Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertungsrechtlicher Wohnungsbegriff
Leitsatz (NV)
1. Um bewertungsrechtlich zwei selbständige Wohnungen annehmen zu können, müssen gemeinsame Verkehrsflächen nach ihrer Lage und baulichen Funktion von beiden Wohnbereichen vollständig getrennt sein.
2. Die Besetzung der Richterbank richtet sich bei einer Vertagung der Verhandlung ‐ anders als bei einer Unterbrechung ‐ im neuen Termin nach den für diesen geltenden Regeln.
Normenkette
BewG § 75 Abs. 5-6; FGO § 103
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.10.2003; Aktenzeichen 6 K 2449/99) |
Tatbestand
I. Im Klageverfahren war zwischen den Beteiligten streitig, ob ein bebautes Grundstück als Ein- oder Zweifamilienhaus zu bewerten ist.
Ende 1982 erwarben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zu je 1/2 ein Grundstück mit einem im Jahr 1979 errichteten Reihenhaus, das der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ursprünglich als Einfamilienhaus bewertet hatte.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) gelangt man durch die Hauseingangstür in einen Flur, von dem aus eine Tür unmittelbar in das Badezimmer des Erdgeschosses und eine andere Tür in eine kleine Diele führt, von der aus ein kombinierter Wohn- und Schlafraum, eine Küche und ein Abstellraum zu erreichen sind. Ebenfalls von dem genannten Flur aus leitet eine Treppe ins Obergeschoss des Gebäudes und mündet dort ohne weitere Trennung in einen anderen Flur, von dem aus Türen in ein Badezimmer, eine Küche, einen Wohnraum und einen Abstellraum führen.
Die Kläger beantragten, auf den 1. Januar 1984 eine Artfortschreibung zum Zweifamilienhaus vorzunehmen. Dazu behaupteten sie, die Räume im Erdgeschoss an eine Frau B --nach Angaben der Kläger ab Oktober 1985 Schwägerin des Klägers-- vermietet zu haben. Hauptwohnsitz und Arbeitsstelle von Frau B befanden sich mehr als 250 km entfernt in einem anderen Bundesland. Obwohl eine am 30. August 1984 durchgeführte Ortsbesichtigung auf Seiten des FA erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Durchführung des Mietverhältnisses hervorgerufen hatte (so fehlte es in den angeblich vermieteten Räumen an einer Schlafgelegenheit sowie an einem Platz zum Einnehmen von Mahlzeiten), nahm das FA am 6. November 1986 die beantragte Artfortschreibung auf den 1. Januar 1984 vor, nachdem die Kläger einen Mietvertrag mit Frau B eingereicht hatten und diese selbst dem FA das Bestehen eines Mietverhältnisses und eine gelegentliche tatsächliche Nutzung der Räume "an einigen Wochenenden" schriftlich bestätigt hatte.
Im Vorfeld des Erlasses dieses Bescheides hatten die Kläger die Rücknahme diverser Einsprüche gegen andere Bescheide davon abhängig gemacht, dass das Grundstück "ab dem 1. Januar 1984" als Zweifamilienhaus bewertet werde. Das FA hatte dem mehrmals widersprochen und erklärt, dass das Gebäude nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien kein Zweifamilienhaus darstelle und im Rahmen einer Übergangsregelung nur dann als solches bewertet werden könne, wenn die tatsächliche Fremdvermietung eines Teils des Gebäudes auch in den Folgejahren nachgewiesen werde.
Ende 1984 wurde das Mietverhältnis mit Frau B beendet. In ihren Einkommensteuererklärungen für die Folgejahre gaben die Kläger an, dass die Räume im Erdgeschoss von 1985 bis 1989 an die Mutter des Klägers (M) und von 1990 bis 1994 --in dieser Zeit unter mehrmaligem Austausch mit Räumen im Obergeschoss-- an die im Jahr 1971 geborene Tochter der Kläger (T) vermietet gewesen seien. Nach den Feststellungen des FG hatten sowohl M als auch T zur Zeit der angeblichen Mietverhältnisse ihre Hauptwohnsitze in anderen Bundesländern; T befand sich in Berufsausbildung und wurde von den Klägern finanziell unterstützt.
Nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung bei den Klägern --die zunächst zur Überprüfung der Einkünfte aus Kapitalvermögen angeordnet worden war-- ging das FA davon aus, dass die Kläger mindestens seit Ende 1984 Mietverhältnisse vorgetäuscht hätten und das Grundstück als Einfamilienhaus zu bewerten sei. Es nahm mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Dezember 1997 eine Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1985 mit steuerlicher Wirkung ab dem 1. Januar 1993 vor.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG kam zu der Auffassung, das Gebäude habe zum 1. Januar 1985 nur eine einzige Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne enthalten, weil die im Erd- bzw. Obergeschoss gelegenen Räume baulich nicht eindeutig voneinander getrennt gewesen seien und keine eigenen Zugänge aufgewiesen hätten. So stelle der im Erdgeschoss gelegene Flur den einzigen Zugang zu den im Obergeschoss gelegenen Räumen dar, sei aber gleichzeitig auch für die Räume im Erdgeschoss unverzichtbar, da er das dortige Badezimmer mit der Küche und dem Wohn-/Schlafraum verbinde. Die Voraussetzungen für die aus Billigkeitsgründen vom FA zum vorangehenden Bewertungsstichtag 1. Januar 1984 vorgenommene Bewertung als Zweifamilienhaus seien ab dem 1. Januar 1985 nicht mehr erfüllt gewesen, weil in den Räumen des Erdgeschosses nach der Beendigung des Mietverhältnisses mit Frau B kein selbständiger Haushalt mehr geführt worden sei. Die behaupteten Mietverhältnisse mit M und T seien nicht anzuerkennen. Für die von den Klägern behauptete tatsächliche Verständigung über eine dauerhafte Bewertung als Zweifamilienhaus hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben.
Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen Verfahrensmängeln.
Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Kläger haben die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) entsprechenden Weise dargelegt.
1. Die Ausführungen der Kläger zu den von ihnen herausgestellten Rechtsfragen genügen nicht den Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Die Kläger sind zunächst der Auffassung, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, wie der für die Annahme einer Wohnung im Sinne des Bewertungsrechts erforderliche separate Zugang beschaffen sein müsse, insbesondere, ob bereits ein gemeinsamer Flur und die Erreichbarkeit des Badezimmers nur über einen solchen Flur einer Abgeschlossenheit entgegenstehe.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (zusammenfassend zu dem seit 2001 geltenden Zulassungsrecht BFH-Beschlüsse vom 10. April 2003 X B 109/02, BFH/NV 2003, 1082, unter 1. a, und vom 10. September 2003 X B 132/02, BFH/NV 2004, 495, unter 1.). Daran fehlt es, wenn die Rechtsfrage bereits durch den BFH geklärt ist.
So liegt es im Streitfall. Der BFH hat --für einen hinsichtlich der Gestaltung des Zugangs vergleichbaren Fall-- entschieden, dass gemeinsame Verkehrsflächen nach ihrer Lage und baulichen Funktion von beiden Wohnbereichen vollständig getrennt sein müssen, um zwei selbständige Wohnungen annehmen zu können (BFH-Urteil vom 26. März 1985 III R 124/84, BFHE 144, 72, BStBl II 1985, 496). Daran fehlt es, wenn die gemeinsame Verkehrsfläche --wie hier der Flur im Erdgeschoss-- zusätzlich eine räumliche Verbindung zwischen zwei Räumen eines Wohnbereichs herstellt (vgl. zur Frage des separaten Zugangs auch Senatsurteil vom 20. September 2000 II R 7/99, BFH/NV 2001, 428).
Dem Beschwerdevorbringen fehlt es sowohl an der erforderlichen Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung als auch an der Darlegung von Gesichtspunkten, die diese Grundsätze in Frage stellen könnten.
b) Von grundsätzlicher Bedeutung ist nach Auffassung der Kläger auch die Rechtsfrage, ob die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde, das Bauvorhaben als Zweifamilienhaus zu genehmigen, für die Finanzbehörden bindend sei. Dafür spreche, dass es im Baurecht die Grundstücksart "Zweifamilienhaus" nicht gebe, die Baugenehmigung aber nur erteilt werden dürfe, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen.
Auch insoweit fehlt es an der schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Dazu wäre hier ein konkretes und substantiiertes Eingehen darauf erforderlich gewesen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. April 2002 III B 164/01, BFH/NV 2002, 1028, und vom 19. März 2003 X B 121/01, BFH/NV 2003, 934). Dies gilt umso mehr, als es an einer gesetzlichen Regelung, die die Baugenehmigung in den Rang eines Grundlagenbescheides für die Artfeststellung im Rahmen der Einheitsbewertung erheben könnte, fehlt, und allgemein anerkannt ist, dass gleichlautende Begriffe in verschiedenen Gesetzen je nach deren Zwecksetzung unterschiedlich ausgelegt werden können (vgl. Kruse/Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Tz. 264, und die zahlreichen dort angegebenen Nachweise).
Im Übrigen weisen die Kläger selbst darauf hin --wobei hier dahinstehen kann, ob ihre Auffassung zutreffend ist--, dass das Baurecht den Begriff des Zweifamilienhauses gar nicht kenne. Dass eine Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, besagt im vorliegenden Zusammenhang nichts, da die Kläger nicht darzulegen vermochten, inwieweit die steuerlichen Vorschriften über die Einheitsbewertung der Erteilung einer Baugenehmigung entgegenstehen können.
c) Hinsichtlich der weiteren von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Rechtsfrage, ob der Steuerpflichtige von der Steuerfahndung verlangen könne, wichtige Unterlagen eindeutig zu kennzeichnen und gegen Quittung zurückzugeben, fehlt es schon an der Darlegung, inwieweit diese Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein könnte (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Beschluss vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729). Denn die umfangreichen Ausführungen hierzu beziehen sich im Wesentlichen auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die aber für die im vorliegenden Verfahren allein streitige Artfortschreibung ohne Belang sind. Auch die Behauptung der Kläger, die Steuerfahndung habe ihnen einen angeblich gefälschten Mietvertrag mit M nicht zurückgegeben, wäre für ein Revisionsverfahren nicht von Bedeutung, weil das FG die Nichtanerkennung des Mietverhältnisses mit M allein auf die fehlende tatsächliche Durchführung dieses Vertrages gestützt hat; die Frage einer Fälschung des Mietvertragsdokuments ist im Urteil der Vorinstanz hingegen nicht angesprochen worden.
d) Aus demselben Grund ist auch die weitere von den Klägern als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage, ob ein Steuerpflichtiger davon ausgehen könne, dass das FA seiner Prüfungspflicht nachgekommen sei, wenn es dazu aufgefordert habe, alle für einen Veranlagungszeitraum relevanten Belege vollständig vorzulegen, und der Steuerpflichtige dem nachgekommen sei, in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Denn das FG hat bei seiner Entscheidung über die Nichtanerkennung der Mietverhältnisse nicht auf die eingereichten Belege, sondern auf die fehlende tatsächliche Durchführung abgestellt.
2. Die Kläger haben auch nicht dargelegt, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordere (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Insoweit fehlt es in der Beschwerdebegründung an der Gegenüberstellung voneinander abweichender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil und der angeführten Divergenzentscheidung (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Beschlüsse vom 7. August 2002 VII B 214/01, BFH/NV 2002, 1606, und vom 24. März 2003 II B 41/02, BFH/NV 2003, 1067). Die Kläger machen insoweit lediglich geltend, das FG habe das BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) "unzutreffend angewandt", was für die Darlegung einer Divergenz indes nicht ausreicht.
3. Auch die von den Klägern angeführten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht schlüssig dargelegt.
a) Insoweit behaupten die Kläger zunächst, das FG habe es abgelehnt, die Frage des Klägers an den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen W, ob der Kläger die Mietverhältnisse zum 1. August 1986 "seinerzeit" nachgewiesen habe, in das Protokoll aufzunehmen und auch nicht auf einer Antwort des Zeugen bestanden.
Soweit die Kläger damit die Nichtaufnahme der Frage in das Protokoll rügen wollen, hätten sie die Protokollierung bereits vor dem FG beantragen müssen (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Die --sehr ausführlich gehaltene-- Sitzungsniederschrift enthält indes weder einen solchen Antrag noch einen nach § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 3 ZPO protokollierungspflichtigen Ablehnungsbeschluss.
Soweit die Kläger einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht durch Nichterhebung angebotener Beweise rügen wollen, ist darauf hinzuweisen, dass im Vernehmungsprotokoll (Bl. 4) eine Aussage des Zeugen W enthalten ist, wonach im Rahmen der Auseinandersetzungen wegen der Artfortschreibung auf den 1. Januar 1984 über "Vermietungen 1985 folgende" nicht konkret gesprochen worden sei. Damit ist die Frage des Klägers durch den Zeugen W bereits beantwortet worden.
b) Die weitere Rüge, der Steuerfahndungsbeamte V habe zunächst als Vertreter des FA an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und sei sodann als Zeuge vernommen worden, geht im vorliegenden Verfahren ins Leere, weil die Aussagen des Zeugen V ausschließlich das --mit dem vorliegenden Verfahren vom FG zur gemeinsamen Verhandlung, nicht jedoch zur gemeinsamen Entscheidung verbundene-- Verfahren wegen Einkommensteuer und Vermögensteuer betrafen.
c) Die Behauptung, der Kläger habe keine Gelegenheit gehabt, sich vor der Urteilsverkündung zu den Zeugenaussagen und den von V vorgelegten Belegen zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen zu äußern, ist schon deshalb unschlüssig, weil ausweislich des Protokolls (Bl. 11 unten) der Vorsitzende nach Abschluss der Beweisaufnahme die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich erörtert hat und die Beteiligten anschließend Gelegenheit erhielten, zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen und ihre Anträge zu begründen. Im Übrigen sind Belege zu den Einnahmen aus Kapitaleinkünften für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung.
d) Die Kläger beanstanden ferner, dass bei der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2003 andere ehrenamtliche Richter als bei der Verhandlung am 17. Juli 2003 mitgewirkt haben. Dabei verkennen sie, dass die letztgenannte Verhandlung vertagt werden musste, weil einer der ehrenamtlichen Richter noch während der Sitzung ins Krankenhaus eingewiesen werden musste. Bei einer Vertagung der Verhandlung richtet sich die Besetzung der Richterbank --im Gegensatz zu einer (hier nicht gegebenen) Unterbrechung-- nach den für den neuen Termin geltenden Regeln (BFH-Urteil vom 23. April 1996 VIII R 70/93, BFH/NV 1997, 31, unter I. 1., m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1286518 |
BFH/NV 2005, 509 |