Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für brasilianischen Stiefsohn
Leitsatz (NV)
Drittstaatsangehörige Ausländer können sich auf die das Einreise- und Aufenthaltsrecht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger regelnde EG-Richtlinie nicht berufen. Sie können daher nicht wegen des Fehlens eines Ausbildungsplatzes als Kind berücksichtigt werden, wenn sie nicht über die erforderliche Arbeitserlaubnis verfügen.
Normenkette
EStG § 32; FGO § 115 Abs. 2; EGRL 38/2004
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) ist seit Januar 2003 mit einer brasilianischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er seit 2001 zusammen in Deutschland lebt. Deren 1985 geborener Sohn, ein brasilianischer Staatsangehöriger, wohnte seit September 2001 zunächst beim Kläger und seiner Ehefrau, danach in Tschechien und vom 15. April 2003 an wieder beim Kläger, wo er im Juli 2004 den Realschulabschluss erwarb.
Die Agentur für Arbeit erfasste den Stiefsohn des Klägers nicht als arbeitsuchend, da er keine Arbeitserlaubnis besaß. Sie bot ihm die Teilnahme an einer finanziell geförderten berufsvorbereitenden Maßnahme an, sofern sein Aufenthaltsstatus geklärt und ihm eine Arbeitserlaubnis erteilt werde. Die Kindergeldfestsetzung für ihn wurde ab September 2004 aufgehoben.
Das vom Stiefsohn angerufene Sozialgericht lehnte es ab, ihn durch einstweilige Anordnung in eine berufsvorbereitende Maßnahme einzuweisen. Berufsvorbereitende Maßnahmen würden durch Vertrag und nicht hoheitlich begründet. Der Stiefsohn gehöre auch nicht zu dem förderungsfähigen Personenkreis nach § 63 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Beschwerde wurde vom Landessozialgericht zurückgewiesen.
Die gegen die Aufhebung des Kindergeldes gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, der Aufhebungsbescheid sei rechtmäßig, weil der Stiefsohn nicht als Kind berücksichtigt werden könne. Er sei an der Aufnahme einer Berufsausbildung nicht durch das Fehlen eines Ausbildungsplatzes gehindert gewesen, sondern aus Rechtsgründen. Der Stiefsohn habe einer Arbeitserlaubnis bedurft. Er sei weder nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigt gewesen, noch habe er --was erforderlich gewesen wäre-- eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besessen. Auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis habe er im Übrigen auch keinen Anspruch gehabt. An einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme habe er nicht teilnehmen dürfen. Ein Fall unzulässiger Inländerdiskriminierung sei nicht gegeben.
Mit seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das FG-Urteil trägt der Kläger im Wesentlichen vor, seine Familie umfasse auch Stiefkinder; im Hinblick auf einen zeitweiligen Aufenthalt in Tschechien zähle sie zu den sog. "Rückkehrerfällen", welche die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union unmittelbar genössen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist abzulehnen.
1. Der Antrag auf PKH ist zulässig, weil für ihn kein Vertretungszwang besteht (§ 155 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 78 Abs. 5, § 117 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--; Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Januar 2003 II S 2/01 (PKH), BFH/NV 2003, 793; vom 22. Februar 2005 III S 17/04 (PKH), BFH/NV 2005, 1124).
2. Die Gewährung von PKH setzt nach § 142 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Handelt es sich bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung um die Zulassung der Revision, so fehlt es an der erforderlichen Erfolgsaussicht, wenn weder der Antrag noch eine summarische (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rz 45, m.w.N.) Prüfung von Amts wegen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 FGO erkennen lassen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 6. Dezember 2000 V S 22/00, BFH/NV 2001, 629).
So liegt es im Streitfall; für den Senat ist nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder das FG-Urteil auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Den Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde stünde allerdings nicht bereits entgegen, dass die für ihre Einlegung und Begründung geltenden Fristen (§ 116 Abs. 2 und Abs. 3 FGO) verstrichen sind. Denn einem Beteiligten, der ein dem Vertretungszwang (§ 62a FGO) unterliegendes Rechtsmittel wegen Mittellosigkeit nicht erheben kann, wäre gemäß § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist PKH für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde beantragt.
b) Die materiell-rechtliche Entscheidung des FG lässt bei summarischer Prüfung Zulassungsgründe nicht erkennen. Drittstaatsangehörige Familienangehörige von Deutschen können sich zudem auf die das Einreise- und Aufenthaltsrecht freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger regelnde Richtlinie 2004/38/EG nicht berufen; der vom Kläger geltend gemachte "Rückkehrfall" liegt schon deshalb nicht vor, weil nur der Stiefsohn zeitweise in Tschechien gelebt hatte --vor dessen Beitritt zur Europäischen Union am 1. Mai 2004--, nicht aber auch der Kläger.
c) Verfahrensmängel, mit denen eine Nichtzulassungsbeschwerde hinreichend erfolgversprechend begründet werden könnte, sind nicht ersichtlich. Das FG hat insbesondere weder gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen noch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehörs verletzt.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 1 Nr. 3 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).
Fundstellen
Haufe-Index 1993567 |
BFH/NV 2008, 1145 |