Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Klageschrift; Angabe eines falschen FA als Beklagter
Leitsatz (NV)
Eine Klageschrift, in der ein Prozeßbevollmächtigter versehentlich ein falsches FA als Beklagten benannt hat, ist einer berichtigenden Auslegung durch das FG nicht zugänglich, wenn das FA ausdrücklich und unmißverständlich bezeichnet ist.
Für eine Aufforderung des FG, die Klage zu ergänzen, ist in diesem Fall kein Raum.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Tatbestand
I. Am 16. März 1988 ging beim Finanzgericht (FG) ein Schriftsatz des ehemaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) vom selben Tage ein, mit dem er namens und im Auftrag des Klägers Klage "gegen das Finanzamt X" wegen Umsatzsteuer 1981 bis 1985 erhob.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) teilte dem FG am 30. März 1988 mit, es habe die Klage zuständigkeitshalber an das FA Y weitergeleitet, das die Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1988 erlassen habe. Beklagter sei das FA Y.
Das FG wies die Klage durch Zwischenurteil als unzulässig ab, weil sie gegen den falschen Beklagten erhoben worden sei. Die Mitteilung des FA, daß das FA Y der ―unstreitig― richtige Beklagte sei, könne nicht mehr berücksichtigt werden, weil diese Mitteilung erst am 30. März 1988 und damit nach Ablauf der Klagefrist (21. März 1988) bei Gericht eingegangen sei.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Vorentscheidung weicht entgegen der Ansicht des Klägers nicht von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 1989 III R 132/85 (BFHE 157, 296, BStBl II 1989, 846) und vom 11. Dezember 1992 VI R 162/88 (BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306) ab. Den BFH-Urteilen liegen andere Sachverhalte zugrunde als der Vorentscheidung. Das erstgenannte Urteil betrifft die Frage der Auslegung der Klageschrift, wenn der Kläger nicht genau bezeichnet ist. Das zuletzt genannte Urteil behandelt einen Fall, in dem in der Klageschrift der Beklagte (überhaupt) nicht benannt worden ist. Im vorliegenden Streitfall hingegen ist in der Klageschrift ein ―wenn auch unzutreffendes― FA als Beklagter aufgeführt.
2. Die von dem Kläger in diesem Zusammenhang gesehene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) ist nicht gegeben.
Der Kläger hält die Fragen für rechtsgrundsätzlich bedeutsam,
-"ob eine finanzgerichtliche Klageschrift auch dann der berichtigenden Auslegung unter Berücksichtigung der dem beklagten Finanzamt erkennbaren Umstände zugänglich ist, wenn bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Klageschrift gemäß § 65 Abs. 1 FGO der Beklagte lediglich falsch bezeichnet worden ist" und
-"ob das Gericht nicht auch im Falle der schlichten Falschbezeichnungen des Beklagten gehalten ist, den Beklagten zur Korrektur der Klageschrift gemäß § 65 Abs. 2 FGO aufzufordern".
Beide Fragen sind indes ―wie der Kläger selbst einräumt― bereits entschieden. Nach dem BFH-Urteil vom 26. Februar 1980 VII R 60/78 (BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331) ist eine Klageschrift, in der ein Beklagter ―wie im Streitfall― ausdrücklich und unmißverständlich benannt worden ist, einer berichtigenden Auslegung nicht zugänglich. Nach dem BFH-Beschluß vom 30. Januar 1997 I B 69/96 (BFH/NV 1997, 588) greift § 65 Abs. 2 FGO bei fehlerhafter Bezeichnung des Beklagten nicht ein.
3. Soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen Abweichungen der Vorentscheidung von dem Urteil des BFH vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92 (BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603) beantragt, hat er nicht abstrakte Rechtssätze aus diesem Urteil des BFH und abstrakte entscheidungserhebliche Rechtssätze aus dem FG-Urteil so genau bezeichnet, daß eine Abweichung erkennbar wird (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, und vom 12. März 1996 VIII B 134/95, BFH/NV 1996, 691). Der Vorentscheidung kann nicht entnommen werden, ob sie tatsächlich auf dem nach Ansicht des Klägers vom FG "inzident" aufgestellten Rechtssatz (Anwendbarkeit des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung ―AO 1977― bei mißglückter förmlicher Zustellung) oder auf anderen Überlegungen beruht.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 170933 |
BFH/NV 1999, 1226 |