Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Doppelbesteuerungsabkommen
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Dauer der Bauausführung einer Firma im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 3 StAnpG. Ist dabei auch die Zeit zu berücksichtigen, in der die Firma in Ausführung eines ihr erteilten Bauauftrages an der Baustelle keine eigenen Arbeitskräfte, sondern selbständige Subunternehmer beschäftigt, deren Tätigkeit sie lediglich überwacht?
Normenkette
GewStG § 28; OECD-MA 5; StAnpG § 16 Abs. 2 Ziff. 3; OECD-MA 5/3
Tatbestand
Die Firma H. (im folgenden: Firma) betreibt den Hoch- und Tiefbau. Sie unterhält in verschiedenen Gemeinden der Bundesrepublik Betriebstätten, deren größter Teil in Bauausführungen besteht (§ 16 Abs. 2 Ziff. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -).
Streitig ist die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages der Firma für 1958 zwischen den Gemeinden A. und B. In A. unterhält die Firma eine Zweigniederlassung. In B. hat die Firma im Kalenderjahr 1958 den Auftrag zur Ausführung von Bauarbeiten erhalten. Die Bauarbeiten wurden in der Zeit vom 1. März bis 19. Oktober 1958 durchgeführt, und zwar bis 27. August 1958 durch eigene Arbeitskräfte der Firma, in der restlichen Zeit durch von der Firma eingesetzte Subunternehmer (selbständige Handwerker) und deren Arbeitskräfte. Die letztgenannten Arbeiten wurden von der Firma laufend überwacht und beaufsichtigt. Für die Durchführung des Bauauftrages in B. waren lediglich Arbeitskräfte der Zweigniederlassung der Firma in A. tätig, so daß von dem vorliegenden Zerlegungsstreit nur die beiden genannten Gemeinden berührt werden.
Das Finanzamt ist bei der Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages 1958 der Firma davon ausgegangen, daß die der Firma zuzurechnende Bauausführung in B. vom 1. März bis 19. Oktober 1958, also länger als sechs Monate gedauert hat und daß damit in der genannten Gemeinde im Jahre 1958 eine Betriebstätte der Firma begründet worden ist. Es hat deshalb entsprechend den Angaben der Firma der Stadt A. einen Zerlegungsanteil nach einer Summe der Arbeitslöhne von 322.000 DM und der Gemeinde B. einen solchen nach einer Summe der Arbeitslöhne von 76.000 DM zugeteilt.
Mit der Beschwerde hat die Gemeinde A. begehrt, ihrem Zerlegungsanteil eine um 71.210 DM höhere Summe der Arbeitslöhne zugrunde zu legen, das ist der Gesamtbetrag der Lohnsumme für die Bauarbeiten der Firma in B. in der Zeit vom 1. März bis 27. August 1958. Durch die Bauausführungen in B. sei dort keine Betriebstätte der Firma begründet worden, da als Dauer der Bauausführung nur die Zeit des Einsatzes eigener Arbeitskräfte der Firma für die Bauarbeiten gerechnet werden könne und diese unter sechs Monaten liege.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Es könne nicht übersehen werden, so hat die Oberfinanzdirektion ausgeführt, daß die Firma auch noch nach dem 27. August 1958, und zwar bis zum 19. Oktober 1958 in B. bauausführend tätig geworden sei. Dieses Tätigwerden sei zwar nicht durch den Einsatz eigener Arbeitskräfte, sondern durch überwachung und Beaufsichtigung der anschließenden Ausführung durch Subunternehmer geschehen. Es sei der Stadt A. darin zuzustimmen, daß die bloße Beaufsichtigung und überwachung einer Bauausführung keine Betriebstätte im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 3 StAnpG begründe; denn dort werde nur der Bauausführung als solcher Betriebstättencharakter beigemessen. Im vorliegenden Fall sei der Sachverhalt aber ein anderer. Es habe ein einheitlicher, der Firma erteilter Bauauftrag in B. vorgelegen, der teils mit eigenen Arbeitskräften, teils unter Zuhilfenahme von Subunternehmern bewältigt worden sei. Es würde eine Verkennung des Gesamtbildes der Verhältnisse bedeuten, wollte man diesen einheitlichen Vorgang zerteilen und den der Firma einheitlich erteilten Bauauftrag nur für Zwecke der Zerlegung künstlich in zwei getrennte Bauausführungen zerlegen.
Mit der weiteren Beschwerde hat die Stadt A. ihren Antrag wiederholt. Es sei unerheblich, ob sich die überwachungstätigkeit als Fortsetzung einer früheren Bauausführung darstelle oder für sich allein stattfinde. Die zivilrechtliche Einheitlichkeit des Rechtsverhältnisses der Firma für den Auftraggeber beseitige nicht den tatsächlichen Unterschied zwischen dem Einsatz eigener und der bloßen überwachung fremder Arbeitskräfte. Bei der von der Oberfinanzdirektion vorgenommenen Beurteilung müßte schließlich auch dann eine Bauausführung angenommen werden, wenn die zivilrechtlich verantwortliche Baufirma ausschließlich fremde Unternehmer und fremde Arbeitskräfte ein Bauvorhaben ausführen lasse.
Die Firma ist in ihrer Stellungnahme der Auffassung der Oberfinanzdirektion beigetreten. Mit der Einschaltung eines Subunternehmers in der letzten Phase der Bauarbeiten sei die Bauausführung ihrer Firma in B. keinesfalls beendet oder unterbrochen worden. Es habe sich während der gesamten Bauzeit um eine Baustelle und somit um eine Betriebstätte ihrer Firma gehandelt. Subunternehmer seien Gehilfen; sie seien dem Bauherrn nicht unmittelbar verpflichtet und hafteten ihm gegenüber auch nicht. Vielmehr sei die Firma für ihren Gesamtbauauftrag verantwortlich geblieben. Es habe zu ihrem Pflichtenkreis gehört, die Arbeiten der Subunternehmer ständig zu beaufsichtigen und zu überwachen. Es könne daher auch keine Rede davon sein, daß durch die Einschaltung eines Subunternehmers an der Baustelle keine eigenen Arbeitskräfte der Firma eingesetzt gewesen wären. Die überwachungs- und Beaufsichtigungsfunktion erfordere durchaus den Einsatz eigener Arbeitnehmer an der Baustelle. Es widerspreche auch der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, einen einheitlichen Vorgang aufspalten zu wollen.
Die Arbeiten des Hauptunternehmers und seiner Erfüllungsgehilfen könnten nebeneinander erfolgen, sie könnten aber auch, und zwar im Wechsel, nacheinander folgen. Dennoch bleibe bei natürlicher und wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Baustelle durchgehend eine Bauausführung derjenigen Firma, die den Bauauftrag erhalten habe, die für die Erfüllung des Auftrages dem Bauherrn gegenüber verantwortlich sei und die im Regelfall selbst wesentlich an der Ausführung des Auftrages beteiligt sei.
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde der Stadt A. ist unbegründet.
Der Senat ist mit der Oberfinanzdirektion und der Firma der Auffassung, daß bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch die Tätigkeit der Firma in B. nach dem 27. August 1958 noch als Bauausführung im Sinne des § 16 Abs. 2 Ziff. 3 StAnpG anzusehen ist. Hierfür spricht, daß ein einheitlicher, allein der Firma erteilter Bauauftrag vorgelegen hat, daß diese im wesentlichen unmittelbar an der Bauausführung durch eigene Arbeitskräfte beteiligt war und daß die später eingesetzten Subunternehmer nur Erfüllungsgehilfen der Firma waren. Auch während des Einsatzes der Subunternehmer hat die Firma an der Baustelle weiterhin eigene Arbeitskräfte beschäftigen müssen, die zwar nicht unmittelbar die Bauarbeiten ausgeführt, aber diejenigen der Subunternehmer laufend beaufsichtigt und überwacht haben. In einem solchen Falle entspricht es nach der Auffassung des Senats der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, auch diese letztere Tätigkeit noch als eine bauausführende zu behandeln.
Daß in B. auch nach dem 27. August 1958 weitere Arbeitslöhne der Firma angefallen sind, ergibt sich aus den Akten. Nach einem Schreiben der Firma an die Stadt A. vom 14. September 1959 belief sich die Lohnsumme für ihre Arbeiten in B. in der Zeit vom 1. März bis 27. August 1958 auf den bereits oben genannten Betrag von 71.210 DM, während in den von der Firma eingereichten Unterlagen für die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages 1958 die gesamte Lohnsumme in B. vom März bis Oktober 1958, wie ebenfalls bereits erwähnt, mit 76.000 DM angegeben ist.
Hiernach war die weitere Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410648 |
BStBl III 1963, 71 |
BFHE 1963, 201 |
BFHE 76, 201 |