Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine hinreichende Bezeichnung des Klagebegehrens durch bloße Nennung des angefochtenen Verwaltungsaktes
Leitsatz (NV)
Bei einer Anfechtungsklage gegen einen Schätzungsbescheid genügt die Benennung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht zur Bezeichnung des Klagebegehrens. Vielmehr muss der Kläger substantiiert darlegen, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hatte die Besteuerungsgrundlagen des Klägers, Beschwerdeführers und Antragstellers (Antragsteller) für
die Streitjahre 1993 und 1994 wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen geschätzt. Die dagegen erhobenen Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 1998 als unbegründet zurück.
Hiergegen legte der Antragsteller mit einem an das FA gerichteten Schreiben vom 3. August 1998 "Widerspruch" ein, mit der Begründung, aufgrund der Beschlagnahme seiner Geschäftsunterlagen sei er nicht in der Lage, eine Bilanz zu erstellen.
Mit einem am 25. September 1998 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Brief übermittelte der Antragsteller eine Kopie des o.g. Schreibens an das FA und kündigte an, er werde Klage erheben. Mit Schreiben vom 18. November 1998 teilte der Antragsteller dem FG mit, er sei nicht in der Lage, die Bilanzen für 1993 und 1994 zu erstellen. Deshalb bitte er, von der Durchführung einer Klage und eines Gerichtstermins abzusehen. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1998 teilte der Antragsteller dem FG schließlich mit, dass er seine vorangegangenen Schreiben als Erhebung einer Klage behandelt wissen möchte.
Aufforderungen des Gerichts zur Vorlage einer Klagebegründung blieben erfolglos. Mit Schreiben vom 30. August 1999 teilte der Antragsteller mit, er könne keine Klagebegründung erstellen, da die Akten seiner … nach deren Schließung nicht mehr vorhanden oder auffindbar seien.
Mit Verfügung vom 22. September 1999, die dem Antragsteller am 28. September 1999 zugestellt wurde, forderte der Berichterstatter des FG den Antragsteller gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, innerhalb eines Monats den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Dabei wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Klage bei schuldhafter Versäumung dieser Frist als unzulässig abgewiesen werde. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 erklärte der Antragsteller, er sei infolge Beschlagnahme aller Akten nicht in der Lage, Einkommensteuererklärungen für 1993 und 1994 zu erstellen.
Mit Urteil vom 9. März 2000, das dem Antragsteller am 23. März 2000 zugestellt wurde, wies das FG die Klage als unzulässig ab.
Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 20. April 2000, das beim FG am 26. April 2000 einging, persönlich Beschwerde ein und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Dem Antrag fügte er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlichem Vordruck bei. Außerdem kündigte er an, eine Beschwerdeschrift werde von einem Rechtsanwalt erstellt, wenn seinem Antrag auf PKH stattgegeben werde.
Der Vorsitzende des erkennenden Senats wies den Antragsteller mit Schreiben vom 24. Mai 2000, zugestellt am 26. Mai 2000, darauf hin, dass dessen (Beschwerde-)Schreiben vom 20. April 2000 erst am 26. April 2000, also um einen Tag verspätet, beim FG eingegangen sei. Daraufhin bat der Antragsteller mit Schreiben vom 7. Juni 2000 um Überprüfung des Postdatumsstempels, da es für ihn nicht nachvollziehbar sei, weshalb ein Brief innerhalb Kölns erst nach 6 Tagen zugestellt werde.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―).
Auch wenn der verspätete Eingang des (Beschwerde-)Schreibens vom 20. April 2000 nicht auf einem Verschulden des Antragstellers beruhen sollte, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung jedenfalls deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Antragsteller keinen Grund für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO dargelegt hat und ein solcher ernsthaft auch nicht in Betracht kommt.
1. Eine Revision ist nach § 115 Abs. 2 FGO nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Im Streitfall kommt keiner dieser Zulassungsgründe in Betracht.
Das FG ließ dahingestellt, ob die Klage rechtzeitig erhoben wurde. Es hat die Klage "jedenfalls" aus dem Grund als unzulässig abgewiesen, weil der Antragsteller den Gegenstand des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) innerhalb der ihm nach § 65 Abs. 2 FGO gestellten Ausschlussfrist nicht hinreichend bezeichnet habe. Dies lässt keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, woran man noch am ehesten als Zulassungsgrund denken könnte, erkennen.
Der Antragsteller, der seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht nachgekommen ist, wendet sich allein mit dem Argument, er verfüge nicht mehr über Geschäftsunterlagen der Streitjahre, gegen die Schätzungsbescheide des FA. Hierdurch wurde der Gegenstand des Klagebegehrens nicht hinreichend bezeichnet. Bei einer Anfechtungsklage genügt die Benennung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht zur Bezeichnung des Klagebegehrens. Vielmehr muss der Kläger substantiiert darlegen, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze (ständige BFH-Rechtsprechung seit dem Beschluss des Großen Senats vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99; vgl. z.B. Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483).
2. Ungeachtet dessen hat der Antragsteller nicht, wie in § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO verlangt, das hier maßgebende Streitverhältnis dargestellt. Hierfür hätte er zumindest in laienhafter Weise selbst einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dartun müssen (s. insoweit aus jüngerer Zeit den BFH-Beschluss vom 15. April 1999 X S 1/99, BFH/NV 1999, 1355).
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen