Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verschuldens des Unterbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
1. Für die Anwendung des § 56 Abs. 1 FGO hat ein Kläger nach § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO auch für das Verschulden eines Unterbevollmächtigten seines Prozeßbevollmächtigten einzustehen.
2. Ein Rechtsanwalt handelt nicht unverschuldet, wenn er annimmt, daß die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde verlängert werden könne, und es deshalb unterläßt, für die rechtzeitige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu sorgen.
Normenkette
FGO §§ 56, 115 Abs. 3, § 155; ZPO § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) fällte am 22. Oktober 1987 ein Urteil, durch das der Klage nur zum Teil stattgegeben wurde. Das Urteil ist dem Kläger am 16. November 1987 zugestellt worden. Am 14. Dezember 1987 ist beim FG ein Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten (eines Rechtsanwalts) eingegangen, ausweislich dessen dieser namens des Klägers Revision einlegte und um eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bat.
Nach einem Hinweis der Geschäftsstelle des FG, daß als Rechtsmittel nur die Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht komme, ist am 16. Dezember 1987 ein Telegramm beim FG eingegangen, durch das ohne Begründung eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und für die Begründung der Beschwerde um Fristverlängerung gebeten wurde. Das Telegramm endet mit der Angabe ,,Rechtsanwältin", ohne deren Namen zu nennen. Begründet worden ist die Nichtzulassungsbeschwerde erst mit Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten vom 22. Januar 1988.
Mit Schriftsatz vom 2. Februar 1988 hat der Prozeßbevollmächtigte wegen Versäumung der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat geltend gemacht:
Er habe vor seinem Jahresurlaub eine Revision und einen Antrag auf Fristverlängerung für die Revisionsbegründung sowie eine Nichtzulassungsbeschwerde mit Begründung vorbereitet. Hilfsweise habe er die Rechtsanwältin Z zu seiner Vertretung bestellt. Er habe sie ausdrücklich auf den Fristablauf aufmerksam gemacht und sie darum gebeten, nach Rücksprache mit dem Kläger hinsichtlich der Streitwerthöhe das entsprechende Rechtsmittel einzulegen. Versehentlich sei dann zunächst Revision eingelegt worden. Als das FG angerufen habe, um darauf hinzuweisen, daß nur eine Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht komme, sei dies von der Rechtsanwältin Z veranlaßt worden. Leider habe diese die vorbereitete Begründung nicht mitübermittelt. Für dieses Verschulden der bei ihm als Hilfsarbeiterin angestellten Rechtsanwältin habe der Kläger nicht einzustehen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Aus dem Telegramm läßt sich nicht entnehmen, wer die Beschwerde eingelegt hat. Die Bezeichnung ,,Rechtsanwältin" ist dafür nicht ausreichend. Darüber hinaus enthält die Beschwerde auch nicht die nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Begründung.
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert unabhängig davon, ob wegen der unzureichenden Bezeichnung der Absenderin des Telegramms überhaupt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist, jedenfalls daran, daß das Fehlen der Beschwerdebegründung nicht unverschuldet ist.
Die Rechtsanwältin Z mußte wissen, daß für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eine Fristverlängerung nicht möglich ist. Dies konnte sie sowohl aus der Rechtsmittelbelehrung, die das FG seinem Urteil beifügte, als auch aus § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entnehmen. Für dieses Verschulden der Rechtsanwältin Z hat der Kläger einzustehen. Dies ergibt sich aus § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Daß die Rechtsanwältin Z nach den Angaben des Prozeßbevollmächtigten bei ihm unselbständige Hilfsarbeiterin war, ändert hieran nichts. Denn er hat sie nach seinen eigenen Angaben mit seiner Urlaubsvertretung beauftragt. Auch ein Unterbevollmächtigter ist Bevollmächtigter i. S. des § 85 Abs. 2 ZPO (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1983 II ZB 6/83, Versicherungsrecht 1984, 239).
Daß die Rechtsanwältin Z Unterbevollmächtigte war, ergibt sich im übrigen auch daraus, daß sie vom Prozeßbevollmächtigten nach seinem Vortrag beauftragt war, je nach dem Ergebnis ihrer Erkundigung die Revisionsschrift oder die Nichtzulassungsbeschwerde abzusenden. Damit hatte er ihr eine eigene Entscheidungsbefugnis darüber übertragen, welches Rechtsmittel eingelegt werden sollte.
Inwieweit auch den Prozeßbevollmächtigten selbst ein Verschulden trifft, braucht der Senat nicht zu erörtern. Die Annahme eines solchen Verschuldens liegt allerdings nahe. Dies ergibt sich bereits aus den eigenen Einlassungen des Prozeßbevollmächtigten.
Fundstellen
Haufe-Index 415776 |
BFH/NV 1989, 311 |