Leitsatz (amtlich)
Zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Falle eines negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheids nach der MGVO.
Orientierungssatz
1. Lehnt das HZA einen Antrag auf Feststellung einer bestimmten Referenzmenge nach der MGVO ab, so ist diese Entscheidung ein negativer Referenzmengen-Feststellungsbescheid (vergleichbar z.B. dem negativen Gewinnfeststellungsbescheid des FA). Ob vorläufiger Rechtsschutz im Falle eines negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheids durch Aussetzung der Vollziehung oder durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO zu gewähren ist, konnte unentschieden bleiben, weil an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids weder ernstliche Zweifel bestanden noch der Bescheid eine unbillige Härte i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO zur Folge hatte noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde. Der Senat neigt dazu, vorläufigen Rechtsschutz im Falle eines negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheids durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
2. Die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts (hier: Milchreferenzmengenfestsetzung) wegen unbilliger Härte ist nur zulässig, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht ausgeschlossen werden können (BFH).
3. NVS: Der Streitwert im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Falle eines (negativen) Milch-Referenzmengen-Feststellungsbescheids beträgt im Regelfall 10 v.H. des in Frage stehenden Abgabenbetrages.
4. NVS: Einer Beschwerde darf das FG durch Aufhebung des angefochtenen und Erlaß eines neuen Beschlusses mit dem gleichen Tenor nur abhelfen, wenn die Beschwerde "begründet", d.h. der angefochtene Beschluß mit solchen Mängeln behaftet ist, daß er nicht aufrechterhalten werden kann. Eine solche Abhilfe ist dagegen nicht zulässig, wenn die Begründung des angefochtenen Beschlusses nur verbessert oder ergänzt werden soll.
5. NVS: Hat das FG einer Beschwerde dadurch abgeholfen, daß es den angefochtenen Beschluß aufgehoben und einen neuen Beschluß mit gleichem Tenor erlassen hatte, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren, und hat der BFH auf eine weitere Beschwerde diesen FG-Beschluß aufgehoben, ist es angemessen, den Streitwert dieses Verfahrens auf 1 000 DM festzusetzen, wenn die Aufhebung dieses Beschlusses für den Beschwerdeführer materiell-rechtlich keinen Vorteil darstellte.
Normenkette
MilchGarMV § 4; ZPO § 3; MilchGarMV § 6; FGO § 155; MilchGarMV § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 2, §§ 114, 130 Abs. 1, § 69 Abs. 3; GKG § 13 Abs. 1 Fassung: 1975-12-15, § 25 Abs. 1 Fassung: 1975-12-15
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) übernahm im November 1981 einen landwirtschaftlichen Betrieb ohne Inventar mit der Absicht, die Milcherzeugung nach Investitionen aufzunehmen. Am 18.Juli 1984 lieferte er erstmals Milch; die Milchanlieferung vom 18.Juli 1984 bis 31.März 1985 an die Milchzentrale E betrug 48 978 kg. Diese Milchzentrale lehnte die Berechnung einer Anlieferungs-Referenzmenge nach der Milch- Garantiemengen-Verordnung (MGVO) --sog. Milchquote-- für den Antragsteller ab, da dieser am 2.April 1984 noch kein Milchlieferant gewesen sei. Unter dem 31.März 1985 erteilte die Milchzentrale dem Antragsteller eine Abrechnung für die Zeit vom 2.April 1984 bis 31.März 1985, wonach unter Zugrundelegung einer Referenzmenge von 0 kg eine Abgabe in Höhe von 21 143,98 DM zu entrichten ist.
Mit Schreiben vom 20.Juni 1984 an den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) beantragte der Antragsteller die Neuberechnung einer Referenzmenge entsprechend der MGVO mit der Begründung, er beabsichtige, die Milchlieferung für den von ihm übernommenen Betrieb in vier Wochen aufzunehmen und beantrage daher, ihm eine Referenzmenge entsprechend der von ihm vorgesehenen Kuhzahl von 35 Stück zuzuteilen. Unter dem 28.Juni 1984 teilte das HZA dem Antragsteller mit, es könne seinem Antrag nicht entsprechen und empfahl ihm, sich mit dem für ihn zuständigen Amt für Land- und Wasserwirtschaft in Verbindung zu setzen. Der Antragsteller hatte am 20.Juni 1984 bei diesem Amt die Erteilung einer Bescheinigung zur Anerkennung einer Anlieferungs-Referenzmenge bei besonderen Situationen nach § 9 Abs.2 MGVO beantragt. Das Amt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30.Juli 1984 ab. Hiergegen erhob der Antragsteller nach erfolglosem Widerspruch am 22.April 1985 Klage vor dem Verwaltungsgericht. Das VG wies die Klage ab; das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ferner legte der Antragsteller am 21.März 1985 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein und stellte dort den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung; das BVerfG hat darüber bisher noch nicht entschieden. Am 26.November 1985 beantragte der Antragsteller beim Amt für Land- und Wasserwirtschaft, ihm, als Junglandwirt, eine angemessene Referenzmenge zuzuteilen; über diesen Antrag ist noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 25.März 1985 legte der Antragsteller "gegen die Festsetzung (bzw. Nichtfestsetzung) einer Anlieferungs-Referenzmenge sowie gegen die Mitteilung der Milchzentrale an das Hauptzollamt Einspruch ein" und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Da das HZA bis dahin darüber nicht entschieden hatte, beantragte er mit Schreiben vom 4.Juni 1985 beim Finanzgericht (FG), "die Vollziehung der Anlieferungs-Referenzmengen-Festsetzung und der Abgabenfestsetzung gemäß MGVO auszusetzen". Zur Begründung führte er u.a. aus, die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedeute für ihn eine unbillige Härte, da von ihm eine Abgabe von rd. 25 000 DM erhoben werden solle, so daß er auf Monate hinaus kein Milchgeld erhalten werde; er sei jedoch für seinen eigenen Lebensunterhalt und für den Lebensunterhalt seiner Familie auf das Milchgeld angewiesen.
Das FG wies den Antrag mit Beschluß vom 23. Juli 1985 zurück (vgl. den Beschluß des FG vom 16.August 1985 IV 133/85 S-H in einer Parallelsache, EFG 1985, 567).
++/ Zur Begründung führte es aus, der Antrag sei nicht statthaft, da es an einem Verwaltungsakt fehle; soweit der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Abgabenfestsetzung begehre, richte sich dieser Antrag an ein unzuständiges HZA. Mit Schreiben vom 8.August 1985 --eingegangen beim FG am 9.August 1985-- legte der Antragsteller Beschwerde ein mit der Begründung, im Gegensatz zur Auffassung des FG liege in der Entgegennahme der Mitteilung der Molkerei nach § 4 Abs.5 MGVO durch das HZA ein Verwaltungsakt; auf den Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26.März 1985 VII B 12/85 (BFHE 142, 534, BStBl II 1985, 258) werde hingewiesen.
Mit Beschluß vom 16.August 1985 entschied das FG: "Der Beschwerde vom 8.8.1985 gegen den Beschluß vom 23.Juli 1985 wird abgeholfen. Der Beschluß vom 23.Juli 1985 wird aufgehoben. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird zurückgewiesen." Zur Begründung führte das FG aus: Es halte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die erneute Abweisung des Antrages für zulässig. Nach § 130 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei der Beschwerde abzuhelfen, wenn das FG sie für begründet halte. Strittig sei, wie zu verfahren sei, wenn das Gericht die Beschwerde für begründet halte, aber die Entscheidung gleichwohl aus anderen Gründen aufrechterhalten wolle. Nach herrschender Meinung sei der angefochtene Beschluß aufzuheben und ein neuer Beschluß zu erlassen. Das FG schließe sich für den Regelfall, der im Streitfall gegeben sei, der herrschenden Meinung an. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei nicht statthaft, da es an einem vollziehbaren Verwaltungsakt fehle. Die Entgegennahme der Mitteilung der Milchzentrale durch das HZA bewirke keine Festsetzung der Referenzmenge. Der Antrag wäre im übrigen auch dann nicht statthaft, wenn in der Entgegennahme der Mitteilung der Milchzentrale durch das HZA ein Verwaltungsakt zu sehen wäre, da keine Bescheinigung der zuständigen Landesstelle vorliege (§ 9 Abs.2 MGVO).
Mit seiner Beschwerde gegen diese Entscheidung trägt der Antragsteller im wesentlichen vor: Das FG könne nach herrschender Meinung den angefochtenen Beschluß aufheben und einen neuen Beschluß erlassen. Die erneute Abweisung sei aber nur dann zulässig, wenn das FG tatsächlich seine ablehnende Entscheidung auf neue Gründe stütze. Im vorliegenden Fall habe das FG in beiden Beschlüssen die Abweisung darauf gestützt, daß die Mitteilung der Milchzentrale über die Referenzmenge keinen Verwaltungsakt darstelle und die Entgegennahme der Mitteilung durch das HZA keine Festsetzung der Referenzmenge bewirke. Diese Auffassung sei nicht richtig (BFHE 142, 534, BStBl II 1985, 258). Unrichtig sei auch die ergänzende Auffassung des FG, der Antrag sei auch dann nicht statthaft, falls in der Entgegennahme der Mitteilung der Milchzentrale durch das HZA ein Verwaltungsakt zu sehen sei. Dieser Verwaltungsakt sei die Grundlage für die Abgabenerhebung durch das HZA Hamburg-Jonas. Damit sei die Festsetzung der Referenzmenge durch das beklagte HZA der Grundlagenbescheid für die Abgabenerhebung und diese Festsetzung der Aussetzung der Vollziehung fähig. Ein Rechtsschutzbedürfnis gegen Verwaltungsakte, die die Grundlage zu einer Abgabe bildeten, könne nicht mit dem Hinweis auf andere Rechtswege, die möglicherweise parallel möglich seien, versagt werden. Durch die abweisende Entscheidung des FG sei ihm, dem Antragsteller, erneut nur ein Teil des Milchgeldes ausgezahlt worden. Die finanzielle Situation in seinem Betrieb habe sich dadurch weiter verschlechtert. Im Herbst müsse er die Abschlüsse für Schrot und Kraftfutter tätigen, um die Winterfütterung zu sichern. Dazu sei er jedoch nicht in der Lage.
Der Antragsteller hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das HZA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. /++
Entscheidungsgründe
++/ Die angefochtene Entscheidung vom 16.August 1985 verletzt § 130 FGO, soweit durch sie der Beschluß des FG vom 23.Juli 1985 aufgehoben worden ist. Sie ist daher insoweit aufzuheben.
Das FG hat nach § 130 Abs.1 FGO einer Beschwerde abzuhelfen, soweit es sie für "begründet" hält. Begründet in diesem Sinne ist eine Beschwerde, wenn der angefochtene Beschluß mit solchen Mängeln behaftet ist, daß er nicht aufrechterhalten werden kann. Das ist dann der Fall, wenn sich die Entscheidungsformel als unrichtig erweist oder das Verfahren, das zur Entscheidung geführt hat, an wesentlichen Mängeln leidet, insbesondere an Mängeln i.S. des § 119 FGO, bei deren Vorliegen unterstellt wird, daß die Entscheidung auf diesem Mangel beruht. Dagegen ist eine durch Beschwerde angefochtene Entscheidung nicht schon dann "begründet" i.S. des § 130 Abs.1 FGO, wenn einzelne Argumente der Beschwerdebegründung gegen die Gründe der angefochtenen Entscheidung zutreffend sind oder das FG der Meinung ist, die Begründung seiner Entscheidung müsse verbessert oder ergänzt werden.
Allein eine solche "Nachbesserung" der Gründe seines Beschlusses vom 23.Juli 1985 hat das FG im vorliegenden Fall mit seinem Beschluß vom 16.August 1985 vorgenommen. Es hat die wesentliche Begründung des ersten Beschlusses (Antrag hinsichtlich der Referenzmengenfestsetzung unstatthaft, da kein vollziehbarer Verwaltungsakt vorliege) aufrechterhalten und diese lediglich ergänzt durch den Hinweis, auch die Entgegennahme der Mitteilung der Milchzentrale durch das HZA bringe keinen Verwaltungsakt zur Entstehung. Ferner hat das FG im Beschluß vom 16.August 1985 die Hilfsbegründung angefügt, auch wenn davon auszugehen wäre, ein Verwaltungsakt liege vor, sei der Antrag unstatthaft. Aus den Gründen des zweiten Beschlusses ergibt sich, daß das FG nicht etwa seinen ersten Beschluß für unbegründet i.S. des § 130 Abs.1 FGO gehalten hat, sondern daß es im Gegenteil der Meinung war, seine Begründetheit lasse sich durch weitere Argumente stützen.
Zu Unrecht beruft sich das FG auf den Beschluß des erkennenden Senats vom 30.März 1976 VII B 105/75 (BFHE 119, 122, BStBl II 1976, 595). Der Senat hat dort einen Fall entschieden, in dem die Beschwerde deswegen begründet war, weil das FG der Antragstellerin das rechtliche Gehör versagt hatte und daher der Beschluß zu Unrecht ergangen war, das FG aber, nachdem sich die Antragstellerin Gehör verschafft hatte, seine Entscheidung unter einem neuen Gesichtspunkt für richtig hielt. Die Erkenntnis des Senats, daß in einem solchen Fall das FG nach § 130 Abs.1 FGO berechtigt ist, eine neue Entscheidung mit neuer Begründung zu erlassen, ist, wie sich aus den Gründen des Beschlusses deutlich ergibt, allein auf diesen Fall abgestellt. Daß dieser Beschluß nicht ohne weiteres verallgemeinert werden kann, hat der Senat überdies auch in den beiden späteren vom FG zitierten Entscheidungen deutlich gemacht (Beschlüsse vom 30.November 1976 VII B 1/75, BFHE 120, 460, BStBl II 1977, 164, und vom 2.Februar 1977 VII B 13/75, BFHE 121, 167, BStBl II 1977, 331).
Das FG kann sich nicht mit Erfolg auf Stimmen im Schrifttum zu der dem § 130 FGO entsprechenden Vorschrift des § 571 der Zivilprozeßordnung (ZPO) berufen. Im Schrifttum wird --übereinstimmend mit dem Beschluß in BFHE 119, 122, BStBl II 1976, 595-- teilweise die Auffassung vertreten, daß das Gericht der Beschwerde durch Erlaß eines neuen Beschlusses mit Gründen abhelfen kann, wenn es den angefochtenen Beschluß im Ergebnis für richtig hält, aber aus einem anderen Grund, als in ihm dargelegt (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 13.Aufl., § 571 Anm.1 c; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 44.Aufl., § 571 Anm.1 A; Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20.Aufl., § 571 Anm.6; Rosenberg/Schwab, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 13.Aufl., § 149 ZPO IV 1; Blomeyer, Zivilprozeßrecht, 2.Aufl., § 105 ZPO III 1). Es ergibt sich jedoch aus dem angeführten Schrifttum auch, daß das --entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift-- nur gilt, wenn das Gericht die Beschwerde für begründet erachtet (vgl. insbesondere Rosenberg/Schwab, a.a.O.). Dies trifft aber, wie dargelegt, nicht schon dann zu, wenn das Gericht allein die Begründung seiner Entscheidung für teilweise nicht richtig, verbesserungs- oder ergänzungsbedürftig hält.
Da die Beschwerde des Antragstellers hinsichtlich des Beschlusses vom 16.August 1985 Erfolg hatte, waren die Kosten dieses Verfahrens dem HZA aufzuerlegen (§ 135 Abs.1 FGO). Im Hinblick darauf, daß die Aufhebung dieses Beschlusses für den Antragsteller materiell-rechtlich keinen Vorteil darstellt, hält es der Senat für angemessen, den Streitwert dieses Beschwerdeverfahrens auf 1 000 DM festzusetzen (§ 13 Abs.1, § 25 Abs.1 des Gerichtskostengesetzes --GKG--).
Da der Beschluß vom 16.August 1985 aufgehoben worden ist, besteht der Beschluß vom 23.Juli 1985 weiter. Auch gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat das FG im materiellen Ergebnis nicht abgeholfen, wie dem (aufgehobenen) Beschluß vom 16.August 1985 im Zusammenhang mit dem diesen Beschluß betreffenden Nichtabhilfebeschluß des FG vom 3.September 1985 zu entnehmen ist. Wegen der Besonderheiten dieses Falles und im Interesse der Prozeßökonomie hat der Senat keine Bedenken, davon auszugehen, daß hinsichtlich der Beschwerde gegen den Beschluß vom 23.Juli 1985 ein Nichtabhilfebeschluß und eine Vorlage an den BFH i.S. des § 130 Abs.1 FGO gegeben ist. /++
Das FG hat den Antrag des Antragstellers, die Vollziehung der streitigen Referenzmengenfeststellung auszusetzen, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Nachdem die Milchzentrale die Feststellung einer Referenzmenge abgelehnt hatte, stellte der Antragsteller mit Schreiben vom 20.Juni 1984 beim HZA den Antrag "auf Neuberechnung einer Garantiemenge" entsprechend der MGVO. Darin ist ein Antrag nach § 10 Abs.3 MGVO auf Feststellung einer bestimmten Referenzmenge durch das HZA zu sehen. Diesen Antrag hat das HZA mit Bescheid vom 28.Juni 1984 abgelehnt. Diese Entscheidung ist ein Verwaltungsakt. Er ist ein negativer Referenzmengen-Feststellungsbescheid und vergleichbar z.B. dem negativen Gewinnfeststellungsbescheid des Finanzamts --FA-- (Entscheidung des FA, entgegen dem Antrag des Steuerpflichtigen keine Verluste festzustellen), dessen Eigenschaft als Verwaltungsakt nicht streitig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 17.Januar 1985 IV B 65/84, BFHE 143, 10, BStBl II 1985, 299). Dieser Bescheid vom 28.Juni 1984 ist Gegenstand des Aussetzungsantrags. Die vom FG verneinte Frage, ob die Entgegennahme der Mitteilung der Milchzentrale, keine Referenzmenge feststellen zu wollen, durch das HZA einen Verwaltungsakt darstellt, stellt sich also im vorliegenden Fall nicht.
Der Antragsteller möchte mit seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einstweilen so gestellt werden, daß die von ihm angestrebte Referenzmenge bei der Festsetzung der Milchabgabe berücksichtigt wird. Wie der erkennende Senat durch Beschluß vom 17.Dezember 1985 VII B 116/85 (BFHE 145, 289) entschieden hat, ist in Fällen, in denen ein Milcherzeuger begehrt, für ihn im Wege vorläufigen Rechtsschutzes eine höhere Referenzmenge vorzusehen als die bisher festgestellte, Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Im Unterschied zu diesem Fall hat es im vorliegenden Fall das HZA jedoch abgelehnt, eine Referenzmenge festzustellen. Ob auch im Falle eines solchen negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheids vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung gewährt werden kann, hat der Senat bisher nicht entschieden. Er könnte eine solche Entscheidung ohne Anrufung des Großen Senats des BFH nicht treffen. Denn, wie der Senat im zuletzt zitierten Beschluß dargelegt hat, entspricht diese Rechtsfrage jener, die sich bei der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid stellt. Die letztgenannte Frage hat der IV.Senat des BFH dem Großen Senat mit Beschluß in BFHE 143, 10, BStBl II 1985, 299 vorgelegt. Der Große Senat hat darüber noch nicht entschieden.
Der erkennende Senat ist im vorliegenden Fall nicht gehalten, die Entscheidung des Großen Senats auf die genannte Anfrage des IV.Senats abzuwarten oder seinerseits den Großen Senat nach § 11 Abs.3 FGO anzurufen. Denn er kann diese Frage unentschieden lassen, da --wie auch immer sie zu entscheiden wäre-- das Begehren des Antragstellers keinen Erfolg haben kann.
a) Nach Auffassung des IV.Senats des BFH im zitierten Vorlagebeschluß ist vorläufiger Rechtsschutz gegen einen negativen Gewinnfeststellungsbescheid durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Ginge man bei dem negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheid von dem gleichen Rechtsgrundsatz aus --wozu der Senat neigt--, so wäre das Begehren des Antragstellers dahin zu verstehen, daß er die Aussetzung des Bescheids des HZA vom 28.Juni 1984 sowie den Ausspruch begehrt, daß bei der Festsetzung der Milchabgabe vorläufig von einer bestimmten Referenzmenge auszugehen sei. Das so interpretierte Begehren des Antragstellers könnte aber keinen Erfolg haben, da, wie das FG in der Hilfsbegründung seines Beschlusses vom 16.August 1985 zu Recht ausgeführt hat, die Voraussetzungen des § 69 Abs.2 und 3 FGO nicht erfüllt sind. An der Rechtmäßigkeit des negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheids vom 28.Juni 1984 bestehen nämlich weder ernstliche Zweifel noch hat der Bescheid eine unbillige Härte im Sinne der genannten Vorschrift zur Folge.
Da der Antragsteller im maßgebenden Zeitraum kein Milcherzeuger war, hat das HZA grundsätzlich zu Recht die Festsetzung einer Referenzmenge abgelehnt (§ 4 MGVO). Der Antragsteller behauptet jedoch, bei ihm liege eine besondere Situation im Sinne des einschlägigen Gemeinschaftsrechts bzw. von § 6 MGVO vor. Diese Situation zu berücksichtigen, ist das HZA nach §§ 9 Abs.2, 10 Abs.3 MGVO indes nur befugt, wenn ihm eine entsprechende Bescheinigung der zuständigen Landesstelle vorliegt (vgl. BFHE 145, 289). Eine solche Bescheinigung liegt aber unstreitig nicht vor. Die Rechtmäßigkeit des negativen Feststellungsbescheids ist also nicht ernstlich zweifelhaft. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, wegen der Erlangung der genannten Bescheinigung vorläufigen Rechtsschutz vor dem VG zu suchen (vgl. BFHE 145, 289).
Die Vollziehung des negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheids hat auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (vgl. § 69 Abs.2 und 3 FGO). Die Härten, die die gemeinschaftsrechtliche nationale Milchquotenregelung für solche Milcherzeuger unzweifelhaft mit sich bringt, die wie der Antragsteller ihre Milchproduktion erst nach dem maßgebenden Zeitraum aufgenommen haben und die Voraussetzungen der Härtefallregelungen (vgl. z.B. § 6 MGVO) nicht erfüllen, sind vom nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Normgeber im Interesse der Sanierung des Marktes für Milch und Milcherzeugnisse bewußt in Kauf genommen worden. Außerdem ist die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte ohnehin nur zulässig, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BFH-Beschluß vom 19.April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538); diese Voraussetzung ist hier aber, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, nicht gegeben.
b) Auch falls davon auszugehen wäre, daß vorläufiger Rechtsschutz im vorliegenden Fall nur durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO gewährt werden könnte, wäre dem Begehren des Antragstellers der Erfolg zu versagen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob schon deswegen so zu entscheiden wäre, weil der Antragsteller einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht gestellt hat. Denn auch wenn der Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Falls in einen solchen nach § 114 FGO umgedeutet werden müßte --was unentschieden bleiben kann--, wäre er abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 114 Abs.1 FGO nicht erfüllt sind. Es fehlt nämlich zumindest an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen zur Frage hingewiesen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des negativen Referenzmengen-Feststellungsbescheides vorliegen.
c) Mit Recht hat das FG entschieden, daß, soweit der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der Abgabenfestsetzung begehrt, sich sein Antrag gegen ein unzuständiges HZA richtet. Zuständig ist allein das HZA Hamburg-Jonas (§ 2 Abs.2 MGVO).
++/ Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.2 FGO. Bei der Streitwertfestsetzung ist der Senat davon ausgegangen, daß es sich um ein Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes handelt, bei dem der Streitwert im Regelfall auf 10 v.H. des in Frage stehenden Abgabenbetrages festzusetzen ist. Für die Zeit vom 2.April 1984 bis 31.März 1985 ist vom Antragsteller eine Abgabe nach der MGVO in Höhe von 21 143 DM gefordert worden. Der Senat hält es daher für angemessen, den Streitwert dieses Beschwerdeverfahrens auf 2 114 DM festzusetzen (§ 13 Abs.1, § 25 Abs.1 GKG). /++
Fundstellen
Haufe-Index 61389 |
BFHE 146, 1 |
BFHE 1986, 1 |
DStZ 1986, 165-165 (ST) |
HFR 1986, 307-308 (ST) |