Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; Verletzung des rechtlichen Gehörs; materiell-rechtliche Fehler und etwaige Befangenheit keine Zulassungsgründe
Leitsatz (NV)
- Macht das FA nach einer Teilklärung des Sachverhalts geltend, das FG habe gegen seine Amtsaufklärungspflicht verstoßen, weil es eine Geldverkehrsrechnung unterlassen habe, muss es im einzelnen darlegen, zu welchem Ergebnis diese geführt hätte, wenn es selbst die angebliche Unterdeckung nur überschlägig berechnet hatte.
- Beruft sich der Steuerpflichtige darauf, das FG habe den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt, ist darzulegen, was er zu dem nach seiner Ansicht nicht berücksichtigten Gesichtspunkt vorgetragen hätte, und warum dieser - auch nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG - zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Außerdem ist darzulegen, dass dieser Mangel in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine Rüge nicht möglich war und die Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft wurden.
- Eine fehlerhafte Beweiswürdigung ist kein Verfahrensfehler, der zur Zulassung der Revision führen kann. Das gilt auch für unzulängliche Tatsachenfeststellungen und materiell-rechtliche Fehler.
- Eine etwaige Befangenheit kann nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden.
Normenkette
FGO §§ 76, 96, 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Gründe
Von einer Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
I. Die Beschwerde des Beklagten, Beschwerdegegners und Beschwerdeführers (Finanzamt ―FA―) ist unzulässig.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt das FA, das Finanzgericht (FG) habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Dazu hätte u.a. schlüssig dargelegt werden müssen, welche Beweismittel das FG nicht erhoben hat, warum das FA nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat oder warum dem FG sich eine Beweiserhebung auch ohne besonderen Antrag habe aufdrängen müssen (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Februar 1999 VI B 374/98, BFH/NV 1999, 1121). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde des FA nicht. Denn jedenfalls hätte das FA im Einzelnen darlegen müssen, warum das FG die Einkünfte des Klägers, Beschwerdeführers und Beschwerdegegners (Kläger) aus selbständiger Arbeit zu niedrig angesetzt habe. Das FA hat selbst bei der Erörterung der vorgenommenen Zuschätzung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit machten 9 920 DM und die aus selbständiger Arbeit 55 498,78 DM aus. Es hat auch die Punkte als geklärt angesehen, in denen das FG die vom FA angesetzten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach Erörterung des Sach- und Streitstoffs im Einverständnis mit den Beteiligten reduziert hat. Das FA hätte daher im Einzelnen darlegen müssen, warum trotz dieser detaillierten Ermittlung einzelner Besteuerungsgrundlagen eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch das FG zu einer höheren Steuerfestsetzung hätte führen können. Insbesondere hätte das FA im Einzelnen darlegen müssen, zu welchem Ergebnis die nach seiner Ansicht vom FG unterlassene Geldverkehrsrechnung geführt hätte. Denn es ist grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will (BFH-Beschluss vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290), weshalb der gerügte Verstoß an sich als materiell-rechtlicher Fehler zu werten ist, der wie die Nichtbeachtung anerkannter Schätzungsgrundsätze, der Denkgesetze und Erfahrungssätze grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führen kann (BFH-Beschluss vom 9. Mai 1996 X B 188/95, BFH/NV 1996, 747). Allerdings kann auch eine Geldverkehrsrechnung einen zuverlässigen Schluss auf entsprechend hohe Einkünfte zulassen. Das FA hatte in die Berechnung der Unterdeckung aber nicht einmal alle Konten der Kläger einbezogen, sondern sich auf eine überschlägige Berechnung beschränkt und die Anfangs- und Endbestände nicht ermittelt. Zudem hat das FG festgestellt, dass das FA nicht alle Geldbewegungen berücksichtigt hatte. Angesichts der getätigten Grundstücksverkäufe hätte das FA daher im Einzelnen darlegen müssen, in welchem Umfang Zinsen tatsächlich abgeflossen waren und aufgenommene Darlehensmittel zur Tilgung anderer Darlehen eingesetzt worden waren. Unter diesen Umständen hätte das FA von sich aus die Richtigkeit seiner Schätzung weiter untermauern müssen. Das hat das FA jedoch unterlassen. Es hat auch in der mündlichen Verhandlung nicht auf die Erhebung weiterer Beweise gedrungen. Das FG konnte daher seine Sachprüfung auf die strittigen Punkte beschränken (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459; vom 24. November 1993 X R 12/89, BFH/NV 1994, 766). Zudem hat das FA auch mit der Beschwerde nicht dargelegt, zu welchem Ergebnis die von ihm vermisste Geldverkehrsrechnung gekommen wäre.
II. Auch die Beschwerde der Kläger ist unzulässig.
1. Soweit die Kläger geltend machen, das FG habe ihren Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 des Grundgesetzes ―GG―, § 96 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), weil es Werbungskosten bei dem Objekt …straße nicht anerkannt habe, ist ein Verfahrensfehler nicht ordnungsgemäß i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Dazu hätten die Kläger u.a. darlegen müssen, was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die nach ihrer Ansicht zu Unrecht nicht berücksichtigten Werbungskosten vorgetragen hätten und inwiefern der ―unterbliebene― Sachvortrag bei Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. August 1997 VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196, und vom 17. Dezember 1998 VII B 239/97, BFH/NV 1999, 1093, m.w.N.). Da auf die Geltendmachung dieses Verfahrensmangels verzichtet werden kann (BFH-Urteil vom 25. Februar 1997 VII R 129/95, BFH/NV 1997, 542) ist ferner darzulegen, dass die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der Vorinstanz gerügt wurde oder weshalb eine Rüge nicht möglich war und die Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, ausgeschöpft wurden (Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Rz. 74, m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Die Kläger haben nicht dargelegt, warum sie nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem FG darauf hingewiesen haben, dass ein anderer Senat des FG unter Beteiligung des beisitzenden Richters B, der auch an dem angefochtenen Urteil mitgewirkt hat, die Zahlungen an die Z als Werbungskosten (1990: 21 888 DM) anerkannt haben soll. Die Kläger berücksichtigen auch nicht, dass nach der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz der strittige Betrag von 21 888 DM eine Rückzahlung des von der Z gewährten Darlehens war und somit keinen Werbungskostencharakter haben konnte. Es hat sich dafür sogar auf das Urteil des … Senates des FG in der Sache … bezogen und ausgeführt, dass die Beteiligten dort übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass die Z ein rückzahlbares Darlehen gegeben habe. Im Übrigen haben die Kläger die Anlagen, auf die sie in der Beschwerdeschrift Bezug nehmen, dieser nicht beigefügt. Darauf sind sie durch das Schreiben der Geschäftsstelle vom 2. August 1999 ausdrücklich hingewiesen worden.
2. Der Vortrag der Kläger ist insoweit nicht ausreichend, als sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich der nicht anerkannten Schuldzinsen bei den Objekten …weg, A und …straße rügen. Sie tragen auch mit der Beschwerde nicht vor, welche Zinsen im Streitjahr auf welche Darlehen gezahlt worden sein sollen.
3. Soweit die Kläger beantragen, der Berichterstatter in der Vorinstanz C solle den gesamten getätigten Schriftverkehr würdigen, verkennen sie, dass eine fehlerhafte Beweiswürdigung kein Verfahrensfehler ist, der zur Zulassung der Revision führen kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510). Soweit sie in diesem Zusammenhang für die Auswertung der Zahlungen an Sparkasse und Z ausführen, die Darlehensnummern auf den Verträgen seien mit den Bankkontonummern der Darlehenskonten identisch, rügen sie letztlich eine fehlerhafte Beweiswürdigung und damit keinen Verfahrensfehler. Für die Rüge, das FG habe aufgrund eines mangelhaft aufgeklärten Sachverhalts entschieden (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Oktober 1998 IV B 155/97, BFH/NV 1999, 632), hätten sie zumindest, bezogen auf die jeweiligen Zahlungen im Streitjahr, die Tatsachen im Einzelnen angeben müssen, aus denen ersichtlich würde, welche konkreten Zahlungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den einzelnen Mietobjekten gestanden haben sollen. Das haben sie jedoch unterlassen. Im Übrigen verkennen die Kläger, dass das angefochtene Urteil auch auf der Auffassung beruht, die jetzt bestehenden Verbindlichkeiten stünden nur dann in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Mietobjekten, wenn die Zinsen für die durch sie abgelösten Verbindlichkeiten bereits Werbungskosten gewesen seien.
4. Einen Verfahrensfehler würde es auch nicht darstellen, wenn die Tatsachenfeststellungen des FG etwa deshalb unzulänglich wären (vgl. Dürr in Schwarz, a.a.O., § 115 Rz. 67), weil der Berichterstatter ―wie die Kläger meinen― offenbar überfordert gewesen wäre. Auch dazu hätten die Kläger im Einzelnen darlegen müssen, warum die Zinszahlungen für das Objekt …weg als Werbungskosten anzuerkennen gewesen wären.
5. Aus diesem Grund reicht das Vorbringen, der Berichterstatter habe sich aus anderen Verfahren Gründe herausgesucht, um die Auffassung des FA zu halten, zur schlüssigen Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht aus.
6. Die Kläger führen nicht aus, warum die Darstellung des Sachverhaltes auf "Seite 3 bis 17" der Urteilsgründe falsch sein soll. Eine etwaige Befangenheit des beisitzenden Richters B oder des Berichterstatters C, die die Kläger jedenfalls nicht rechtzeitig geltend gemacht haben (vgl. § 51 FGO i.V.m. § 43 der Zivilprozeßordnung), wäre zudem kein Mangel, der zur Zulassung der Revision führen könnte (Senatsbeschluss vom 10. Juni 1998 IV B 114/97, BFH/NV 1999, 57, m.w.N.).
7. Mit dem Vorwurf, das FG habe § 177 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht richtig angewandt, wird ein materiell-rechtlicher Verfahrensmangel geltend gemacht, der ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Februar 1997 IV B 105/96, BFH/NV 1997, 679; vom 27. März 1998 XI B 44/97, BFH/NV 1998, 1362, jeweils m.w.N.). Das gilt auch insoweit, als mit der Beschwerde die Beweiswürdigung durch den Berichterstatter angegriffen wird, weil dieser nur für nicht nachvollziehbar erkläre, was er nicht begreife.
Unter diesen Umständen besteht auch kein Grund, die Entscheidung wegen der Erkrankung des Klägers zurückzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 425118 |
BFH/NV 2000, 848 |