Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung eines Verspätungszuschlags
Leitsatz (NV)
1. Die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO genannten Kriterien für die Bemessung eines Verspätungszuschlags sind grundsätzlich gleichwertig; nach den Umständen des Einzelfalles kann ein Kriterium stärker als ein anderes hervortreten. Mit dem Hinweis auf den präventiven Charakter des Verspätungszuschlags verstößt das FA nicht gegen das Gebot, alle Kriterien des Einzelfalls zu berücksichtigen.
2. Das Verhalten des Steuerpflichtigen in den Vorjahren darf bei der Höhe des Verspätungszuschlags zu seinen Lasten berücksichtigt werden.
Normenkette
AO § 152 Abs. 2 S. 2; FGO § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.09.2007; Aktenzeichen 12 K 157/05) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatten ihre Einkommensteuererklärung für 2002 bis zum 29. Februar 2004 einzureichen. Nach einer Erinnerung und Zwangsgeldandrohung ging die Erklärung am 2. Juni 2004 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) ein. Festgesetzt wurde die Einkommensteuer auf 9 696 €, Zinsen zur Einkommensteuer auf 80 € und daneben ein Verspätungszuschlag in Höhe von 130 €. Aufgrund eines Einspruchs sowie nach Änderung eines Grundlagenbescheids setzte das FA die Einkommensteuer auf 7 318 € herab. Die Zinsen verminderten sich auf 10 €, der Verspätungszuschlag blieb jedoch unverändert.
Einspruch und Klage gegen den Verspätungszuschlag blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, dieser sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Kläger, das FG-Urteil gehe davon aus, dass die Höhe des Verspätungszuschlags nicht zu beanstanden sei, der pro angefangenen Monat nicht einmal 0,5 v.H. der festgesetzten Einkommensteuer entspreche. Damit weiche es vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Juni 1997 X R 14/95 (BFHE 183, 21, BStBl II 1997, 642) ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), wonach sich der Verspätungszuschlag nicht in erster Linie an der Höhe der festgesetzten Steuer und der Dauer der Verspätung ausrichten dürfe.
Das FG-Urteil gehe weiter davon aus, dass der Verspätungszuschlag allein schon aus dem Umstand gerechtfertigt sein könne, den Steuerpflichtigen künftig zur fristgerechten Abgabe der Erklärungen anzuhalten. Damit weiche es von den BFH-Urteilen vom 15. Juni 1983 I R 76/82 (BFHE 139, 146, BStBl II 1983, 672) und vom 30. April 1987 VII R 48/84 (BFHE 149, 511, BStBl II 1988, 170) ab, wonach sämtliche in § 152 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) genannten Kriterien im Einzelfall berücksichtigt werden müssten. Soweit das FG-Urteil davon ausgehe, dass das FA alle maßgeblichen Kriterien benannt und erörtert habe, widerspreche es dem BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 19/83 (BFHE 154, 23, BStBl II 1988, 929), welches fordere, dass der Steuerpflichtige erkennen können müsse, welche Erwägungen die Finanzbehörde bei der Ausübung ihres Ermessens angestellt habe.
Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) habe die Rechtsfrage, ob das Verhalten des Steuerpflichtigen in den Vorjahren bei der Festsetzung der Höhe des Verspätungszuschlages zu seinen Lasten berücksichtigt werden dürfe. Diese Frage werde vom BFH zwar bejaht, sie sei jedoch erneut zu prüfen. Die Beurteilungsmerkmale des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO bezögen sich ausschließlich auf den jeweils zu beurteilenden Fall. Außerhalb des damit vorgegebenen Rahmens liegende Umstände dürften nicht berücksichtigt werden.
Von grundsätzlicher Bedeutung seien weiter die Fragen, ob bei der Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs auf die gesamte Abschlusszahlung oder nur auf die Einkommensteuerabschlusszahlung abgestellt werden dürfe, und ob bei der Ermittlung des Zinsvorteils nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO mit Rücksicht auf die Regelung des § 238 AO von einem Zinssatz in Höhe von 0,5 v.H. auszugehen sei.
Das FG-Urteil beruhe auch auf Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), da das FG sich nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt habe, dass es bei der Berechnung des Zinsvorteil lediglich auf den Zeitraum der Säumnis --im Streitfall vom 1. März bis 1. Juni 2004-- und nicht auf den Zeitraum bis zur Fälligkeit der Steuerschuld ankomme. Das FG habe auch den Vortrag übergangen, dass das FA unzutreffend davon ausgegangen sei, dass der Verspätungszuschlag nicht nach der Höhe der Abschlusszahlung, sondern nach der festgesetzten Steuer zu bemessen sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet, sie wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
1. Die von den Klägern gerügten Divergenzen liegen nicht vor.
Nach dem BFH-Urteil in BFHE 183, 21, BStBl II 1997, 642 sind die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO genannten Kriterien für die Bemessung eines Verspätungszuschlags grundsätzlich gleichwertig, nach den Umständen des Einzelfalles kann ein Kriterium stärker als ein anderes hervortreten. Bei der Bemessung darf sich die Finanzbehörde nicht ausschließlich am erzielten Vorteil und nicht in erster Linie an der festgesetzten Steuer bzw. den zu versteuernden Einkünften oder Umsätzen orientieren. Dem widerspricht das FG-Urteil nicht, soweit es feststellt, dass die Höhe des gegen die Kläger festgesetzten Verspätungszuschlages, der pro angefangenen Monat weniger als 0,5 v.H. der festgesetzten Einkommensteuer entspreche, nicht zu beanstanden sei.
Der Hinweis des FG auf den präventiven Charakter des Verspätungszuschlages entspricht dem Wortlaut des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO ("… Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe … anzuhalten") und weicht nicht von den BFH-Urteilen in BFHE 139, 146, BStBl II 1983, 672 und in BFHE 149, 511, BStBl II 1988, 170 ab, wonach sämtliche in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO genannten Kriterien im Einzelfall berücksichtigt werden müssten.
2. Die Rechtsfrage, ob das Verhalten des Steuerpflichtigen in den Vorjahren bei der Festsetzung der Höhe des Verspätungszuschlags zu seinen Lasten berücksichtigt werden dürfe, hat der BFH --wie die Kläger eingeräumt haben-- bereits mehrfach dahin entschieden, dass die Finanzbehörde das Verhalten des Steuerpflichtigen in den Vorjahren bei ihrer nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung, in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden soll, berücksichtigen darf (z.B. BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 56/98, BFHE 192, 213, BStBl II 2001, 60, unter II.4. der Gründe). Hinreichende Gründe, die gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage erforderlich erscheinen lassen, haben die Kläger nicht dargetan. Sie übersehen zudem, dass wiederholte Verspätungen bei der Abgabe der Steuererklärungen für die Pflichtvergessenheit der Steuerpflichtigen sprechen, das Verschulden zu den von der Finanzbehörde nach § 152 Abs. 2 Satz 2 AO bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigenden Kriterien gehört und mit dem Grad des Verschuldens auch der von der Finanzverwaltung durch die Höhe des Verspätungszuschlags entgegenzusetzende Druck wachsen darf (BFH-Beschluss vom 23. Juni 2008 IV B 106/07, BFH/NV 2008, 1642; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 152 AO Rz 27).
Soweit die Kläger den Fragen, ob bei der Festsetzung des Verspätungszuschlags auf die gesamte Abschlusszahlung oder nur auf die Einkommensteuerabschlusszahlung abgestellt werden dürfe, und ob bei der Ermittlung des Zinsvorteils von einem Zinssatz in Höhe von 0,5 v.H. auszugehen sei, grundsätzliche Bedeutung zumessen, haben sie die Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht erfüllt.
3. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor; von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 2081448 |
BFH/NV 2009, 116 |