Entscheidungsstichwort (Thema)
Divergenz wegen nachträglicher Änderung der Rechtsprechung
Leitsatz (NV)
Auch soweit die Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet wird, die Vorentscheidung weiche von einer neuen, geänderten Rechtsprechung des BFH ab, genügt der schlichte Hinweis auf eine Änderung der Rechtsprechung nicht. In der Beschwerde müssen entscheidungserhebliche Rechtssätze aus dem finanzgerichtlichen Urteil und abstrakte Rechtssätze aus den neuen Entscheidungen des BFH so genau bezeichnet werden, dass eine Abweichung erkennbar wird.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) begehrt die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG). Er trägt vor, die Rechtsfrage der Möglichkeit der Rückzahlung privater Verbindlichkeiten vor der Rückzahlung von Verbindlichkeiten, die zur Einnahmeerzielung aufgenommen wurden, habe grundsätzliche Bedeutung. Er habe das Ruhen des Verfahrens beantragt, um den Ausgang von beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängiger Klagen zu ähnlichen Sachverhalten abzuwarten, was der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) jedoch abgelehnt habe. In einem weiteren Schreiben hat sich der Beschwerdeführer auf eine zwischenzeitlich geänderte Rechtsprechung des BFH bezogen, ohne diese jedoch näher zu bezeichnen. Die Rechtsprechung gehe "nunmehr in einem Teil der Fälle von einer unterschiedlichen Rückzahlbarkeit der Verbindlichkeiten aus und damit auch von einer zunächst (möglichen) Rückzahlung der privaten Verbindlichkeiten".
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeschrift genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der vor dem 1. Januar 2001 gültigen Fassung, die für die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen vor dem 1. Januar 2001 verkündete oder zugestellte FG-Urteile maßgeblich ist (vgl. Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757).
Nach § 115 Abs. 2 FGO a.F. ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH bzw. des BVerfG, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Der Beschwerdeführer hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt hierzu nicht. Vielmehr muss der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Ggf. ist darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist oder dass und weshalb die vorhandene Rechtsprechung einer Änderung durch die begehrte Revisionsentscheidung bedarf. Auch die Behauptung, ein Urteil sei rechtsfehlerhaft, gibt der Rechtssache noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 18. März 1998 IX B 119/97, BFH/NV 1998, 1114, ständige Rechtsprechung).
2. Soweit mit der Beschwerde die Zulassung der Revision mit der Abweichung der Vorentscheidung von einer neuen, geänderten Rechtsprechung des BFH begründet wird, hätten in der Beschwerde entscheidungserhebliche Rechtssätze aus dem finanzgerichtlichen Urteil und abstrakte Rechtssätze aus den neuen Entscheidungen des BFH so genau bezeichnet werden müssen, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Der schlichte Hinweis auf eine Änderung der Rechtsprechung reicht hierfür nicht; der Beschwerdeführer hat auch nicht dargetan, dass der Sachverhalt des Streitfalles auf Grund der geänderten Rechtsprechung (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 9 Rz. 9) anders zu beurteilen wäre und das FG dementsprechend anders entschieden hätte. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die mit dem nachträglichen Schreiben geltend gemachte Divergenz trotz der in § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO a.F. vorgesehenen Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils wegen einer Änderung der Rechtsprechung noch berücksichtigt werden könnte.
3. Sollte der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf seinen beim FG gestellten Antrag, das Verfahren vor dem FG im Hinblick auf beim BFH anhängige Verfahren auszusetzen, einen Verfahrensfehler des FG rügen wollen, so wäre die Nichtzulassungsbeschwerde auch insoweit unzulässig. Da der Beschwerdeführer nichts dazu vorträgt, ob es sich bei den anhängig gewesenen Verfahren überhaupt um einen vergleichbaren Sachverhalt handelte, ist bereits nichts dafür dargetan, dass das Urteil des FG auf der Nichtaussetzung beruhen könnte. Im Übrigen musste das FG das Verfahren auch nicht wegen eines beim BFH anhängigen Musterprozesses nach § 74 FGO aussetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Mai 1992 III B 138/92, BFH/NV 1993, 106).
Fundstellen
Haufe-Index 585700 |
BFH/NV 2001, 925 |