Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensabtrennung; Begründetheit einer auf grundsätzliche Bedeutung gestützten NZB
Leitsatz (NV)
1. Zur Trennung in einem Verfahren, betr. Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision.
2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat die Frage, ob die Änderung eines Bescheides gemäß § 174 Abs. 3 AO 1977 zulässig ist, wenn der zu ändernde Bescheid nach dem 31. Dezember 1976 erlassen worden ist und Verjährung auf Grund der AO nach dem 31. Dezember 1976 in Betracht kommt.
Normenkette
AO § 148 S. 1; AO 1977 § 169 ff., § 174 Abs. 3; EGAO 1977 Art. 97 § 9 Sätze 1-2, § 10 Abs. 1 Sätze 1-2; FGO §§ 73, 115 Abs. 2 Nr. 1, § 132
Verfahrensgang
Gründe
1. Die Trennung des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 132 i. V. m. § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO. Sie war möglich, weil die Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil gerichtet ist, in dem über mehrere in der Form der objektiven Klagehäufung angefochtene Bescheide entschieden worden war (vgl. Beschluß des BFH vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605). Im Hinblick auf den unterschiedlichen Verfahrensausgang mit unterschiedlicher Kostenfolge ist die Trennung auch zweckmäßig.
2. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klin.) grundsätzliche Bedeutung der Frage zumißt, ob eine Änderung nach § 174 Abs. 3 AO 1977 noch möglich ist, wenn für die betreffenden Steuerbeträge bereits die Verjährung nach der Reichsabgabenordnung (AO) eingetreten ist, ist die Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Streitjahre (1971 bis 1973) begründet; insbesondere liegen insoweit Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit vor.
Wie der BFH in seinem Urteil vom 30. September 1980 VIII R 58/80 (BFHE 132, 1, BStBl II 1981, 245) entschieden hat, sind gemäß Art. 97 § 9 Sätze 1 und 2 EGAO 1977 die Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten erstmals auf die nach dem 31. Dezember 1976 stattfindenden Aufhebungen und Änderungen anzuwenden. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO 1977) ist dagegen auf den Entstehungszeitpunkt des betreffenden Steueranspruchs abgestellt. Nach Art. 97 § 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EGAO 1977 gelten die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung erstmals für die Festsetzung sowie die Aufhebung und Änderung der Festsetzung von Steuern, die nach dem 31. Dezember 1976 entstanden sind, während für die vor dem 1. Januar 1977 entstandenen Steueransprüche die Vorschriften der AO über die Verjährung weitergelten. Durch das erwähnte Urteil in BFHE 132, 1, BStBl II 1981, 245 ist ferner geklärt, daß die Änderung eines vor dem 1. Januar 1977 erlassenen Steuerbescheides gemäß § 174 Abs. 3 AO 1977 nicht zulässig ist, wenn der Steueranspruch, der mit dem Änderungsbescheid geltend gemacht werden soll, nach den Vorschriften der AO verjährt war. Nicht geklärt dagegen ist durch die zitierte Entscheidung, ob eine Änderung auch dann nicht vorgenommen werden darf, wenn der zu ändernde Bescheid nicht vor dem 1. Januar 1977, sondern - wie hier - nach dem 31. Dezember 1976 erlassen worden ist und wenn überdies Verjährung nach der AO nicht schon vor dem 1. Januar 1977 eingetreten ist, sondern - möglicherweise - nach dem 31. Dezember 1976 eingetreten sein könnte.
Hinsichtlich der Umsatzsteuer der Jahre 1971 bis 1973 läßt sich nicht ausschließen, daß die Frage eines Erlöschens von Steueransprüchen infolge des Eintritts der Verjährung (§ 148 AO) eine Rolle spielen wird. Insoweit sind die Daten der Einreichung der Umsatzsteuererklärungen durch die Klin. den dem Senat vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Aus den ursprünglichen Bescheiden ergibt sich jedoch, daß die Klin. die Umsatzsteuererklärungen 1971, 1972 und 1973 spätestens 1973 bzw. 1974 bzw. 1975 eingereicht haben muß, so daß der Lauf der Verjährungsfristen spätestens mit dem Beginn der Jahre 1974 bzw. 1975 bzw. 1976 begonnen hat. Sofern keine Ablaufhemmungen (vgl. § 146 a AO) und Unterbrechungen (vgl. § 147 AO) eingetreten sind - hierzu kann der Senat den Akten nichts entnehmen -, waren die Umsatzsteueransprüche für die Jahre 1971 bis 1973 bereits verjährt, als 1981 die angefochtenen Bescheide ergingen. Angesichts der Auseinandersetzung der Klin. mit der Problematik der erörterten Rechtsfrage ist das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu verneinen, auch wenn die Klin. ihre ausdrücklichen diesbezüglichen Darlegungen auf den Hinweis beschränkt hat, daß bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliege. Selbstverständlichkeiten brauchen nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Februar 1970 II B 48/69, BFHE 98, 372, BStBl II 1970, 332; siehe auch Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision, Rdn. 155).
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen