Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur isolierten Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (NV)
1. Nach Erledigung der Hauptsache ergibt sich die Kostenfolge aus Absatz 1 und nicht aus Absatz 2 Satz 1 des § 138 FGO, wenn die Finanzbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt nur deswegen geändert hat, weil er infolge zwischenzeitlich eingetretener Änderungen des Sachverhalts sachlich nicht mehr gerechtfertigt ist.
2. Kann ohne eingehende Prüfung der Rechtslage nicht entschieden werden, welcher der beiden jedenfalls vertretbar erscheinenden Auffassungen zur Auslegung der maßgebenden Vorschrift zu folgen ist, so ist eine Kostenteilung grundsätzlich gerechtfertigt.
Normenkette
FGO § 138
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) studierte seit 1980 an der X-Universität. Lt. Diplomurkunde der Universität legte sie die Diplomprüfung am 6. September 1985 mit Erfolg ab. Das Diplomzeugnis enthält die Feststellung: ,,Tag der letzten Prüfungsleistung: 6. 9. 1985." Seit dem 1. September 1985 ist die Klägerin als Steuerberatungsassistentin bei einem Steuerberater beschäftigt. Im November 1986 beantragte sie beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzminister des Landes . . . - Finanzminister -) eine verbindliche Auskunft über die Erfüllung einzelner Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung nach § 7 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB). Mit Auskunft vom 28. November 1986 stellte der Zulassungsausschuß I für Steuerberater beim Finanzminister fest, die Klägerin werde die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) erst mit Ablauf des 6. September 1988 erfüllen, da sie nach dem Inhalt der Urkunde ihr Studium erst am 10. September 1985 abgeschlossen habe.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin eine Entscheidung dahin, daß sie die Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung bereits vor Beginn der Steuerberaterprüfung 1988 am 5. September 1988 erfülle. Die Klage hatte Erfolg.
Seine durch das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision begründete der Finanzminister im wesentlichen wie folgt: Nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG hätte das FG auf das Bestehen der abschließenden Prüfung abstellen müssen. Das Erbringen der letzten Prüfungsleistung könne nicht maßgeblich sein.
Mit Schreiben vom . . . erklärte der Finanzminister, daß der bei ihm gebildete Zulassungsausschuß aufgrund der neu datierten Diplomurkunde nebst Zeugnis seine Entscheidung vom 28. November 1986 widerrufen und nunmehr verbindlich festgestellt habe, daß die Klägerin die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG mit Ablauf des 31. August 1988 erfüllen werde. Der Rechtsstreit werde daher in der Hauptsache für erledigt erklärt. Auch die Klägerin hat eine gleiche Erledigungserklärung abgegeben. Beide Beteiligten beantragen, die Kosten des Rechtsstreits jeweils dem anderen Beteiligten aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Da der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Obwohl sich der Rechtsstreit dadurch erledigt hat, daß dem Antrag der Klägerin durch eine Änderung der angefochtenen verbindlichen Auskunft stattgegeben wurde, ergibt sich die Kostenfolge nicht aus § 138 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Denn es ist Absatz 1 und nicht Absatz 2 Satz 1 des § 138 FGO anzuwenden, wenn die Finanzbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt nur deshalb geändert hat, weil er infolge zwischenzeitlich eingetretener Änderungen des Sachverhalts sachlich nicht mehr gerechtfertigt ist (vgl. auch die Rechtsprechungsübersicht dazu bei Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 138 FGO Anm. 61).
Der Senat hat nach § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden und dabei den bisherigen Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Es entspricht in der Regel billigem Ermessen, die Kosten dem Beteiligten aufzuerlegen, der ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre. Ist der Ausgang des Rechtsstreits allerdings völlig ungewiß, so rechtfertigt sich grundsätzlich eine Kostenteilung; das gilt auch für den Fall, daß eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären gewesen wäre (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 138 Anm. 28, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). So ist es im vorliegenden Fall. Ohne eingehende Prüfung der Rechtslage - die die Regelung des § 138 Abs. 1 FGO aus Vereinfachungsgründen gerade vermeiden möchte (vgl. Gräber / Ruban, a. a. O., Anm. 26) - kann nicht entschieden werden, welcher der beiden bei summarischer Prüfung jedenfalls vertretbar erscheinenden Auffassungen zur Auslegung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG zu folgen ist. Der Senat hält es daher für billig, die Kosten des gesamten Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 415821 |
BFH/NV 1990, 122 |