist im Rahmen der Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache darzulegen, weshalb der Beschwerdeführer gleichwohl eine neue Entscheidung im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält (BFH-Urteil vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).
Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdebegründung nicht. Insbesondere sind die Urteile in BFHE 59, 311, BStBl III 1954, 330 und in BFHE 61, 370, BStBl III 1955, 343 nicht bereits deshalb zu überprüfen, weil Abfindungen i. S. des § 9 KSchG nach der von der Klägerin aufgeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) weder Arbeitsentgelt, noch Ersatz für entgangenes Arbeitsentgelt, noch vertraglichen oder deliktischen Schadensersatz, sondern einen Ausgleich für die durch den Arbeitsplatzverlust verursachte Beeinträchtigung des sozialen Besitzstandes darstellen (BAG-Urteile vom 20. Juni 1958 2 AZR 271/55, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts -- Arbeitsrechtliche Praxis -- AP -- Nr. 1 zu § 113 AVAVG -- a. F. --; vom 15. Dezember 1960 2 AZR 79/59, AP Nr. 21 zu § 3 KSchG; vom 22. April 1971 2 AZR 205/70, AP Nr. 24 zu § 7 KSchG; Hueck/von Hoyningen-Huene, Kündigungsschutzgesetz, § 10 Rdnr. 21 m. w. N.). Der BFH hat in seinem zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ergangenen Urteil vom 7. Juni 1988 VIII R 296/82 (BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886) ausgeführt, daß Sozialleistungen auch dann in die Gleichwertigkeitsvermutung einzubeziehen sind, wenn sie die synallagmatische Verknüpfung der beiderseitigen Leistungsverpflichtungen des Arbeitsvertrages (§ 323 des Bürgerlichen Gesetzbuches) durchbrechen. Wesentlich ist nur, daß die jeweilige Verpflichtung Teil der Aufwendungen ist, die der Arbeitgeber tätigt, um die Arbeitsleistung zu erhalten. Das ist auch bei Abfindungen nach dem KSchG der Fall.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 65450 |
BFH/NV 1995, 970 |
BB 1995, 2573 |