Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Steuermeßbetragsbescheid nach § 222 AO berichtigt, so ist bei Berechnung der Frist des § 387 Abs. 3 letzter Satz AO von dem berichtigten, nicht von dem ursprünglichen Bescheid auszugehen.
Normenkette
AO § 387
Tatbestand
Das Finanzamt hat den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag der Steuerpflichtigen (Stpfl.), die ihren Sitz in X. hat, für das Jahr 1951 mit Bescheid vom 8. Januar 1953 zunächst vorläufig auf 1.812 DM und mit Bescheid vom 22. April 1954 alsdann endgültig auf 1.910 DM festgestellt, ohne eine Zerlegung vorzunehmen. Diese Bescheide sind rechtskräftig geworden. Mit Schreiben vom 28. Juni 1955 beantragte die Stadt Y., den Gewerbesteuermeßbetrag der Stpfl. für 1951 zu zerlegen, weil, wie sich inzwischen ergeben habe, im Jahre 1951 in ihrem Bereich bereits eine Betriebstätte der Stpfl. in Gestalt eines Auslieferungslagers bestanden habe. Die Betriebstätte in Y. ist dem Finanzamt erst durch dieses Schreiben bekanntgeworden. Eine im September 1955 vorgenommene Buch- und Betriebsprüfung führte gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) zu einer Berichtigung des Gewerbesteuerermeßbescheides für 1951 auf 1.987 DM durch Bescheid vom 14. Oktober 1955.
Im Anschluß an die Berichtigung des Gewerbesteuermeßbescheides 1951 führte das Finanzamt nunmehr am 14. Juni 1956 auch eine Zerlegung durch, die es auf den Unterschiedsbetrag von 77 DM zwischen den in den beiden Bescheiden vom 22. April 1954 und 14. Oktober 1955 festgestellten einheitlichen Meßbeträgen beschränkte.
Gegen den Zerlegungsbescheid erhoben beide Beteiligte Beschwerde. Die Stadt Y. machte geltend, daß nicht nur der Unterschiedsbetrag, sondern der gesamte einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag zu zerlegen sei. Die Stadt X. (Beschwerdeführerin - Bfin. -) beantragte, den Zerlegungsbescheid aufzuheben, da gemäß § 387 Abs. 3 Satz 4 AO eine Zerlegung nicht mehr in Frage komme. Als die Stadt Y. ihren Zerlegungsantrag am 28. Juni 1955 gestellt habe, sei der Bescheid vom 22. April 1954 bereits mehr als ein Jahr rechtskräftig gewesen. Das Finanzamt gab mit Bescheid vom 20. Mai 1957 der Beschwerde der Stadt Y. statt, indem es nunmehr den gesamten im Gewerbesteuermeßbescheid vom 14. Oktober 1955 festgestellten einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf die beiden Städte nach dem Maßstab der Arbeitslöhne gemäß § 29 Abs. 1 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) verteilte.
Die gegen die Zerlegungsmitteilung von der Stadt X. eingelegte Beschwerde hat die Oberfinanzdirektion als unbegründet zurückgewiesen. Sie hat im wesentlichen dazu ausgeführt: Nach § 387 AO habe in zwei Fällen eine neue Zerlegung stattzufinden, und zwar nach Abs. 2, wenn nach vorgenommener Zerlegung der zu zerlegende Steuermeßbetrag geändert worden sei, und nach Abs. 3. wenn das Finanzamt eine Gemeinde, der ein Anteil an dem Steuermeßbetrag zustehe, bei der Zerlegung übergangen habe. Im vorliegenden Fall seien beide Voraussetzungen gegeben. Es sei jedoch die Ausschlußfrist des Abs. 3 Satz 4 zu beachten. Nach dem Beschluß des Reichsfinanzhofs VI B 19/41 vom 7. Januar 1942 (Reichssteuerblatt 1942 S. 25) gelte diese Frist auch für den Fall erstmaliger Zerlegung, wenn also vor der änderung des Gewerbesteuermeßbescheides eine Zerlegung noch nicht erfolgt sei. Dann beginne die Frist erst mit der Rechtskraft des geänderten Meßbescheides zu laufen. Von dieser Auffassung sei auch der Bundesfinanzhof in seinem Beschluß IV B 288/55 U vom 7. März 1957 (Bundessteuerblatt 1957 III S. 178, Slg. Bd. 64 S. 479) ausgegangen, allerdings nur für den Fall, daß der erste Meßbescheid als vorläufig im Sinne des § 100 AO ergangen sei. Dabei sei jedoch die Frage, ob jede änderung des Meßbescheides die Frist neu in Lauf setze, offengelassen worden. Nach dem Beschluß sei von Bedeutung, daß sich die beteiligten Gemeinden, solange nur ein vorläufiger Steuermeßbescheid vorliege, von vornherein auf eine änderung des ihnen zufließenden Steuerbetrages einstellen müßten. Im Hinblick auf etwaige spätere Berichtigungen des Meßbetrages nach § 222 AO liege jedoch eine solche änderung auch zuungunsten der zunächst beteiligten Gemeinden stets im Bereiche der Möglichkeit. Daher sprächen keine überzeugenden Gründe dafür, einer übergangenen Gemeinde wegen Ablaufs der Frist die Beteiligung dann zu versagen, wenn die Voraussetzung für ein neues Zerlegungsverfahren durch änderung des Steuermeßbetrages grundsätzlich eingetreten sei. Dies müsse entsprechend auch gelten, wenn vor der änderung keine Zerlegung stattgefunden habe. Die Beteiligung einer übergangenen Gemeinde könne nicht davon abhängen, ob das Finanzamt von der Möglichkeit des § 100 AO Gebrauch gemacht habe.
Gegen die Entscheidung der Oberfinanzdirektion hat die Stadt X. weitere Beschwerde erhoben. Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, die Ausschlußfrist des § 387 Abs. 3 letzter Satz AO beziehe sich auf die erstmalige Festsetzung des Steuermeßbetrages. Nach ihrem Ablauf komme somit die Berücksichtigung einer übergangenen Gemeinde auch dann nicht in Frage, wenn im Wege der Berichtigung nach § 222 AO der ursprüngliche Meßbetragsbescheid durch einen neuen ersetzt sei.
Entscheidungsgründe
Auch die weitere Beschwerde vermag nicht zum Erfolg zu führen.
Nach § 387 Abs. 3 AO letzter Satz findet eine neue Zerlegung nicht statt, wenn ein Jahr verflossen ist, seitdem die Festsetzung des zu zerlegenden Steuermeßbetrages unanfechtbar geworden ist. Umstritten ist, an welchen Meßbetragsbescheid die Ausschlußfrist geknüpft wird, wenn der zunächst ergangene Bescheid im Wege der Berichtigung durch einen neuen ersetzt wird. Für die Auffassung der Oberfinanzdirektion, die es auf den berichtigten Bescheid abstellt, sprechen die folgenden Erwägungen:
Ist bereits der ursprüngliche Meßbetrag zerlegt worden, so ist nach § 387 Abs. 2 AO ohnehin eine neue Zerlegung vorzunehmen. Hinsichtlich der Ausschlußfrist des Abs. 3 letzter Satz steht nach dem Beschluß des Reichsfinanzhofs vom 7. Januar 1942 die von einer zunächst unberücksichtigt gebliebenen Gemeinde beantragte erstmalige Zerlegung einer neuen Zerlegung gleich. Es kann danach den Erwägungen der Bfin. über die Vermeidung von Verwaltungsarbeit für die Entscheidung keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, zumal die bisher zu Unrecht nicht berücksichtigte Gemeinde bei den weiteren Zerlegungen nach ihrem Antrag nicht außer acht gelassen werden darf. Das gleiche gilt für ihren Hinweis auf die Ungewißheit der zunächst in dem Meßbetrag beteiligten Gemeinden über die Höhe ihres Gewerbesteueraufkommens. Diese Ungewißheit besteht allgemein, solange Berichtigungen des Meßbescheides nach § 222 AO möglich sind. Sieht man den berichtigten Steuermeßbetrag für maßgeblich bei der Anwendung des Abs. 3 letzter Satz an, so erscheint es nicht vertretbar, die Berichtigung nicht auch auf die Zerlegung zu erstrecken. Nach der Rechtsprechung umfaßt die Berichtigung nach § 222 AO den gesamten Steuerfall. Sie hat zur Folge, daß der bisherige Bescheid aufgehoben wird und nicht mehr die Voraussetzungen des § 387 Abs. 3 letzter Satz AO erfüllt. An seine Stelle tritt der Berichtigungsbescheid. Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt für die Folgejahre den Meßbetrag unter Berücksichtigung von Y. zerlegt. Es ist nicht einzusehen, warum bei der Wiederaufrollung des Steuerfalls für das Streitjahr anders verfahren und unrichtig zerlegt werden soll. Der Senat schließt sich daher der Auffassung der Vorbehörde an, die auch von dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, das auf Ersuchen des Senats dem Verfahren beigetreten ist, geteilt wird. Das Staatsministerium hat in seiner Stellungnahme mitgeteilt, daß auch der Bundesminister der Finanzen und die Finanzminister (Finanzsenatoren) der übrigen Länder dieselbe Auffassung vertreten. Im übrigen wird auf die gleichartigen Erwägungen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 7. März 1957 verwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 409274 |
BStBl III 1959, 106 |
BFHE 1959, 273 |
BFHE 68, 273 |